Heimkino-Tipp: „Robot Dreams“ (2023)

Dancin’ in September

Schon mal einen Hund einen Hot Dog essen sehen? Einen Hirsch mit einer Kuh kuscheln? Oder einen Oktopus, der in einer U-Bahn-Station mit seinem Trommelspiel begeistert? Dies alles gibt es tatsächlich – im bunten New York der 1980er-Jahre, wie es Regisseur Pablo Berger in seinem herzerwärmenden „Robot Dreams“ präsentiert. Bei so vielen menschlichen Eigenschaften, die seine tierischen Bewohner besitzen, braucht es die Zweibeiner gar nicht mehr. Stattdessen leben Tiere aller Art harmonisch neben- und miteinander und genießen den warmen Herbst.

Außer Dog, ein alleinlebender Hund, der sich sehr nach einer Begleitung sehnt. Die kommt in Form eines selbst zusammenschraubbaren Roboters in sein Leben, den er sich eines Abends beim Teleshopping-Kanal bestellt. Kaum erwacht, lächelt der große Blechmann unentwegt, verbreitet gute Laune und beschert Dog endlich den Freund fürs Leben, den er sich schon immer gewünscht hat. Doch das Glück ist endlich: Als der Roboter nach einem Ausflug an den Strand unbeweglich im Sand liegen bleibt, muss Dog ihn nach diversen Rettungsversuchen zurücklassen – zumindest bis zum nächsten Sommer, wenn er wieder an den Strand darf. Doch wie weiterleben, wenn der beste Freund plötzlich nicht mehr da ist?

Basierend auf einer Comicvorlage von Sara Varon und komplett auf Dialoge verzichtend, könnte mensch „Robot Dreams“ ob seiner tierischen Hauptdarsteller als Fabel bezeichnen – über das Überwinden von Einsamkeit, das Glück von Freundschaften und Abnabelungsprozesse, vor denen (fast) keine Beziehung gefeit ist. Erzählt ist dies stets zart und gefühlvoll, niemals bösartig und doch ehrlich. Diese Balance macht den Film sowohl für ein junges als auch erwachsenes Publikum interessant, wobei Letzteres sich zudem noch über einige Filmzitate freuen kann, die immer wieder durchs Bild huschen.

„Robot Dreams“ ist kein ‚lauter‘ Action- und Slapstickspaß wie beispielsweise „Pets“ oder „Zoomania“, in denen Tiere ganz eindeutig bestimmte menschliche Charaktere und Eigenarten darstellen. Welche Tierart hier gerade mit wem über die Straße spaziert, ist völlig irrelevant. Regisseur Berger konzentriert sich nur auf die zu erzählende Geschichte – und die ist universell. Genauso wie Musik, jene universelle Sprache, die trösten, begeistern und mitreißen kann. Im Falle von „Robot Dreams“ ist das vor allem der groovige 70er-Jahre-Hit „September“ der Band Earth, Wind & Fire, der das Leitmotiv dieses filmischen Kleinods darstellt, das zu Recht 2024 eine Oscar-Nominierung als Bester Animationsfilm erhielt.

Die Blu-ray/DVD-Disc bietet den Film, der ohne Dialoge auskommt, mit optionalen deutschen Untertiteln für die Übersetzung von Schildern u.a., welche englisch erscheinen. Als Bonus gibt es mehrere Kurzdokumentation, die sich mit der Entstehung des Films befassen. Zudem gibt es noch eine ‚Special Edition‘, die zusätzlich noch eine Soundtrack-CD enthält. „Robot Dreams“ erscheint bei Plaion Pictures und ist ab 17. Oktober 2024 auch digital erhältlich. (Packshot + stills: © Plaion Pictures GmbH)

Heimkino-Tipp: „Der Untergang“ (2004)

Der Wahn(sinnige) und seine Anhänger

Schon bevor „Der Untergang“ im September 2004 in den hiesigen Kinos anlief, hatte er dank seiner Marketingstrategen (und ganz sicher auch dank Produzent Bernd Eichinger) für Furore gesorgt. Ein deutscher(!) Spielfilm, der ausschließlich die letzten Tage im „Führerbunker“ zeigt und Adolf Hitler im Alltag begleitet? Basierend auf authentischen Dokumenten, Gesprächsprotokollen und Situationen? Die Fallhöhe war immens – der (ebenso internationale) Erfolg im Anschluss jedoch nicht minder beachtlich.

Dabei haben es speziell deutsche Produktionen, die sich dem ‚Dritten Reich‘ widmen, bei Publikum und Kritikern noch nie leicht gehabt. Nur ein paar Beispiele, die das belegen sollen (und z.T. vor und nach „Der Untergang“ entstanden sind): „Nichts als die Wahrheit“ (1999) erzählt die – fiktive – Geschichte eines am Leben gebliebenen Josef Mengele (dargestellt von Götz George), der mithilfe eines Anwalts (Kai Wiesinger) im Rentenalter an die Öffentlichkeit tritt, um sich und seine Taten zu rechtfertigen. Ein faszinierendes Filmexperiment, das seine Story dafür nutzt, um vor der latenten Gefahr der Verführung und Relativierung von rechts zu warnen. Oder Dani Levys Parodie „Mein Führer – Die wirklich wahrste Wahrheit über Adolf Hitler“ (2007), in der ausgerechnet ein deutscher Jude (Ulrich Mühe) Hitler (Helge Schneider) die Redekunst beibringen soll. Nicht zu vergessen Oskar Roehlers umstrittener Skandalstreifen „Jud Süß – Film ohne Gewissen“ (2010), der zwar Fakten nutzte, diese aber sehr eigenwillig interpretierte. Seltsamerweise erhalten ausländische Produktionen zu Hitler-Deutschland und den damit verbundenen Ereignissen selten solch harsche Kritik wie die eben genannten, ganz gleich wie freigeistig sie sich dem Stoff nähern (siehe u.a. „Jojo Rabbit“, 2019).

Die Häme für „Der Untergang“ kam derweil erst mit einigen Jahren Verzögerung und dann auch eher aus Respekt für die Schauspielkunst von Bruno Ganz statt als Veräppelung. Ganz spielte Hitler nämlich so beeindruckend nah am Original, dass er seither aufgrund seiner Mimik, Gestik und Sprachmelodie für unzählige Persiflagen auf YouTube herhalten muss, in denen ‚Hitler‘ die unsinnigsten Dinge sagt.

Lässt man die inzwischen bekannten inhaltlichen Fehler und ärgerlichen Ereignisse während der Produktion außen vor (wer es genauer wissen will, kann dies u.a. auf der Wikipedia-Seite zum Film nachlesen), so muss man Regisseur Hirschbiegel zweifellos großes Talent attestieren, diese Menge an Personen und Storyschnipseln, die ihm Eichingers Drehbuch vorgegeben hat, zu einer in großen Teilen kohärenten, spannenden Geschichte verknüpft zu haben. Vorausgesetzt das Publikum ist dazu bereit, den hier präsentierten Menschen ihre Zeit zu widmen und sich ihrer Konflikte anzunehmen. Keine moralischen Konflikte wohlgemerkt, denn ihre Rollen im großen Ganzen, ihre Verantwortung und ja, Schuld, für das Leid, welches ihre Taten bewirkt haben, egal ob als Sekretärin, Fußsoldat oder Handlanger, werden in keiner Szene thematisiert. Ist dies problematisch? Auf jeden Fall. Doch aus Sicht eines Drehbuchautors, der sich ganz auf seine Figuren konzentriert, um aus ihren Handlungen einen Spannungsbogen zu erschaffen, in gewisser Weise nachvollziehbar.

Zumal dieser Film bei allen Nebenschauplätzen von Anfang an nur einen Mittelpunkt hat: Bruno Ganz’ Hitler-Darstellung. Dies sind die money shots, das ist der unique selling point, dafür ström(t)en die Menschen ins Kino. Und Ganz liefert: im Lauten, im Stillen, im Übertriebenen, im Subtilen. Es ist die Rolle, die mit ihm – damals 63 Jahre alt – bis an sein Lebensende verbunden bleiben sollte, obwohl er davor schon und danach noch unzählige weitere großartige Rollen verkörpert hatte.

Was aber ist der Mehrwert von einem Film wie „Der Untergang“: Bebilderung historischer Ereignisse zum besseren Verständnis und als Warnung vor Wiederholung? Normalisierung von einst einflussreichen Unmenschen, um ihre Fehlbarkeit zu unterstreichen (und somit eine Relativierung ihrer Taten)? Oder doch nur cleverer Schachzug eines Produzenten, der die Faszination mit Personen wie Hitler zu nutzen wusste, um mit viel Herzblut, Geld, Talent und geschichtlichen Quellen einfach einen guten, erfolgreichen Film kreieren wollte? Das Urteil liegt wie so oft im Auge der Betrachter.

Die nun neu erschienene 4K Ultra HD/Blu-ray-Edition bietet den Film in deutscher Originalsprachfassung. Englische Untertitel sowie deutsche Untertitel für Hörgeschädigte sind optional vorhanden. Zudem gibt es eine deutsche Hörfilmfassung für Sehgeschädigte (sehr lobenswert!). Die Blu-ray enthält umfangreiches Bonusmaterial zur Entstehungsgeschichte, etliche Interviews und auch einen Audiokommentar. Einziges Manko: Leider ist die Extended-TV-Version des Films nicht mit auf den Discs enthalten. „Der Untergang“ ist seit 26. September 2024 bei Constantin Film im Vertrieb von Highlight/Universal erhältlich. (Packshot + stills: © Constantin Film)

Heimkino-Tipp: „Boy kills World“ (2023)

Ready Player Fight

Es ist nicht der erste und definitiv auch nicht der letzte Streifen, der dies unterstreicht, aber: Entwickeln sich Sehgewohnheiten und Erwartungen in diese Richtung weiter, werden Filme wie „Boy kills World” zumindest im Action-Genre wohl Standard. Meint: Sehr hohes Tempo, eine entfesselte Kameraführung, die jeder Physik trotzt, und eine von Videospielen inspirierte Optik. Dazu blutige Konfrontationen im Minutentakt, untermalt von leichtfüßiger Musik und mit einem Augenzwinkern präsentiert, damit dies alles nicht so brutal wirkt. „Deadpool“ hat es vorgemacht, nun ziehen andere nach.

Einziges Manko - und das ist nicht despektierlich gemeint: Es hat mit der Kunstform „Film“ nicht mehr viel zu tun. Vielmehr gleichen Werke wie „Boy kills World“, „Free Guy“ (2021) oder „Ready Player One“ (2018, immerhin von Regielegende Steven Spielberg inszeniert) einem Videospiel, in dem die Protagonisten Level für Level ihre Kämpfe be- und überstehen müssen, dabei auf seltsame Sidekicks treffen und Realität, Schwerkraft sowie körperliche Wunden ihre Bedeutung verlieren bzw. folgenlos bleiben.

Der gebürtige Hesse Moritz Mohr, der mit „Boy kills World“ sein Langfilmdebüt gibt, ist laut eigener Aussage selbst begeisterter Gamer. Die Marschrichtung ist somit klar – und Mohr liefert ab: mit simpler Story, coolem Helden, Geballer und Gekloppe ohne Ende. Was fehlt, ist Seele.

Der taubstumme Boy (Bill Skarsgård) verlor als Kind seine Eltern und wurde daraufhin von einem Schamanen (Yayan Ruhian) in diversen Kampftechniken trainiert und fernab der Großstadt großgezogen. Dort herrscht die skrupellose van der Koy-Familie (Famke Janssen, Sharlto Copley, Brett Gelman, Michelle Dockery), die jedes Jahr aufs Neue vermeintliche Regimegegner in einem live übertragenen, blutigen Gladiatorenspiel tötet. Doch diesmal stellt sich ihnen Boy entgegen.

Fehlenden Tiefgang oder inhaltliche Schwächen zu kritisieren, ist bei einem Film, der sein Hauptanliegen bereits im Titel trägt, müßig und nicht wirklich zielführend. Denn „Boy kills World“ möchte unterhalten, kurzweilig sein, über die Stränge schlagen. Wer sich für so etwas begeistern kann, wird nicht enttäuscht. Dass die Gags kindisch, der Verlauf vorhersehbar und die Figuren allesamt eindimensional sind, ärgert aber schon ein wenig. Selbst die Fights erinnern stark an Besseres (z.B. The Raid, 2011), wenngleich ich großen Respekt für alle beteiligten Stuntfrauen und Stuntmänner sowie Darsteller hege, digitale Unterstützung hin oder her.

Wie sehr die Grenzen zwischen Film und Videospiel-Ästhetik inzwischen verschwommen sind, wird in „Boy kills World“ eindrucksvoll zur Schau gestellt. Wie mensch das beurteilt, steht auf einem anderen Blatt.

Die Blu-ray/DVD-Disc bietet den Film in englischer Original- und deutsch synchronisierter Sprachfassung. Untertitel für Hörgeschädigte sind optional vorhanden. Als Bonus gibt es ein Making of, kurze Featurette-Clips und Trailer. „Boy kills World“ erscheint am 26. September 2024 bei Constantin Film im Vertrieb von Universal Pictures und ist auch digital erhältlich. (Packshot + stills: © Constantin Film)

Heimkino-Tipp: „Mississippi Burning“ (1988)

In der Hitze des Südens

Mit einem gewonnenen Oscar (für „Beste Kamera“) und sechs weiteren Nominierungen (u.a. „Bester Film“) zählt Alan Parkers Drama „Mississippi Burning“ über den 1964 verübten Mord an drei Bürgerrechtlern zweifellos zu den wichtigsten Werken der Dekade. Über 30 Jahre nach seiner Veröffentlichung wirken manche Statements der darin porträtierten Rassisten traurigerweise aktueller denn je, andere Aspekte wiederum sind nicht mehr zeitgemäß. Beispielsweise die Tatsache, dass es im ganzen Film keine people of colour gibt, die mehr als nur eine Nebenrolle innehaben.

Doch Moment! Wäre dies 1988, in der Zeit seiner Entstehung, überhaupt möglich gewesen? Ich persönlich bezweifle stark, dass eine Hollywood-Großproduktion wie diese eine Finanzierung erhalten hätte, wäre sie nicht mit so vielen bekannten und gefeierten (weißen) SchauspielerInnen besetzt gewesen. Zumal die Story – sogar für das als liberal geltende Hollywood – einige Risiken barg. Traurige Ironie der Geschichte: Auch im Film selbst stellt eine Figur süffisant fest, dass die ermittelnden FBI-Beamten gar nicht vor Ort wären, würde unter den Opfern des zu untersuchenden Mordes nicht auch ein weißes sein.

Macht dies „Mississippi Burning“ weniger relevant? Keinesfalls! Denn wie aktuelle Berichte und Nachrichten zeigen, sind Rassismus, Gewalt und Antisemitismus leider längst wieder in der Mitte der Gesellschaft angekommen, wenn oftmals auch in weniger offensichtlicher Form wie es der Film zeigt. Regisseur Parker gibt einzelnen Figuren zwar hier und da Raum für ein wenig charakterliche Tiefe, doch sein Hauptaugenmerk liegt eindeutig woanders: In immer kleiner werdenden Abständen attackieren Anhänger des Ku-Klux-Klans alles und jeden, der sich ihnen entgegenstellt – verbal, gewaltsam und später nicht einmal mehr im Verborgenen, wohlwissend, dass die Mehrheit in ihrem Umfeld ihre verquere Weltsicht teilt und eine Bestrafung, wenn überhaupt, milde ausfallen wird.

Inspiriert von wahren Ereignissen, greift „Mississippi Burning“ diese Tatsachen auf. Ja, das bedeutet auch, dass diese Ereignisse möglicherweise nicht alle in exakt dieser Weise geschehen sind. Doch ein wenig Recherche genügt um zu erfahren, dass zum Beispiel die im Film verkürzt dargestellte Gerichtsverhandlung dreier angeklagter Brandstifter synonym steht für die damals in einigen Landstrichen laxe Rechtsprechung gegenüber Klan-Mitgliedern. Auf der anderen Seite verzichtete Regisseur Parker sogar auf die Nennung weiterer offensichtlich rassistisch motivierter Morde, die in diesem Zeitraum vor Ort geschahen. Vielleicht auch, um seinem Publikum nicht noch mehr zuzumuten von der hässlichen Fratze des Rassismus.

Bei aller inhaltlichen Bitternis ist „Mississippi Burning“ aber vor allem eines: großartiges Schauspielkino! In den Hauptrollen begeistern dabei Willem Dafoe und Gene Hackman als ungleiches Ermittlerduo, die mit ihren sehr unterschiedlichen Methoden immer wieder aneinander geraten. Wie oben bereits erwähnt, hält das Skript nicht allzu viele ‚stille‘ Szenen für sie bereit, doch wie sie diese nutzen (ein Augenzwinkern hier, ein kleiner Seufzer dort), ist ein Genuss zu erleben. Frances McDormand erhielt für ihre Leistung die erste von unzähligen Oscar-Nominierungen (inzwischen nennt sie vier(!) der Goldjungen ihr eigen), während Profis wie Brad Dourif, R. Lee Ermey, Michael Rooker, Pruitt Taylor Vince oder auch Jigsaw in spe, Tobin Bell, in Nebenrollen glänzen.

Angenommen, „Mississippi Burning“ würde wie so viele andere 80er-Jahre-Filme ein Remake erhalten. Ja, es würde heute anders besetzt sein, sich mehr den Opfern als den Ermittlern zuwenden und das FBI sicherlich auch nicht so kritiklos agieren lassen wie hier noch zu sehen. Trotzdem: Als Zeitdokument mit ernstem Ansinnen und der nötigen Wut im Bauch ist und bleibt Alan Parkers Thriller ein wuchtiges, wichtiges Werk.

Die 4K Ultra HD/Blu-ray/DVD-Disc bietet den Film in englischer Original- und deutsch synchronisierter Sprachfassung. Deutsche und englische Untertitel sind optional vorhanden. Nur im Mediabook gibt es als Bonus diverse Interviews und Featurettes sowie ein informatives Booklet, verfasst von Tobias Hohmann. „Mississippi Burning“ erscheint bei capelight pictures im Vertrieb von Alive AG und ist seit 19. September 2024 auch digital erhältlich. (Packshot + stills: © Metro-Goldwyn-Mayer Studios Inc./capelight pictures)

Heimkino-Tipp: „Late Night with the Devil“ (2023)

Endlich: Bislang geheime TV-Aufzeichnung enthüllt!

Liebe Leute, ihr glaubt nicht, was ich entdeckt habe! Lange wollte es mir niemand glauben, nun endlich, nach vielen Jahren, gibt es den Videobeweis!

Aber der Reihe nach: Im Herbst 1977 war ich als Austauschschüler in den USA und hatte das große Glück, Eintrittskarten für die Late-Night-Show „Night Owls“ zu ergattern, über die ich zuvor schon viel gelesen und Spannendes gehört hatte. Es hieß, dass dort immer ganz besondere Gäste vorbeischauen würden und das war an jenem Abend nicht anders. Moderiert wurde das Ganze von David Dastmalchian alias Jack Delroy, dem ewigen Konkurrenten – und meiner Meinung nach besseren Moderator – von US-Talkshow-Ikone Johnny Carson.

Ihr könnt euch sicher vorstellen, wie groß meine Freude war, als ich erfuhr, dass ich ausgerechnet für die legendäre Halloween-Ausgabe der Show Karten bekommen würde. Ich also vorher in den örtlichen Kostümverleih, wo ich mir einen schwarzen Ganzkörperanzug mit weißer Skelettbemalung besorgte und dann schon auf dem Weg zum Sendestudio einige Kinder auf der Straße ordentlich erschreckte.

Das Tolle, wenn man bei einer Live-Aufzeichnung fürs TV mit dabei sein kann: Zu beobachten, was vor Beginn der Show und während der Werbepausen so alles auf und neben der Bühne geschieht: Die Kameramänner werden instruiert, die Schweinwerfer in die richtige Position gebracht und der Moderator wird ständig gepudert. Als es dann endlich losging, wurde ich derart ‚prominent‘ platziert, dass ich im Verlauf der Sendung sogar mehrmals frontal von der Kamera gefilmt wurde! Es gab sogar einen Moment, in dem mich Jack direkt ansprach, nur war ich so verdattert, dass ich kein Wort über die Lippen brachte. Das sollte sich für den Rest der Nacht dann auch nicht mehr ändern. Denn was dann geschah, war ... unbeschreiblich.

Ich will es trotzdem probieren: Zu Gast waren ein sogenanntes Medium, also ein Mann (Fayssal Bazzi), der behauptete, Tote wahrnehmen zu können (der musste dann im Verlauf der Sendung sogar medizinisch betreut werden). Dann war da noch ein Magier (Ian Bliss), der jedoch ständig dazwischen quatschte und alles und jeden kritisierte – ein fürchterlich nervender Kerl! Und schließlich die Ärztin Dr. Ross-Mitchell (Laura Gordon) mit ihrer Patientin Lilly (Ingrid Torelli) – ein sehr seltsames junges Mädchen. Die bekamen dann noch einen Extra-Auftritt – und ab da wurde es kurios.

Aber ich will hier gar nicht zu viel erzählen, da ihr mir wahrscheinlich ohnehin (wieder) nicht glauben werdet. Daher schaut es euch selbst an! Nicht irritieren lassen: Vielleicht wirkt diese Aufnahme auf den ersten Blick etwas antiquiert, aber es ist halt eine Fernsehaufzeichnung aus dem Jahre 1977 – da hatte das alles noch einen anderen Look. Ich persönlich mochte den jedenfalls sehr, wie ohnehin die gesamte Ausstattung des Studios.

Auch bin ich beeindruckt, wie die Kameramänner das alles eingefangen haben. Die wussten ganz genau, in welche Richtung sie filmen müssen, um alles auf Band zu kriegen. Die haben sogar Dinge aufgenommen, die ich gar nicht mitbekommen hatte – obwohl ich live dabei war! Falls jemand von euch nun behauptet, dies sei alles Fake und der Moderator hätte all das, was passiert ist, vorher gewusst, denen möchte ich sagen: So gut kann man nicht schauspielern! Der war genau so schockiert wie wir im Publikum. Dass der danach nie wieder eine Show gemacht hat, wundert mich keineswegs!

Ich hoffe sehr, dass ich nun endlich mein Trauma von dieser Nacht überwinden kann, jetzt, wo ich es nochmal sehen konnte und die Welt mir endlich glauben wird, dass mein Abend bei „Night Owls“ und damit verbunden nun auch das Filmdokument „Late Night with the Devil“ etwas ist, was man nicht so schnell vergessen wird.

Die 4K Ultra HD/Blu-ray/DVD-Disc bietet den Film in englischer Original- und deutsch synchronisierter Sprachfassung. Deutsche Untertitel sind optional vorhanden. Als Bonus auf der Blu-ray gibt es ein kurzes Making of, einen Blick hinter die Kulissen beim Dreh, Trailer sowie – als besonderes Schmankerl – die komplette „Halloween“-Folge der Late-Night-Show als ungekürzten Videotape-Mitschnitt, ohne die Filmhandlung drumherum. Großartig!

Gleiches gilt auch für die Aufmachung es Mediabooks: Statt wie üblich ‚nur‘ etwas Hintergrundinformationen zu bieten, ist dieses Büchlein wie eine amerikanische TV-Zeitschrift anno 1977 gestaltet, inklusive Werbeanzeigen und Filmtipps der Woche. Ganz ganz großes Kino!

„Late Night with the Devil“ erscheint bei capelight pictures im Vertrieb von Alive AG und ist seit 19. September 2024 auch digital erhältlich. (Packshot + stills: © 74 Future Pictures & Spooky Pictures / capelight pictures)

Heimkino-Tipp: „Road House“ (1989)

The dancing’s over. Now it gets dirty.

Habe lange Zeit nicht verstanden, warum Patrick Swayze scheinbar ausschließlich für seine Rolle in „Dirty Dancing“ (1987) angehimmelt wurde. Als (männlicher) Teenager mit einem Faible für die Actionfilme der 1980er/frühen ‘90er, kannte ich ihn vornehmlich aus Streifen wie „Red Dawn“ (1984) und „Gefährliche Brandung“ (1991), in denen er überzeugend taffe Dudes verkörperte. „Road House“ schlug in dieselbe Kerbe, insofern waren seine Ausflüge ins Genre der Romanzen (siehe auch „Ghost – Nachricht von Sam“, 1990) für mich eher die Ausnahmen. Erst viel später wurde mir bewusst, welches Risiko der Schauspieler damals kurz nach dem Welterfolg „Dirty Dancing“ einging, als er sich für diesen Klopper entschied: Würden ihm seine (weiblichen) Fans folgen? Wie glaubhaft wäre sein Auftreten gegenüber muskelbepackten bad guys? Würde überhaupt jemand einen Film über den Alltag eines Bar-Rausschmeißers sehen wollen?

Auf dem Papier klingt das auch alles erst mal sehr cheesy: Ein wortkarger Türsteher mit Hochschulabschluss in Philosophie, der von Job zu Job tingelt und eine Affäre mit einer – natürlich alleinlebenden – hübschen Ärztin beginnt, auf die ein alter, geiler, reicher Sack mit Allmachtsfantasien ebenfalls ein Auge geworfen hat, was zwangsläufig zu einer Konfrontation führt? Oh boy ...

Doch der Spaß funktioniert – eben weil er sich nicht allzu ernst nimmt: Swayzes Charakter James Dalton wird regelmäßig wegen seiner geringen Körpergröße aufgezogen, Ben Gazzara als sein Gegenspieler gibt den Bösewicht kongenial irgendwo zwischen Psycho und Witzfigur, und die Actionszenen überzeugen dank ordentlichem Budget. Zudem gibt es abseits der Prügeleien dank love interest Kelly Lynch und einem meist oberkörperfrei rumlaufenden Swayze ausreichend Eye Candy und Romantik für all jene im Publikum, die sich erst nach „Dirty Dancing“ für Swayze begannen zu interessieren.

„Road House“ hebt sich jedoch noch durch eine andere Eigenschaft von den ‚lauten‘ Werken seiner Kollegen Stallone, Schwarzenegger & Co. jener Zeit ab: Statt seine gewaltbereiten und provozierenden Gegner direkt zu konfrontieren, wählt Swayzes Dalton in Konfliktsituationen zunächst entspannte Zurückhaltung. Gewalt wird – zumindest bis zum Finale – stets als Ultima Ratio genutzt. Schusswaffen lässt Dalton gänzlich links liegen und auch jegliches Rumschreien während des Kampfes ist ihm fremd. Mag dies anfangs vielleicht noch verstörend wirken, ist es am Ende vor allem Eines: Cool.

Das fasst Rowdy Herringtons Film eigentlich ganz gut zusammen: Ein cooler Streifen mit wenig Tiefgang, aber doch mehr Substanz als andere Genrevertreter aus jener Ära. In die Kneipe geh ich gerne noch einmal.

Noch ein Satz zur Neuveröffentlichung: Einmal mehr ist dem Anbieter Capelight Pictures eine wunderbare Edition gelungen. Die Extras sind üppig, die Aufmachung der Discmenüs gut umgesetzt und das Mediabook schön gestaltet. Vom Text des Autors Wieland Schwanebeck ganz zu schweigen, der den Film gehaltvoll und informativ betrachtet und das Set toll veredelt.

Die 4K Ultra HD/Blu-ray/DVD-Disc bietet den Film in englischer Original- und deutsch synchronisierter Sprachfassung. Deutsche und englische Untertitel sind optional vorhanden. Als Bonus gibt es ein umfangreiches Making of, Featurettes zu den Stunts, der Musik und Swayzes Vermächtnis, Interviews, Audiokommentare und Trailer. „Road House“ erscheint bei capelight pictures im Vertrieb von Alive AG und ist seit 01. August 2024 auch digital erhältlich. (Packshot + stills: © Metro-Goldwyn-Mayer Studios Inc./capelight pictures)

Heimkino-Tipp: „Dream Scenario“ (2023)

Triff den Mann deiner Träume

Zu Beginn dieser Rezension eine Verneigung vor Kristoffer Borgli: Der gebürtige Norweger, Jahrgang 1985, hat mit „Dream Scenario“ zweifellos einen der kreativsten und unterhaltsamsten Filme der vergangenen Jahre vorgelegt. Die Prämisse ungewöhnlich, die Umsetzung ideenreich, die Besetzung fantastisch. Klingt übertrieben? Von wegen!

Der College-Professor Paul (Nicolas Cage) könnte durchschnittlicher nicht sein. Unauffälliges Äußeres, peinlicher Humor, semi-interessante Vorlesungen. Das ändert sich, als mehr und mehr fremde Menschen ihn erschrocken anschauen und behaupten, ihn in ihren Träumen gesehen zu haben. Angeblich bewege er sich darin stets still durch die Szenerie, obwohl ihn viele der Betroffenen zuvor im realen Leben nie begegnet sind. Die Folge: Paul ist plötzlich kein Niemand mehr, das Interesse an ihm wächst und er wird so etwas wie ein Medienstar. Sogar seine beiden Teenager-Töchter freuen sich über ihren neuen, ‚coolen‘ Daddy.

Das geht so lange gut, bis eines Nachts ein Fremder mit einem Messer im Haus von Paul und seiner Familie steht. Zwar geht der Vorfall glimpflich aus, doch die anfängliche Begeisterung für den ‚Traumwandler‘ schlägt nun sukzessive in Hass um. Kein Wunder, ist Paul in den Träumen der Menschen nun nicht mehr der passive Beobachter, sondern ein gewaltsamer Eindringling, der wirklich böse Dinge tut.

Sind sie nicht herrlich? Jene Filme, bei denen mensch selbst während des Schauens keinen Schimmer hat, in welche Richtung sie als nächstes abbiegen? Die gleichzeitig aber nicht nur eine ‚verrückte‘ Geschichte erzählen, sondern quasi nebenbei menschliche Features und Bugs entlarven, auf die Schippe nehmen und kommentieren? Hauptdarsteller Nicolas Cage hatte vor vielen Jahren schon einmal in einer ähnlichen Rolle begeistert: „Adaption“ hieß das Wunderwerk von 2002, in dem er das Alter ego des Drehbuchautors Charlie Kaufman („Being John Malkovich“, 1999) spielte (und das von dessen fiktiven Zwillingsbruder) und ebenso sein Äußeres so stark veränderte, dass er kaum noch als der Hollywoodstar Cage zu erkennen war. Nicht, dass er in anderen Rollen weniger toll agiert, aber hier wie dort tritt sein Können erst richtig zutage.

Wie bereits angedeutet, funktioniert „Dream Scanario“ einerseits als verrückte Tragikomödie über einen zunächst vom Pech verfolgten Niemand, der zum Star wird, andererseits auch als bitterböse Abrechnung mit der Schnelllebigkeit des Ruhms in Zeiten von Social Media und wie wenig es braucht, um diesen Ruhm wieder zu zerstören - ohne Rücksicht auf Verluste. Es ist diese selten zu findende perfekte Mischung aus erheiterndem Eskapismus und trauriger Realität, die „Dream Scenario“ auf eine Qualitätsstufe mit den oben genannten „Being John Malkovich“, „Adaption“ und „Vergiss mein nicht!“ (übrigens alles drei Kaufman-Drehbücher), oder auch „Der Schaum der Tage“ und „Her“ hebt und somit hiermit all jenen empfohlen sei, die auch diese Perlen mögen.

Am Ende dieser Rezension noch eine weitere Verneigung vor Autor und Regisseur Kristoffer Borgli: Sein Film enthält eine Liebesszene, die brüllend komisch und tief traurig zugleich ist – und in diesem kurzen Moment die ganze Tragik der Hauptfigur einfängt. Applaus (nicht nur) dafür!

Die DVD/Blu-ray bietet den Film in englischer Original- sowie deutscher Synchronsprachfassung. Deutsche Untertitel sind optional vorhanden. Als Bonus gibt es einen Audiokommentar, geschnittene Szenen, ein interessantes quasi-Making of und Trailer. „Dream Scenario“ erscheint bei DCM Film Distribution GmbH im Vertrieb von Leonine und ist seit 28. Juni 2024 auch digital erhältlich. (Packshot + stills: © DCM/A24)