Heimkino-Tipp: „Waves“ (2019)

Sounds and Color

Ja, Filme sind primär ein Unterhaltungsmedium. Aber sie sind ebenso eine Form von Kunst, um Geschichten aller Art mithilfe unterschiedlichster Stilmittel zu erzählen. Ein wunderbares Beispiel, wie beides nahezu perfekt miteinander kombiniert werden kann, lässt sich in „Waves“ von Trey Edward Shults („It Comes At Night“, 2017) bewundern.

Erzählt wird die Geschichte der afroamerikanischen, gut situierten Vorstadtfamilie Williams aus Florida. Papa Ronald (Sterling K. Brown) erzieht seine beiden leiblichen Kinder Tyler (Kelvin Harrison Jr.) und Emily (Taylor Russell) zusammen mit seiner zweiten Frau Catherine (Renée Elise Goldsberry) nach strengen, aber fairen Regeln und versucht, sie dadurch für das oftmals herausfordernde Erwachsenenleben von People of Color in Amerika zu stärken. Besonders Sohnemann Tyler, der ebenso wie sein Vater im Ringsport Erfolge feiert, fordert und fördert er pausenlos, sei es beim Trainieren, Hausaufgaben machen oder beim allwöchentlichen Kirchenbesuch. Tylers geordnetes Teenagerdasein gerät aus den Fugen, als ihm seine Langzeitfreundin Alexis (Alexa Demie) von ihrer Schwangerschaft erzählt. Beide haben verschiedene Vorstellungen davon, wie sie mit dieser Situation umgehen wollen. Der darauf folgende Streit und dessen Folgen verändern das Leben aller für immer.

Schaue ich einen Film erstmalig im Heimkino, habe ich es mir inzwischen abgewöhnt, nebenbei eine Mahlzeit zu mir zu nehmen (Süßkram natürlich ausgenommen). Zu groß ist die Wahrscheinlichkeit, beim kurzen Blick auf Teller und Tablett etwas auf dem Bildschirm zu verpassen, zu übersehen, nicht wahrzunehmen. Mensch sollte nämlich nie vergessen: Jede einzelne Sekunde eines Films/einer Serie wurde – im Idealfall – bewusst gewählt und kreiert, um die zu erzählende Geschichte zu bebildern. Das Licht, der Kamerawinkel, die zu hörende Musik und das Agieren von Personen vor der Kamera – all das hat eine Bedeutung und kann schnell verloren gehen, wenn der Blick des Publikums gerade woanders verweilt. „Waves“ macht dies besonders deutlich: Die Eröffnungssequenz ist eine meisterhafte Aneinanderreihung von kurzen Szenen, die mit einer erstaunlichen technischen Finesse und hohem Tempo eingefangen und kombiniert wurden. Davon auch nur eine Sekunde zu verpassen, wäre unverzeihlich.

Doch nicht nur das. Auch im weiteren Verlauf findet Regisseur Shults interessante, ungewöhnliche Perspektiven, die er kongenial mit Musik und Farbspielen zusammenfügt, die hier und da Dialoge gar komplett ersetzen und stattdessen die Story vorantreiben und/oder die Gedankenwelt der Figuren verdeutlichen. Das wiederkehrende, ganz auf die Gefühlswelt der Charaktere abgestimmte Spiel mit dem Bildformat setzt dieser außergewöhnlichen Art des Geschichtenerzählens schließlich die Krone auf.

Optische Spielereien wie diese bleiben jedoch reine Scharade, wenn es drumherum nix zu entdecken gibt. „Waves“ ist davon erfreulicherweise weit entfernt und bringt viel inhaltliches Gepäck mit, erzählt von Liebe, Vergebung, Mitgefühl und familiärem Zusammenhalt in alle ihren Facetten.

All das macht „Waves“ im wahrsten Sinne des Wortes zu einem Kunstwerk, das von uns Zuschauenden volle Aufmerksamkeit verdient.

Die DVD bietet den Film in deutsch synchronisierter und englischer Originalsprachversion. Deutsche Untertitel sind optional verfügbar. Als Extras gibt es Trailer. „Waves“ erscheint bei good!movies/Zorro Medien und ist seit 30. September 2021 auch digital erhältlich (Packshot und stills: © good!movies/Universal Pictures).