Heimkino-Tipp: „Men“ (2022)

Where evil lurks

Als langjähriger passionierter Cineast ist man(n) ja inzwischen einiges gewöhnt. Will sagen: Es braucht schon viel Raffinesse und Cleverness, um selbst abgebrühte Filmfreaks ordentlich zum Schwitzen zu bringen. Alex Garland ist dies mit seinem aktuellen Werk aufs Vortrefflichste gelungen. Dabei ist dies gar nicht mal nur den Twists seines formidablen Skripts geschuldet, sondern ebenso seines großen Talents, eine unterschwellig-bedrohliche Atmosphäre aufzubauen, die zwar nicht genau zu benennen, aber auf jeden Fall spürbar ist.

Harper (Jessie Buckley) gönnt sich nach dem unschönen Ende ihrer Ehe eine Auszeit in einem über alle Maßen großen Landhaus irgendwo abseits der Stadt. Während langer Spaziergänge durch die Natur, entspannter Bäder in ihrer rustikalen Unterkunft und gelegentlichen Telefonaten mit einer Freundin, erhofft sie sich neue Energie für einen Neuanfang und der Überwindung ihrer Traumata. Ein Wunsch, von dem sie sich jedoch bald und auf sehr verstörende Weise verabschieden muss.

Mit dieser etwas kryptischen Inhaltsangabe soll es auch genug sein, um interessierten LeserInnen ein ähnliches Filmerlebnis zu bescheren wie dem Autor dieser Zeilen. Je weniger über den Verlauf, einzelne Figuren und das Setting bekannt ist, umso wuchtiger wirkt das, was Autor und Regisseur Garland auf sein Publikum loslässt. Wer dessen frühere Werke (z.B. als Autor von „The Beach“ oder Regisseur von „Ex Machina“) kennt, wird die Mischung aus Anspruch, optischer Schönheit und blankem (physischen und psychischen) Horror zu schätzen wissen. Schauspielerisch dank der zwei Hauptakteure Buckley und Rory Kinnear ohnehin allererste Sahne, ist „Men“ eine genreübergreifende Wundertüte, die – und so etwas mögen nicht alle – am Ende viel Raum für Interpretation und/oder Kopfkratzen bietet. Hier kann womöglich das Making of, welches sich auf den Heimkino-Silberlingen befindet, Abhilfe schaffen oder zumindest Denkanstöße liefern.

Wer sich jedoch lieber – und das ist weder wertend noch böse gemeint – schlicht ‚berieseln‘ lassen will, findet in „Men“ ebenso viele spannende Szenen, nach denen sich viele Thriller die Finger lecken würden. Genau das ist die große Kunst von Garland: Cineastische Werke zu schaffen, die ebenso fordern wie sie Spaß machen, die gleichsam unterhalten wie sie auch Rätsel aufgeben. Großes Kino!

Zum Schluss nur ein Satz, der mir im Nachhinein durch den Kopf ging: Erstaunlich und erfreulich, dass ausgerechnet ein männlicher Künstler einen derart ehrlichen und entlarvenden Film über sein Geschlecht abliefert.

Die 4K Ultra HD/Blu-ray/DVD-Disc bietet den Film in englischer Original- und deutsch synchronisierter Sprachfassung. Untertitel sind ebenso optional vorhanden. Als Bonus gibt es Teaser und Trailer, ein Making of und ein Interview. „Men – Was dich sucht, wird dich finden“ erscheint zusätzlich im Mediabook und im Steelbook bei Plaion Pictures und ist seit 27. Oktober 2022 auch digital erhältlich. (Packshot + stills: © Plaion Pictures)

Heimkino-Tipp: „Gasoline Alley“ (2022)

Justice gets ... sleepy

Herzlich willkommen zu Film Nr. 8 von (voraussichtlich) 11, die 2022 Bruce Willis’ Filmografie auffüllen werden. Einst einer der bekanntesten, erfolgreichsten und publikumsstärksten Stars Hollywoods, hat sich das Interesse an seiner Arbeit in den vergangenen Jahren stark verringert. Mensch wunderte sich lediglich noch über seine beständig seltsame Rollenauswahl, meist in zweit- und drittklassigen Produktionen, in denen er oftmals nur Kurzauftritte absolvierte, dafür aber gerne als Zugpferd auf den zugehörigen Plakaten erschien. Meine persönlichen ‚Höhepunkte‘ diesbezüglich: Seine Szenen in „10 Minutes Gone“ (2019) filmte er laut imdb.com alle an einem Nachmittag – und zwar in dem Hotel, in dem er während der Dreharbeiten untergebracht war. Und die Marketing-Abteilung von „Cosmic Sin“ (2021) wiederrum hat sich frech einfach das Poster von „Stirb langsam 4“ als Vorlage genommen und mit Photoshop verschönert. Effektiver geht kaum.

Dies alles erhielt Anfang 2022 eine neue Perspektive, als Willis (bzw. seine Familie) von dessen Aphasie-Diagnose berichtete (Link) und ein baldiges Ende seiner Schauspielkarriere ankündigte. Insofern verbietet es sich nicht nur aus Pietätsgründen, Willis’ darstellerische Leistung zu kritisieren. Schade nur, dass er (scheinbar) nicht (mehr) die Chance hat, mit einem richtig guten Werk in den wohlverdienten Ruhestand zu wechseln.

Denn leider ist „Gasoline Alley“ wie so viele seiner letzten Streifen ebenso keine Qualitätsware. Zwar versucht Regisseur und Co-Autor Edward Drake zumindest optisch etwas aus der belanglosen Story rauszuholen. Doch was soll mensch auf visueller Ebene erzählen, wenn es einfach nichts zu erzählen gibt?

Der Tätowierer und Ex-Häftling Jimmy (Davon Sawa) wird verdächtigt, ein Call-Girl getötet zu haben, das er in der Mordnacht nachweislich in einer Bar getroffen hat. Um seine Unschuld zu beweisen, arrangiert er sich ausgerechnet mit den beiden Polizisten (Luke Wilson, Bruce Willis), die die Ermittlungen (auch gegen ihn) führen. Als Jimmy bei seinen Recherchen in Lebensgefahr gerät, ist er sich sicher, auf der richtigen Spur zu sein.

Vieles am Skript von „Gasoline Alley“ ist widersprüchlich und entbehrt jeglicher Logik. Unabhängig davon ist es aber auch erstaunlich zu sehen, wie die Schauspieler ihre Figuren interpretieren bzw. in bestimmten Situationen darstellen. Mein Verdacht: Keiner wusste wirklich, worum es in dem Streifen eigentlich geht. Darüber hinaus weiß Regisseur Drake aus dem Umstand, dass sein Publikum die wahren Ereignisse der Tatnacht nicht kennt, keine Spannung zu erzeugen (Ist Jimmy der Täter oder nicht?). Zudem gestaltet sich Jimmys Spurensuche erschreckend banal und ereignislos, was sich in einigen viel zu langen Szenen und Zeitlupen manifestiert, die wohl nur dazu dienen, die Laufzeit des Films ein wenig zu verlängern. Ebenso ärgerlich: Einer von Jimmys Helfern, ausgerechnet ein weißer(!) Cop, spukt quasi nebenbei den Satz „Seems he knows what lives matter most“ aus, als er sich lobend über einen Wohltäter der Polizei auslässt. Zweifellos ein politisches Statement, was jedoch luftleer im Raum stehenbleibt – und damit ein zweifelhaftes Licht auf den Mann im Regiestuhl wirft.

„Gasoline Alley“ hat außer Hauptdarsteller Sawa, der einmal mehr viel Commitment zeigt, keinerlei Pluspunkte auf der Habenseite zu bieten. Wer zudem während der ersten 20 Minuten aufmerksam die Tonspur verfolgt, kann die ‚Motivation‘ der bad guys in diesem Film schnell erahnen. Ca. 70 Minuten, eine lahme Autoverfolgungsjagd sowie eine belanglose Schießerei später gibt es die Auflösung dann auf einem Silbertablett.

Nun denn, auf zu Film Nr. 9 von 11 ...

Die Blu-ray/DVD bietet den Film in englischer Original- und deutsch synchronisierter Sprachfassung. Untertitel sind leider keine vorhanden. Als Bonus gibt es den Trailer zum Film. „Gasoline Alley – Justice Gets Dirty“ erscheint bei EuroVideo und ist seit 20. Oktober 2022 auch digital erhältlich. (Packshot + stills: © EuroVideo)