Heimkino-Tipp: „Diego Maradona“ (2019)

Die Hand Gottes

Was haben Mario Götze, Toni Kroos und Diego Maradona neben ihren bemerkenswerten Fähigkeiten als Fußballer gemeinsam? U.a. dass ihnen allen in den vergangenen Monaten eine umfangreiche Kinodokumentation gewidmet wurde, die ihre Karrieren Revue passieren lassen und zumindest teilweise auch Einblicke in ihr Leben abseits der Bolzplätze präsentieren. Bei allem Respekt für das Können von Götze und Kroos: die große Leinwand verdient hat von den drei Kerlen nur der Argentinier.

Mag sein, dass Spätgeborene nie von der Faszination erfahren werden, die Diego Maradona vor allem in den 1980er-Jahren umgab. Er war ein Ausnahmespieler, ein Jahrhunderttalent, eine Art Pop-Ikone. Allerdings eben nicht so medienwirksam und mit Bedacht inszeniert, wie es heute der Fall ist, wo hinter jedem Instagram-Post und Twitter-Kommentar eines Spielers (und jedem Kinofilm?) eine Horde von Beratern und Managern steckt und finanzielles Kalkül vermutet werden muss. Nein, zu Maradonas Hochzeiten war das Star-Sein noch rauer, ungekünstelter und sehr viel authentischer, was die herausragende Doku von Oscar-Preisträger Asif Kapadia („Amy“, „Senna“) filmisch eindrucksvoll verdeutlicht.

Geboren in den Slums von Buenos Aires, spielte sich Diego Armando Maradona bis ganz nach oben, wurde Weltmeister, war der teuerste Spieler der Welt und für viele ein Gott im wahrsten Sinne des Wortes. Auch wenn er weder die Statur noch die Muskeln besaß, die Profifußballer gewöhnlich mitbringen, so konnte er doch seine Gegner (und sein Publikum) schwindelig spielen mit einer Technik, die noch heute ihresgleichen sucht. Sein 2:1-Tor im Spiel Argentinien vs. England im Viertelfinale der WM 1986 gilt nicht ohne Grund als das „Tor des Jahrhunderts“ (LINK).

Regisseur Kapadia konzentriert sich für seinen Film auf die Zeit zwischen 1984 bis Anfang der 1990er. In diesen Jahren war Maradona beim SSC Neapel unter Vertrag und auf dem Höhepunkt seiner Karriere. Die war neben unzähligen sportlichen Erfolgen geprägt von ausschweifenden Partys, Affären, Drogen sowie Bekanntschaften mit Kriminellen, die ihn erst umgarnten und hofierten, später aber seinen Gegnern (Justiz und Medien) zum Fraß vorwarfen. Dass dies nicht allein Maradonas Feierlaune geschuldet war, unterstreicht die Doku mit interessanten Fakten und persönlichen Statements. Gesellschaftliche Umstände, Vorurteile, Rassismus, ständige Versuchungen und keine Momente der Ruhe hinterließen ihre Spuren und nahmen maßgeblich Einfluss auf das Leben des einerseits jungen, charmanten, schüchternen Familienmenschen Diego, andererseits lauten, emotionalen und selbstzerstörerischen Maradona.

Wie schon bei „Amy“ und „Senna“ reibt man sich verwundert die Augen über die Fülle an Bildmaterial, das Kapadia und seine Helfer ausgegraben und zusammengestellt haben. Es verdeutlicht die Dimension der Verehrung und Neugier an der Person Maradona, die beinahe schon Ausmaße der „Beatlemania“ annahm. Hinzu kommen unzählige, auch frühe Aufnahmen von Spielen, Toren und Rangeleien, die in die (Fußball-)Geschichte eingegangen sind.

Kurzum: Asif Kapadia ist einmal mehr ein cineastisch kraftvolles Porträt einer Berühmtheit gelungen, von der man eventuell glaubte, schon alles zu wissen. Wer die beiden Vorgänger-Dokumentationen mochte und zudem ein Interesse an Fußball hat, sollte sich „Diego Maradona“ nicht entgehen lassen.

Die DVD/Blu-ray bietet den Film in deutsch (halb-)synchronisierter und mehrsprachiger Originalfassung sowie optionale deutsche Untertitel. Als Bonusmaterial gibt es Trailer. „Diego Maradona – Rebel. Held. Gott“ erscheint bei DCM Film Distribution GmbH/Universum Film und ist seit 15. November 2019 erhältlich. (Packshot + stills: © DCM/Alfredo Capozzi/Bob Thomas/Getty Images/Sud)

Heimkino-Tipp: „Escape Plan: The Extractors“ (2019)

Der bessere ‚Last Blood‘

„Creed 2“, „Rambo V“, „Terminator 6“ und nun „Escape Plan 3“ – irgendwie klingt das alles sehr traurig. Und da in keinem der Streifen ein Tom Cruise auf unmöglicher Mission auftaucht, ist es das auch. Denn im Gegensatz zu Ethan Hunts Einsätzen wird es bei Sly & Arnie nicht wirklich besser. Das wiegt umso schwerer, da beide Herren in den vergangenen Jahren in ein paar richtig guten Filmen mitwirkten, in denen sie auch schauspielerisch gefordert waren, siehe „Maggie“ und „Vendetta“ (Schwarzenegger) und ganz besonders „Creed“ bei Mr. Stallone, wofür er sogar eine Oscar-Nominierung erhielt. Will sagen: Eigentlich könnten die alten Recken – wenn sie wöllten und wenn sie dafür das passende Material angeboten bekommen würden.

Aber wie endete meine Rezension zu „Escape Plan 2: Hades“ doch gleich: »Besser ein neuer Sly-Film als gar kein neuer Sly-Film! Also her mit Teil 3!« Ziemlich genau ein Jahr später erfüllt sich nun dieser Wunsch. Und im Gegensatz zu Stallones letztem Leinwand-Ausflug „Rambo V: Last Blood“ ist sein neuestes Direct-to-DVD-Präsent ein unterhaltsamer, harter, ja guter Actionstreifen. Der Vergleich ist bewusst gewählt. Denn die Story ist im Grunde dieselbe. Einziger Unterschied: Zog es John Rambo zuletzt für seinen Privatkrieg nach Südamerika, reist Ray Breslin in die andere Richtung, nach Osteuropa.

Dorthin wird nämlich nicht nur eine reiche Asiatin entführt, die er mit seinem Team befreien soll, sondern ebenso seine Liebste (Jaime King). Beide werden von einem gewissen Lester Clark Jr. (Devon Sawa) in einem heruntergekommenen Gebäude gefangen gehalten, das einst als Gefängnis diente. Clark Jr.s Motivation: Sein Vater wurde von Ray aus der gemeinsamen Firma gekickt, nachdem er ihn hintergangen hatte, und starb unter mysteriösen Umständen.

Mit diesem einfachen Storykniff gelingt es Teil 3, einen inhaltlichen Zusammenhang zum ersten „Escape Plan“ aus dem Jahre 2013 herzustellen. Damit passt dieser schon mal mehr in den Gesamtkontext als noch Teil 2. Hinzu kommt, dass Sly seinen alten Kumpel John Herzfeld als Regisseur mit ins Boot holte, was der Inszenierung sichtlich guttut. Herzfeld spielte einst selbst an der Seite von Stallone („Die City Cobra“, 1986), bevor er hinter die Kamera wechselte und u.a. die Filme „2 Tage in L.A.“ (1996) sowie „15 Minuten Ruhm“ (2001) drehte – beide Starbesetzt (u.a. mit Charlize Theron, Robert De Niro) und sehr sehenswert! Zu „Reach Me“ will ich mich an dieser Stelle allerdings nicht nochmal auslassen.

Klar, „Escape Plan 3“ ist auch ‚nur‘ ein B-Movie, macht dabei aber vieles richtig. Er ist temporeich, angenehm ‚altmodisch‘ im Stil, hart in seinen Actionszenen und bietet einen Stallone, der hier mit sehr viel mehr Engagement seinen persönlichen Rachefeldzug umsetzt als in Mexiko bei der Befreiung einer Teenagerin. Herzfeld weiß zudem, wie er seinen Freund vor der Kamera ins rechte Licht rückt. Da selbst die Konfrontationen mit seinen Gegnern mit denen aus „Rambo V“ nahezu identisch sind (Tunnelkämpfe, fiese Fallen, exzessiver Messereinsatz), kann man hier sehr gut die Qualitätsunterschiede beim Regieführen – und im Schauspiel von Sly – erkennen. Weitere Pluspunkte: Devon Sawa (ja, der Hauptdarsteller aus dem ersten „Final Destination“!) macht sich unheimlich gut als Bösewicht und die diversen Helfer im #teamBreslin (u.a. Dave Bautista, Jin Zhang, Harry Shum Jr.) können ebenso überzeugen. Mitunter wirkt Herzfelds Film roh und dreckig und ist somit auch ein optischer Gegensatz zum direkten Vorgänger, der fast schon als SciFi-Streifen durchgehen kann.

Sollte „The Extractors“ der letzte Teil der Reihe sein, ist die Trilogie zwar inhaltlich eher Banane, filmisch jedoch ein interessantes Dreierpack mit sehr unterschiedlichen Herangehensweisen an das Genre „Actionfilm“. Und allein dafür bin ich dann doch ganz froh, dass dieses Trio in Slys Filmografie existiert.

Die DVD/Blu-ray bietet den Film in deutsch synchronisierter und englischer Originalsprachfassung. Deutsche Untertitel sind optional zuschaltbar. Als Extras gibt es ein Making of, eine Bildergalerie sowie Trailer. „Escape Plan: The Extractors“ erscheint bei New KSM und ist seit 7. November 2019 erhältlich. (Packshot + Filmstills: © KSM GmbH)

Heimkino-Tipp: „Sugar Hill“ (1993)

Roemello’s Way

In den frühen 1990er-Jahren ebneten die äußerst erfolgreichen Streifen „Do the Right Thing“ (1989), „Boyz N the Hood“ (1991) und „Menace II Society“ (1993) den Weg für eine etwas differenziertere Auseinandersetzung mit den Alltagsproblemen junger schwarzer Amerikaner in der US-Gesellschaft. Rassismus, Benachteiligung und Gewalt ihnen gegenüber wurden darin direkt und überaus deutlich thematisiert, ebenso wie die Reaktion der Betroffenen darauf. Nebenbei entdeckte Hollywood einen neuen Zuschauermarkt: Mehr Filme mit afroamerikanischer Besetzung und Zielgruppe mussten her!

Ein solcher Streifen, der wahrscheinlich ohne den immensen Kritiker- und Publikumserfolg der oben genannten nicht zustande gekommen wäre, ist „Sugar Hill“ von Leon Ichaso. Der gebürtige Kubaner verfilmte dabei ein Skript von Barry Michael Cooper, dessen Debüt „New Jack City“ zwei Jahre zuvor ebenso für Furore gesorgt hatte. Darin war Wesley Snipes als skrupelloser Drogendealer zu sehen, der sich in Michael-Corleone-Manier sämtlicher Gegner entledigte. Snipes nutzte die Chance zur wiederholten Zusammenarbeit mit Cooper und übernahm für „Sugar Hill“ abermals die Hauptrolle.

Mit Blick auf das ‚Endprodukt‘ wird schnell klar, warum: Gab Snipes im Vorgänger noch den jungen, aufstrebenden Hitzkopf, konnte er hier genau das Gegenteil verkörpern: einen ruhig agierenden, vom Erlebten gezeichneten und erschöpften Geschäftsmann namens Roemello, der sein kriminelles Leben hinter sich lassen und neu beginnen will. Doch wie so oft in solchen Geschichten gestaltet sich der Ausstieg schwieriger als erhofft.

Das sehr bedächtig erzählte Drama spannt den Bogen von Roemellos Kindheit bis ins Erwachsenenalter. Zusammen mit seinem oftmals impulsiv handelnden Bruder Ray (ruhelos gespielt von Michael Wright) hat er sich ein Imperium aufgebaut und sich mit Drogen aller Art ein Leben im Luxus erschaffen. Dass er dabei mit genau jenen Männern Geschäfte macht, die für den Tod seiner Mutter und die Gebrechen seines Vaters verantwortlich sind, hat er nie verwunden. Als er die attraktive Melissa (Theresa Randle) kennenlernt, sieht er den Zeitpunkt für einen Ausstieg aus dem Business gekommen. Doch weder sein Bruder noch seine Geschäftspartner wollen das ohne Gegenleistung akzeptieren.

Zwar liest sich der Storyverlauf wie die x-te Variation eines üblichen Gangsterfilms. Doch allein schon die Einbettung in ein anderes Umfeld macht „Sugar Hill“ interessant. Leider lässt Regisseur Ichaso diese Chance völlig ungenutzt und blendet gesellschaftliche Konflikte wie fast die gesamte soziale Umgebung der beiden Brüder beinahe vollständig aus. Der Film bleibt in seinem Gangster-Milieu haften und konzentriert sich nur auf die persönliche (Familien-)Geschichte des Protagonisten. Das ist einerseits schade, gibt Snipes andererseits jedoch die Möglichkeit, sein Talent als Schauspieler zu zeigen. Was nämlich heute fast in Vergessenheit geraten ist: Snipes war vor allem in den 90ern einer der bekanntesten und wichtigsten schwarzen Darsteller Hollywoods und begeisterte sowohl in Actionfilmen („Passagier 57“, „Demolition Man“, „Money Train“, „Blade“) als auch mit anspruchsvollen Rollen („Weiße Jungs bringen’s nicht“, „Die Wiege der Sonne“, „The Fan“, „One Night Stand“).

Was „Sugar Hill“ gänzlich fehlt, ist ein angemessenes Tempo. Viele Szenen wirken zu lang, spannende Momente sind rar und der Verlauf zu vorhersehbar. Demgegenüber steht ein jazziger Soundtrack, der der gemächlichen Erzählung eine passende Atmosphäre verleiht und Roemellos Charakter sehr gut musikalisch untermalt.

„Sugar Hill“ ist somit eine Art ‚mixed bag‘, hat einerseits schöne und andererseits belanglose Szenen zu bieten, kann aber dank eines großartig und vor allem glaubhaft aufspielenden Wesley Snipes überzeugen.

Der Film erscheint als Neuveröffentlichung auf Blu-ray in englischer original und deutsch synchronisierter Sprachfassung auf Blu-ray. Als Extras gibt es eine Einleitung des Regisseurs, gelöschte Szenen, eine Featurette, Trailer und einen Audiokommentar. „Sugar Hill“ erscheint bei Koch Films und ist seit 10. Oktober 2019 erhältlich (Packshot + stills: © Koch Films)