Heimkino-Tipp: „Monsieur Killerstyle“ (2019)

He’s got the Look!

Quentin Dupieux ist schon eine besondere Marke: Während sich andere Kollegen seines Metiers immerzu an neuen Gewaltexzessen ergötzen, um dem Thriller- und Horrorgenre ungesehene Schauwerte abzuringen, setzt der französische Filmemacher eher auf Kreativität. So ließ er beispielsweise 2010 im herrlich schrägen „Rubber“ einen Autoreifen(!) zum Leben erwachen, der sich auf einen mörderischen Trip durch diverse Ortschaften begibt. In seinem neuesten Werk „Monsieur Killerstyle“ ist es nun eine Jacke, die für allerlei Irrsinn sorgt – oder besser: ihr neuer Besitzer, der soeben von seiner Frau verlassene Georges (Jean Dujardin).

Der legt sich für viel (zu viel) Geld eine gebrauchte Wildlederjacke zu, die ihm von der Größe her zwar nicht wirklich passt, aber – so zumindest seine Wahrnehmung – stylisch ist. Pleite, dafür schick gekleidet, mietet er sich in einem Hotel ein und filmt sich mit einer gleichsam überholten Kamera, die er beim Kauf dazubekam, vornehmlich selbst beim Tragen seines neuen Kleidungsstücks. Der örtlichen Barkeeperin Denise (Adèle Haenel) lügt er derweil vor, Regisseur zu sein, was sie wiederrum anstachelt. Denn schließlich ist sie Hobby-Cutterin und schneidet in ihrer Freizeit gerne bekannte Filme wie „Pulp Fiction“ um. Da er dringend Geld benötigt und sie ihr Talent am Schneidetisch beweisen will, werden die beiden Geschäftspartner. Denn Georges hat inzwischen auch eine (Film-)Mission: Er will seiner Jacke ihren Herzenswunsch erfüllen, die einzige auf der ganzen Welt zu sein.

Ein Mann, der auf Geheiß seiner Jacke scharfe Gegenstände zweckentfremdet, um anderer Menschen Jacken in seinen Besitz zu bringen und das alles auch noch filmt? Was zum ...?!? Das Publikum muss schon eine Vorliebe für schwarzen Humor mitbringen, wenn es an „Monsieur Killerstyle“ seinen Spaß haben will. Absurde Szenen, die sowohl erschauern als auch auflachen lassen (Stickwort: Ehering), stetige Unvorhersehbarkeit der Handlung, eine ordentliche Portion Situationskomik und zwei glänzend aufspielende Hauptdarsteller tun ihr Übriges, um die gerade mal 77 Minuten Laufzeit zu einem kurzen, bösen Vergnügen zu machen.

So abgefahren die Prämisse aber auf den ersten Blick sein mag, unter der Oberfläche dieser grotesk-amüsanten Geschichte verbirgt sich eine beinahe schon traurige Erzählung über Einsamkeit, Träume und dem Bedürfnis nach Wahrnehmung. Das Skript von Regisseur Dupieux lässt es zudem in der Schwebe, ob Denise ihren neuen Kumpel durchschaut oder ebenso psychisch angeknackst ist, was ihrer Figur zusätzliche Unberechenbarkeit gibt. Zusammen mit Alleskönner Dujardin, dessen Figur beständig zwischen Angeberei, verletzter Seele und Einfältigkeit changiert, beweist Haenel hier abermals ihr großes Schauspieltalent. Und Dupieux sein Händchen für wirklich abgefahrene Stories!

Unterhaltsam, ungewöhnlich und – Achtung: Wortspiel! – ein Mordsspaß.

Die DVD/Blu-ray bietet den Film in deutsch synchronisierter und französischer Originalsprachfassung. Deutsche Untertitel sind optional verfügbar. Als Bonusmaterial gibt es einen Audiokommentar von Regisseur Quentin Dupieux und Hauptdarsteller Jean Dujardin sowie Trailer. „Monsieur Killerstyle“ erscheint bei Koch Media und ist seit 10. September 2020 (digital) / 24. September 2020 (DVD/Blu-ray) erhältlich. (Packshot + stills: © Koch Media)

Heimkino-Tipp: „The Fanatic“ (2019)

Mad City

Ernst gemeintes Statement oder doch nur werbewirksames Geschwafel? Es ist nicht immer einfach, Aussagen von Filmschaffenden einzuordnen, wenn sie über ihre neueste Arbeit sprechen. So ließ sich beispielsweise James Cameron zum Kinostart von „Terminator: Genisys“ (2015) dazu hinreißen, den Streifen als erste gelungene Fortsetzung des von ihm geschaffenen Franchises zu bezeichnen. Der Film floppte (zu Recht) kolossal und so wiederholte Cameron sein Lob sinngemäß einfach zur Veröffentlichung des nächsten Teils – alles zuvor sei unbedeutend und „Terminator: Dark Fate“ (2019) das einzig wahre Sequel zu seinen ersten beiden Filmen.

In diesem Licht betrachtet entspricht die Bemerkung von John Travolta, Hauptdarsteller und(!) Produzent von „The Fanatic“, möglicherweise auch nur halbwegs der Wahrheit: Seine Figur des Moose sei von allen bisher gespielten seine Lieblingsrolle. Nach ikonischen Auftritten u.a. in „Grease“, „Nur Samstag Nacht“, „Pulp Fiction“ und „Schnappt Shorty!“ verwundert so ein Satz schon ein wenig. Andererseits liefert Travolta im dritten Werk von Limp Bizkit-Frontmann Fred Durst tatsächlich einen denkwürdigen Auftritt ab, der beständig zwischen beachtlich und lächerlich pendelt.

Moose ist ein alleinstehender Mann mit autistischen Zügen, der auf einem Gehweg in Hollywood sein Geld als mittelmäßiger Performance-Künstler verdient. Sein ganzer Schatz ist seine umfangreiche Sammlung an Hunter Dunbar-Devotionalien, einem Horrorfilm-Star, dessen Filme Moose abgöttisch liebt. Als Dunbar (Devon Sawa) eine Autogrammstunde ankündigt, sieht Moose seine Chance gekommen, seinen Helden endlich persönlich kennenzulernen. Was dann als verunglücktes Gespräch beginnt, nimmt für Dunbar zunehmend bedrohliche Formen an – inklusive ungebetenen Hausbesuchen von seinem größten „Fan“.

Wie schmal der Grat zwischen Fan-Dasein und Stalking sein kann, haben u.a. bereits Filme wie „Sadistico“ (1971) und „The Fan“ (1996) mehr oder minder gelungen angedeutet. Und sicherlich hat Regisseur/Musiker Fred Durst auch selbst schon das eine oder andere beunruhigende Erlebnis mit einem Anhänger gehabt, das er hier verarbeitet. Allerdings leider nicht mit der Tiefe und Entschlossenheit, die das Thema zweifellos ermöglicht.

Dabei sind die Voraussetzungen eigentlich vorhanden: Der Alltag von Moose – Single mit Handicap, mieser Job, Fixierung auf einen Promi – liefert viel Potenzial, ein Licht auf Existenzen abseits von Hollywoods Glamourwelt zu richten. Hinzu kommt eine junge Fotojournalistin (Ana Golja), die Jagd auf Celebrities in peinlichen Situationen macht und dabei schon mal zu zweifelhaften Methoden greift. Sie verschafft Moose erst die nötigen Infos, um den Privatmann Dunbar aufzuspüren und nachzustellen, was vom Drehbuch aber ebenso stiefmütterlich behandelt wird und nicht hinterfragt wird. Eine weitere Chance auf die Anteilnahme seiner Zuschauer verspielt Durst damit, dass er Leinwandheld Dunbar als hochnäsig und ziemlich unsympathisch präsentiert. So stehen sich letztendlich zwei schwer zu mögende Figuren gegenüber, was das Mitfiebern nicht unbedingt fördert.

Darstellerisch ist Travoltas Auftritt, wie bereits angedeutet, ebenso zwiespältig. Nach eigenen Aussagen als Tribut für seinen 2009 verstorbenen, autistischen Sohn Jett gedacht, spielt er Moose einerseits kindlich und naiv, an anderer Stelle bedrohlich und sich sehr wohl seiner Taten bewusst. Das triggert beim Zusehen sowohl Mitleid und Verständnis als auch Kopfschütteln und Angst. Ein schwer zu fassender Charakter, der ebenso rätselhaft bleibt wie die Fragen, die der Film hinterlässt: Ist es okay, einen Star zu bedrängen, wenn er ein Arschloch ist? Sind nur geistig Behinderte zu so etwas fähig? Haben Filmfans und -sammler generell einen Knall weg? Wieviel Dankbarkeit seitens der Stars an ihre Anhänger ist angemessen?

‚Richtige‘ Antworten auf Fragen wie diese gibt es nicht. Bei einem ‚Insider‘ wie Fred Durst auf dem Regiestuhl hätte ich mich jedoch gefreut, ein wenig mehr „hinter die Kulissen“ blicken zu können. Aber immerhin: Was die filmische Umsetzung angeht, hat Regisseur Durst zweifellos Talent. In Anbetracht der momentan sehr ruhigen Karriere seiner Band Limp Bizkit vielleicht ein neues, dauerhaftes Betätigungsfeld? Meinetwegen gern!

Die DVD/Blu-ray bietet den Film in deutsch synchronisierter und englischer Originalsprachfassung mit optionalen deutschen Untertiteln. Als Bonusmaterial gibt es neben dem Trailer und einer Bildergalerie einen Blick „Hinter die Kulissen“ während der Dreharbeiten. „The Fanatic“ erscheint bei Koch Media und ist seit 3. September 2020 (digital) / 17. September 2020 (DVD/Blu-Ray) erhältlich. (Packshot + stills: © Koch Media)