Heimkino-Tipp: „Come On, Come On“ (2021)

Der Zufalls-Papa

Der Reporter Johnny (Joaquin Phoenix) reist im Rahmen eines Interviewprojekts durch die USA und befragt Kinder und Jugendliche nach ihren Ängsten, Träumen und Wünschen. Eine gute Ablenkung von seinen privaten Sorgen, die um den Tod seiner Mutter und der Trennung von seiner großen Liebe kreisen. Da hilft es schon, dass er mit seiner Trauer nicht ganz alleine ist: Auch seine Schwester Viv (Gaby Hoffmann) hadert mit ihrer Vergangenheit, sei es als Tochter, Mutter oder Ex-Ehefrau. Um ihrem depressiven Gatten a.D. (Scoot McNairy), dem Vater ihres neunjährigen Sohnes Jesse (Woody Norman), zu helfen, bittet sie Johnny, ein paar Tage auf den kleinen Wirbelwind aufzupassen. So nimmt Johnny ihn mit auf seine Recherchetour. Für beide Jungs der Beginn eines emotionalen Abenteuers.

Der Wissensdurst von Kindern kann brutal sein. Wer jemals in ein „Kreuzverhör“ des neugierigen eigenen Nachwuchs‘ (oder dem von Freunden) gekommen ist, wird dies bestätigen können. Als Erwachsener kann mensch da sehr schnell ins Stottern kommen, gerade wenn es persönlich wird. Mike Mills, Regisseur und Autor von „C‘mon C‘mon“, hat Momente wie diese in seinem leisen, komplett in schwarz/weiß inszenierten Film kongenial eingefangen. Die Reise, die Onkel und Neffe zusammen unternehmen, wirkt dabei in vielen Szenen wie eine spontane oder zumindest improvisierte Unterhaltung zweier Charaktere, die unterschiedlicher nicht sein können und doch viel gemeinsam haben.

Dass Mills wie schon bei seinen Vorgängerfilmen „Beginners“ und „Jahrhundertfrauen“ auf eigene Erfahrungen, selbst erlebte Gespräche und Literatur zurückgreift, die ihn offenbar nachhaltig beeindruckt haben, ist unübersehbar (allein schon wegen einiger eindeutiger Titeleinblendungen). Darüber hinaus gelingt ihm jedoch ebenso ein erhellender Blick auf die amerikanische Gesellschaft – oder vielmehr die Gedanken, die sich junge Menschen angesichts der gesellschaftlichen und politischen Lage in ihrem Land machen, indem er immer wieder Schnipsel von Johnnys (realen) Interviews einstreut oder den Älteren ins Verhör seines energiegeladenen kleinen Begleiters steckt.

‚Na und? Was ist daran so besonders?‘ mögen sich einige fragen. Zugegeben, auch ich brauchte zwei Anläufe, bevor dieses leise, bisweilen etwas sperrige Werk seinen Zauber auf mich entfaltete. Vielleicht liegt es daran, dass der Film einerseits so persönlich wirkt/ist und andererseits doch so viele bekannte Momente enthält, die mensch als Erwachsener, egal ob mit oder ohne eigene Kinder, kennt.

Traurige Fußnote: Der neujährige Devante Bryant, der in einer der Interviewszenen zu sehen ist, wurde kurz nach den Filmaufnahmen in New Orleans beim Spielen mit anderen Kindern erschossen. Regisseur Mike Mills widmete ihm seinen Film.

Die DVD/Blu-ray bietet den Film in englischer Original- sowie deutscher Synchronsprachfassung. Deutsche Untertitel sind optional zuschaltbar. Als Bonus gibt es einen Audiokommentar des Regisseurs und Trailer. „Come On, Come On“ erscheint bei DCM Film Distribution GmbH im Vertrieb von Leonine und ist seit 19. August 2022 auch digital erhältlich. (Packshot + stills: © DCM)