Heimkino-Tipp: „Suspiria“ (2018)

Movie Masterclass

Darf man sich ‚Cineast‘ nennen ohne Dario Argentos legendären Kultstreifen von 1977 gesehen zu haben? Es kommt sogar noch schlimmer: Auch Regisseure wie Schlöndorff oder Fassbinder tauchten bisher kaum in meiner Watchlist auf. Der italienische Filmemacher Luca Guadagnino hingegen scheint seine Hausaufgaben gemacht zu haben, hat sich von den genannten Herren und deren Stil inspirieren und diese Eindrücke nun in seine Neuauflage von Argentos Hexen-Horror „Suspiria“ einfließen lassen.

Handlungsort ist diesmal das West-Berlin während des „Deutschen Herbst“, eine Zeit, in der die BRD u.a. mit Anschlägen der „Roten Armee Fraktion“ zu kämpfen hatte und die laut Alleswisser Wikipedia als „eine der schwersten Krisen in der Geschichte der Bundesrepublik“ gilt. In diesem Klima der Angst landet die naive amerikanische Balletttänzerin Susie (Dakota Johnson) an einer Tanzschule, um dort von der bewunderten wie gefürchteten Madame Blanc (Tilda Swinton) unterrichtet zu werden. Aber irgendetwas an diesem Ort ist befremdlich. Hat das womöglich etwas mit dem seltsamen Verschwinden einer anderen Schülerin zu tun?

Horrorfilm, Kriminalgeschichte, Tanzmovie oder doch etwas völlig anderes? „Suspiria“ anno 2018 ist eine cineastische Wundertüte, die inhaltlich nur noch wenig mit seinem älteren Namenszwilling zu tun hat. Man könnte es beinahe schon Etikettenschindel nennen. Doch Regisseur Guadagnino und seinem Drehbuchautoren David Kajganich, die beide auch schon beim wunderbaren „A Bigger Splash“ zusammenarbeiteten, dafür verbal auf die Mütze zu geben, wäre hier völlig fehl am Platz. Dafür ist ihr Werk schlicht zu gut, zu bedeutend, zu besonders. Aber der Reihe nach:

Zunächst wäre da der Fakt zu nennen, dass es bis auf wenige Ausnahmen keine Männer in diesem Film gibt. Und jene, die auftauchen, bereuen es schnell. Einzig Dr. Klemperer ist eine Art wiederkehrende Konstante, allerdings wird der von einem gewissen Lutz Ebersdorf dargestellt – dahinter verbirgt sich Chamäleon Tilda Swinton, die überraschend gut Deutsch spricht (daher gerne die Originalsprachversion des Films ausprobieren!). Überhaupt ist es eine Meisterleistung, was die Damen hier vor der Kamera – nicht nur bei den Tanzszenen – leisten. Hauptdarstellerin Johnson gab nach den Dreharbeiten zu Protokoll, dass sie in Therapie gehen musste, da der Dreh so intensiv gewesen sei. Das ist etlichen (Dialog-)Szenen auch anzumerken, ganz abgesehen von den offensichtlichen körperlichen Strapazen.

Neben Swinton und Johnson entschied sich Guadagnino, etliche Nebenrollen mit Schauspielerinnen zu besetzen, die häufiger in Filmen jener oben genannten deutschen Regisseure mitwirkten (z.B. Angela Winkler) oder bereits im Original-„Suspiria“ eine Rolle innehatten (z.B. Jessica Harper). Ein feiner Zug, der gleichsam eine Verbeugung vor deren Lebenswerk ist.

Hauptattraktion – zumindest in meinen Augen – ist allerdings die Umsetzung. Guadagnino spielt hier mit für heutige Sehverhältnisse ungewöhnlichen Kameraschwenks, setzt Licht und Farben (so sie denn überhaupt vorkommen) ebenso mehrdeutig ein wie Muster auf Böden und Texte/Anzeigen/Graffitis. Dabei immer wieder im Hintergrund zu sehen: die Berliner Mauer, Symbol der Teilung und das Ergebnis historischer Ereignisse, deren Folgen die BRD des Jahres 1977 zu zerreißen drohen. Ist „Suspiria“ also ein politischer Film? Vielleicht. Aber es ist sicherlich auch ein Film über Deutschland und das Erbe im Allgemeinen, welches jeder Mensch ‚dank‘ seiner Vergangenheit in sich trägt.

Insofern ist „Suspiria“ eben doch auch ein Horrorfilm, nur liegt der Schwerpunkt, die Quelle allen Übels, bei Guadagnino an einer anderen Stelle als noch bei Argento. Die Neuauflage ist anspruchsvoll, herausfordernd, lang (152 Minuten) und setzt ein wenig Wissen über die neuere deutsche Geschichte voraus. Ein Kunstwerk im besten Sinne also, das nicht nur zum Konsumieren, sondern ebenso zum Reflektieren anregt.

Der Film erscheint in mehreren verschiedenen Varianten auf DVD/Blu-ray/4K Ultra HD. Neben Einzeldiscs gibt es zwei optisch unterschiedliche Mediabook-Versionen, die diverse Extras (Interviews, Dokus, Booklet) enthalten. Schmuckstück ist allerdings die Ultimate Edition, die auf zehn(!) Discs sämtliche Formate, drei Soundtrack-CDs sowie Artcards mit an Bord hat. Ganz besonderes Schmankerl: das restaurierte Original von Dario Argento ist ebenso Teil dieser Megabox. „Suspiria“ erscheint bei Koch Media/Capelight und ist seit 4. April 2019 erhältlich. (Packshot + stills: © Koch Media GmbH)

Heimkino-Tipp: „Friedhof der Kuscheltiere“ (1989)

The Dark Half

Läuft bei Herrn Stephen King, würde ich sagen: Seit den 1980ern werden seine literarischen Werke fürs Kino adaptiert und sind, bis auf wenige Ausnahmen („The Dark Tower“), auch dort äußerst erfolgreich. Und obwohl der Mann ständig neue Bücher veröffentlicht, hat Hollywood nun scheinbar Gefallen daran gefunden, bereits verfilmte Schmöker nun noch einmal neu aufzulegen. Nach „Es“ (2017), dessen zweiter Teil in diesem September startet, gibt es bereits ab 4. April eine Neuauflage von „Friedhof der Kuscheltiere“ in den hiesigen Lichtspielhäusern zu sehen – und zeitglich fürs Heimkino eine remasterte Version des Originalfilms von 1989.

Für diesen verfasste King das Drehbuch sogar persönlich und gab sich in einer kurzen Szene auch vor der Kamera die Ehre, überließ ansonsten aber Regisseurin Mary Lambert das Feld. Zwar hat die außer einer Fortsetzung zu „Friedhof der Kuscheltiere“ drei Jahre später nichts qualitativ Gleichwertiges mehr inszenieren können, an fehlendem Talent aber kann das nicht gelegen haben.

Louis Creed (Dale Midkiff) zieht mit seiner Frau Rachel (Denise Crosby), den beiden gemeinsamen Kindern und Kater Church in einen neues Haus, das direkt an einer Landstraße gelegen ist. Dort brettern tagein tagaus vornehmlich Trucks in hoher Geschwindigkeit vorbei, was schon einigen Haustieren der Vormieter das Leben gekostet hat. Begraben sind die Tierchen auf einem abgelegenen Friedhof, der den Creeds vom hilfsbereiten Nachbarn Jud (Fred Gwynne) gezeigt wird – mit der Warnung, dass dies keine gewöhnliche Ruhestätte sei. Kurz darauf erwischt es Church tatsächlich beim Überqueren der stark befahrenen Straße. Louis und Jud verbuddeln ihn auf eben jenem Friedhof. Das bleibt nicht folgenlos – vor allem dann nicht, als eines der Familienmitglieder ebenso buchstäblich „unter die Räder“ kommt.

Dass der Film schon einige Jahre auf dem Buckel hat, ist der Umsetzung anzusehen. Was aber nicht bedeuten soll, dass „Friedhof der Kuscheltiere“ kalter Kaffee ist. Vielmehr ist der Film ein Musterbeispiel für typische Grusel- bzw. Horrorfilme aus den 1980ern, die hier und da womöglich etwas antiquiert und theatralisch wirken, Schocks aber ungemein gut setzen und liefern können. Das liegt vor allem am Spannungsbogen, den Regisseurin Lambert wunderbar aufzubauen weiß und der zudem von einem gelungenen Soundtrack (Elliot Goldenthal) untermalt ist. Dass der Streifen zudem lange Zeit erst ab 18 freigegeben war, ist keine Übertreibung – hier geht es ordentlich blutig zur Sache!

„Friedhof der Kuscheltiere“ ist eine gute Adaption, kombiniert sie doch ebenso wie viele von Kings literarischen Werken gekonnt persönliche Schicksale mit Horrorelementen, die anfangs nur schwer auszumachen sind, beim späteren Erscheinen aber ihre Wirkung nicht verfehlen.

Mal sehen, ob das Remake von 2019 da mithalten kann.

Die remasterte Blu-ray/4K Ultra HD-Disc bietet den Film u.a. in deutsch synchronisierter und englischer Originalsprachfassung sowie diverse Untertitel. Als Extras gibt es einen Audiokommentar der Regisseurin, etliche Dokumentationen und Interviews, die sich einerseits mit dem Original, andererseits aber auch mit der Neuauflage beschäftigen. „Friedhof der Kuscheltiere“ (1989) erscheint bei Universal Pictures Germany GmbH/Paramount und ist seit 28. März 2019 erhältlich. (Packshot + stills: © Universal Pictures/Paramount)

Heimkino-Tipp: „Star Force Soldier“ (1998)

War Games

Meinen Respekt für David Webb Peoples: Der Drehbuchautor verfasste u.a. die Skripte für „Der Blade Runner“ (1982), „Erbarmungslos“ (1992) und „12 Monkeys“ (1995), drei Volltreffer auf meiner persönlichen Bestenliste und noch dazu Filme, die auch viele Jahre nach ihrer Entstehung weltweit Kultstatus genießen. 1998 lieferte Peoples zudem die Vorlage für den Science-Fiction-Actioner „Star Force Soldier“, der nun erstmals ungekürzt in Deutschland erscheint.

Inszeniert wurde das Werk von Paul W. S. Anderson, der mit „Event Horizon“ im Jahr zuvor bereits viele Genre-Fans begeistern konnte und inzwischen vor allem für seine diversen „Resident Evil“-Beiträge bekannt ist. Wer einige davon oder den ebenfalls von ihm verzapften „Alien vs. Predator“ (2004) kennt, weiß allerdings, dass Anderson mit Vorliebe ‚lautes Kino‘ macht, das sehr einfachen Regeln folgt. „Star Force Soldier“ ist da keine Ausnahme.

Der Elitesoldat Todd (Kurt Russell) wurde bereits als Baby auserwählt, eines Tages als emotionslose Kampfmaschine auf den Schlachtfeldern des Universums seinem blutigen Handwerk nachzugehen. 2036 aber ist seine Zeit als Klassenbester abgelaufen: Eine neue Art von genetisch veränderten Kameraden soll fortan an Todds Stelle agieren, er selbst wird auf einem Müllplaneten abgeladen. Dort nehmen ihn die in einfachen Verhältnissen lebenden Siedler auf und versuchen, ihn in ihrer Mitte zu integrieren. Für den gefühlskalten Todd eine völlig neue Erfahrung. Als seine ehemaligen Vorgesetzten mit ihrer neuen Armee auftauchen, um den Planeten „zu bereinigen“, ist es an Todd, die bedrohten Familien zu beschützen.

Ganze 104 Wörter spricht Hauptdarsteller Kurt Russell in der Originalversion des Films. Sehr viel gesprächiger sind dagegen seine Waffen, mit denen er in 90 Minuten reihenweise Gegner (inklusive Zivilisten) niedermäht. Die Botschaft ist klar: Befehl ist Befehl und wer ihm auch als Unbeteiligter versehentlich vor die Flinte rennt, hat eben Pech gehabt. Das wäre im Sinne der angedeuteten „Menschwerdung“ des Eisblocks Todd anfangs noch erträglich, wenn Anderson bzw. Autor Peoples es mit ihrer Message wirklich ernst gemeint hätten: Wie verhält sich eine Person, die nie Nähe erfahren, Liebe erhalten und Gefühle zugelassen hat in einem Umfeld, in dem dessen Fähigkeiten als willenloser Krieger nicht von Bedeutung sind? Russell versucht die wenige Szenen, die ihm für diese, ähhh, Charakterentwicklung zur Verfügung stehen, mit wehleidigem Blick zu retten, scheitert aber ebenso wie der Rest des Casts an der Oberflächlichkeit der ganzen Geschichte. Jason Isaacs und Gary Busey, die Todds ehemalige Chefs spielen, retten sich in ihrer Not ins Overacting, die wunderbare Connie Nielsen hingegen darf lediglich gut aussehen.

Letztendlich bleibt bei Todd alles wie gehabt: Er metzelt seine Gegner, hinterfragt seine Taten nicht und hat zwischen all der Kriegsaction sogar noch Zeit, sich Tarnschminke ins Gesicht zu klatschen. Weiterentwicklung? Fehlanzeige!

Ich habe wirklich versucht, „Star Force Soldier“ eine Sinnhaftigkeit anzudichten oder zumindest eine ironische Brechung à la „Starship Troopers“ (1997) in diesem ärgerlichen Militärwerbefilm zu entdecken. Aber dafür ist Anderson wahrscheinlich nicht der richtige Mann auf dem Regiestuhl. Und nur, weil ständig von der „Schlacht am Tannhäuser Tor“ die Rede ist, macht das „Star Force Soldier“ entgegen der Aussagen von Autor Peoples noch lange nicht zu einem Quasi-Sequel von „Blade Runner“. Denn zwischen jenem Meisterwerk und diesem Machwerk hier liegen unzählige (Film-)Welten.

„Star Force Soldier“ erscheint in zwei Mediabook-Editionen, die den Film jeweils auf Blu-ray und DVD sowie erstmalig ungekürzt enthalten. Als Bonus gibt es einen Audiokommentar, ein Making of, Aufnahmen vom Dreh, Interviews und Trailer. „Star Force Soldier“ erscheint bei Koch Media und ist seit 28. März 2019 erhältlich. (Packshot + stills: © Koch Media GmbH)

Heimkino-Tipp: „Operation: Overlord“ (2018)

Es war einmal … im von Nazis besetzten Frankreich

Im Jahre 2007 kredenzten die beiden Buddys Robert Rodriguez und Quentin Tarantino mit dem Doppelfilm „Grindhouse“ („Planet Terror“/„Death Proof“) eine wunderbare Hommage an das Schmuddelkino der 1970er-Jahre. Zwischen ihre beiden Filme platzierten sie Trailer für weitere – nicht existierende – Produktionen, von denen eine den garstigen Titel „Werwolf Women of the SS“ trägt. Handlung: Die Erschaffung von Supersoldatinnen im Dritten Reich, um den Nazis die Weltherrschaft zu ermöglichen. „Welch’ herrlicher Blödsinn“, dachte ich damals. „Welch’ grandiose Prämisse“ offenbar ein anderer in Hollywood – und legte damit wahrscheinlich den Grundstein für „Operation: Overlord“.

Dabei sieht es zu Beginn überhaupt nicht nach einem B-Movie aus, sondern nach einer Big Budget-Produktion, die mit einer beeindruckenden Szene während des D-Days 1944, dem Tag der Landung der alliierten Streitkräfte in der Normandie, beginnt. Quasi das Äquivalent zu den ersten Minuten von Steven Spielbergs „Der Soldat James Ryan“, denn diesmal erlebt der Zuschauer das Geschehen mit/aus den Augen eines amerikanischen Fallschirmspringers: Boyce (Jovan Adepo) überlebt das Inferno nur knapp und findet sogar einige seiner Kameraden (u.a. Wyatt Russell) auf dem Weg zum Zielort, einem kleinen französischen Dorf, wieder. Dort sollen sie eine Funkstation der Deutschen zerstören, um so den weiteren Vormarsch der Alliierten zu ermöglichen. Was Boyce allerdings dann bei seinem Erkundungsgang auf feindlichem Territorium entdeckt, ist nicht so einfach zu beseitigen.

Nein, Werwölfe sind es nicht, denen die Amis in „Operation: Overlord“ im weiteren Verlauf gegenüberstehen. Blutig wird es jedoch definitiv. Und trotzdem ist der Film von Julius Avery („Son of a Gun“, Rezi HIER) sehr viel mehr als nur ein weiterer unterhaltsamer Vertreter des Exploitation-Kinos, das krude Ideen zu einer Schlachterplatte zusammenführt. Denn egal wie abwegig das auch klingen mag: Sein Werk punktet vor allem mit Realismus.

Es ist äußerst bemerkenswert, mit welcher Ernsthaftigkeit die historischen Umstände, in die die Handlung gebettet ist, dargestellt werden. Neben der schon erwähnten Eingangssequenz gibt es unter anderem etliche Szenen, die – zum Glück! – völlig ironiefrei die Schrecken des Krieges und der deutschen Terrorherrschaft verdeutlichen. Willkürliche Erschießungen der Zivilbevölkerung, sexueller Missbrauch, Plünderungen und Folter (auf beiden Seiten) werden hier thematisiert und dienen nicht nur als plakativer Hintergrund für einen Actionflick.

Das ist ungewohnt für einen Film dieses Genres und anfangs ein wenig gewöhnungsbedürftig, funktioniert aber erstaunlich gut. Tatsächlich scheint sich hier jemand die seit Jahren immer wiederkehrende Kritik, dass der Tod in Filmen häufig für Unterhaltungszwecke verharmlost wird, zu Herzen genommen zu haben. Viel gestorben wird zwar auch in „Operation: Overlord“. Ganz emotionslos beobachtet man das als Publikum jedoch nicht, ganz gleich, welche ‚Kreaturen‘ sich da aufeinander stürzen.

Fazit: Eine sehr große, positive cineastische Überraschung!

Die DVD/Blu-ray bietet den Film u.a. in deutsch synchronisierter und englischer Originalsprachfassung sowie diverse Untertitel. Als Extras gibt es ein umfangreiches Making of. „Operation: Overlord“ erscheint bei Universal Pictures Germany GmbH/Paramount und ist seit 21. März 2019 erhältlich. (Packshot + stills: © Universal Pictures/Paramount)

Heimkino-Tipp: „Auslöschung“ (2018)

Annihilation

Der Brite Alex Garland hatte schon früh einen prominenten Fan: Sein Landsmann Danny Boyle verfilmte seine Drehbücher zu „The Beach“, „28 Days Later...“ und „Sunshine“ und machte Garland so auch über die Landesgrenzen hinaus zu einem gefragten Autoren. 2014 nahm er schließlich selbst erstmalig auf dem Regiestuhl Platz und schuf mit „Ex Machina“ ein Paradebeispiel für anspruchsvolles, unterhaltsames und gleichzeitig nachdenklich machendes Hollywoodkino. Groß waren daher (nicht nur) meine Erwartungen an sein neuestes Werk „Annihilation“, das dann jedoch kurz vor seinem weltweiten Release plötzlich vom europäischen Kinomarkt zurückgezogen und stattdessen über den Streamingdienst Netflix veröffentlicht wurde. Angeblich, da der Film einem Finanzier vom Filmstudio Paramount „zu intellektuell“ und „zu kompliziert“ erschien und dieser deswegen Änderungen forderte. Da es aber zu keiner Einigung mit Garland kam, wählte man schließlich diesen Veröffentlichungsweg. Ein Jahr später nun erscheint der Film auch auf Blu-ray/DVD.

Intellektuell und kompliziert trifft es ganz gut, wenn die Handlung oder besser: die Bedeutung von „Auslöschung“ in wenigen Worten zusammengefasst werden soll. Ich persönlich finde das wunderbar, für ein Publikum aber, das lediglich „Filmberieselung“ möchte, während es seine WhatsApp-Nachrichten tippt, ist das SciFi-Drama definitiv nix.

Die Wissenschaftlerin Lena (Natalie Portman) ist völlig perplex, als nach einem Jahr Funkstille plötzlich ihr Gatte Kane (Oscar Isaac) vor ihr steht. Der Soldat wurde schon häufiger auf „spezielle Missionen“ geschickt, doch von dieser hier kehrt er verändert zurück. Als er kurz darauf zusammenbricht und Lena ihn ins Krankenhaus bringen will, werden beide von Militärs abgefangen und in einen sonderbaren Komplex gebracht, der nichts Gutes erahnen lässt. Denn vor den Fenstern ist ein sonderbares Biotop zu sehen, eine Art Wand, die sich langsam auf sie zu bewegt. Scheinbar außerirdischen Ursprungs, wurden schon etliche Forscher und Soldaten hineingeschickt. Doch außer Kane kehrte bisher niemand zurück. Nun ist es an Lena und ihrem nur aus Frauen bestehenden Team (u.a. Jennifer Jason Leigh, Tessa Thompson), das Geheimnis hinter dem sogenannten The Shimmer zu entschlüsseln. Der Beginn einer unheilvollen Expedition.

Es gestaltet sich schwierig über die Themen des Films zu schreiben ohne Spoiler vorwegzunehmen. Andererseits hat die Diskussion im Freundeskreis über Sinn und Bedeutung von „Auslöschung“ derart viele Ideen und Möglichkeiten hervorgebracht, dass eine ausführliche (individuelle) Interpretation an dieser Stelle überflüssig erscheint. Genau das aber ist eine der großen Qualitäten des Films: offen zu sein für viele Erklärungen für das, worum es hier geht. Und ist es überhaupt real? Oder ist alles nur heiße Luft, gestrickt um einen simplen Actionplot?

Wie auch immer man/frau den Inhalt betrachtet: schauspielerisch, tricktechnisch und gestalterisch hat Garland sich nicht lumpen lassen. Eine ausschließlich weibliche „Expendables“-Truppe in unbekanntes Terrain zu schicken ist eine willkommene Variation bekannter Besetzungsmuster, die zu sehenden Effekte sind beeindruckend, und wiederum andere Szenen bleiben ob ihres Gruselfaktors lange in Erinnerung.

Der talentierte Brite hat es also schon wieder getan – anspruchsvolles, unterhaltsames und gleichzeitig nachdenklich machendes Hollywoodkino geschaffen. Bitte mehr davon!

Die DVD/Blu-ray bietet den Film u.a. in deutsch synchronisierter und englischer Originalsprachfassung sowie diverse Untertitel. Als Extras gibt es ein umfangreiches dreiteiliges Making of. „Auslöschung – Annihilation“ erscheint bei Universal Pictures Germany GmbH/Paramount und ist seit 14. März 2019 erhältlich (oder wie gehabt bei Netflix abrufbar). (Packshot + stills: © Universal Pictures/Paramount)

Heimkino-Tipp: „Dog Soldiers“ (2002)

Fight or Die

Zunächst ein kleiner Schwank aus meinen Anfangsjahren als Filmrezensent: Anno 2005, zum Kinostart von „The Descent – Abgrund des Grauens“, dem zweiten Werk von Neil Marshall, erhielt ich vom Verleih eine Pressevideokassette(!) zur Voransicht. Trotz einem beständig eingeblendeten Timecodes auf dem Bild sowie miserabler Qualität jagte der Horrorfilm meinem WG-Mitbewohner und mir einen ordentlichen Schrecken ein. Was für ein Brett! Und Marshall legte nach: „Doomsday“ (2008) bot Härte und Spaß in vollendeter Perfektion, „Centurion“ (2010) ließ erahnen, dass der Engländer ein Händchen für Schlachterplatten mit historischen Anleihen besitzt. Später inszenierte er dann u.a. einzelne Folgen von „Game of Thrones“.

Zeit also, endlich eine filmische Bildungslücke zu schließen und sich „Dog Soldiers“, Marshalls Debüt von 2002, zu geben. Damals sowohl von Kritikern als auch vom Publikum gefeiert, erscheint nun, wenige Wochen vor Kinostart seiner „Hellboy“-Neuauflage (11. April), eine 4-Disc-Edition mit jeder Menge Extras.

Kurz nach Beginn ist bereits klar: Bei „Dog Soldiers“ handelt es sich um eine Low Budget-Produktion – und so etwas erfordert von einem Regisseur gewöhnlich vor allem Einfallsreichtum. Und der ist bei Marshall unübersehbar gegeben. Er macht das Beste aus seinen begrenzten finanziellen Möglichkeiten und versucht mittels Schnitt und Tempo, etwaige Leerstellen zu überdecken. Inhaltlich hat er es da einfach: „Dog Soldiers“ handelt von einer kleinen Einheit der britischen Armee (u.a. Sean Pertwee, Kevin McKidd), die in den schottischen Highlands eine Wehrübung abhält und dabei über die Reste einer offenbar ebenso aktiven Spezialeinheit (u.a. Liam Cunningham) stolpert. Die wurde von Werwölfen ordentlich dezimiert und nimmt sich nun den Rest der menschlichen Eindringlinge vor. Die flüchten in ein abgelegenes Bauernhaus und versuchen fortan, die Nacht und die Angriffe zu überleben.

Blut, Witz und Machosprüche – das sind die Zutaten, aus denen Marshall seinen Action-Horrorfilm zusammensetzt. Auf CGI-Effekte wurde größtenteils verzichtet, was sich vor allem bei den garstigen Biestern zeigt: Hier sind gelenkige Menschen in Gummianzügen versteckt und fletschen bevorzugt ihre Beißerchen, wenn sie nicht gerade mit ihren riesigen Klauen einen Bauch aufschlitzen. Auf beides (Aussehen und Tun) sollte man als Zuschauer/in vorbereitet sein, um den Film halbwegs ernst nehmen zu können. Denn andernfalls fällt das Augenmerk mehr auf Dialoge und Handlungen der Protagonisten – und das nicht zu deren Vorteil. Da werden nämlich lediglich die üblichen Floskeln von Kameradschaft, Durchhaltewillen und Schimpfwörtern ausgetauscht oder Waffen zum wiederholten Male durchgeladen, nur um den Charakteren irgendeine Beschäftigung zu geben. Die einzige Frauenfigur in der ganzen Szenerie (Emma Cleasby) darf zwar Biologin sein, warum sie jedoch unter all den fremden Männern, mit denen sie im Haus festsitzt, irgendwann nur noch im kurzen Oberteil rumrennt, bleibt ihr (und Marshalls) Geheimnis.

Ist der frühere Hype um den Film also gerechtfertigt? So ganz erschließt es sich mir nicht, zumal Marshall im Vergleich zu seinem Nachfolgewerk „The Descent“ hier trotz Ideenreichtums bei der Umsetzung nie eine wirklich gruselige Atmosphäre aufbauen kann. Das mag auch schlicht an meinem Unwillen liegen, diese Männer in Latexanzügen und mit Hundemaske aufm Kopf als Bedrohung wahrzunehmen. Aber vielleicht sehe ich das bei der nächsten Vollmondnacht schon anders ...

Die neue Mediabook-Edition bietet den Film in neu überarbeiteter Qualität auf 4K Ultra HD-Disc, Blu-ray und DVD sowie eine Bonus-DVD mit Extras. „Dog Soldiers“ erscheint bei Koch Media und ist seit 14. März 2019 erhältlich. (Packshot + stills: © Koch Media GmbH)

Heimkino-Tipp: „Hunter Killer“ (2018)

Alarmstufe: Rot

Wie formulierte es die britische Filmzeitschrift EMPIRE zum Kinostart im vergangenen Oktober so treffend: „What’s long, hard, and full of seamen? Gerry Butler’s new film.“ Ha! Und um ein wenig Vielseitigkeit in seine Rollenauswahl zu bringen, rettet er diesmal nicht den amerikanischen Präsidenten (wie bereits zweimal getan, siehe „Olympus Has Fallen“ sowie „London Has Fallen“), sondern das russische Staatsoberhaupt. Auch das ein wunderbar satirisches Statement des Rezensionsautoren Chris Hewitt. Aber wo er Recht hat ...

U-Boot-Filme tauchen (haha) alle paar Jahre in den hiesigen Lichtspielhäusern auf und bieten oftmals solide, temporeiche Unterhaltung („Jagd auf Roter Oktober“, „Crimson Tide“). Aber seinen wir ehrlich, die Klasse und Klaustrophobie von Wolfgang Petersens epischen „Das Boot“ (1981!) sind und bleiben wahrscheinlich für immer unerreicht. Was also tun, um dem Genre doch noch etwas Neues abzugewinnen? „Hunter Killer“ versucht es auf storytechnischer Ebene: Denn was zunächst wie eine modernisierte Variante eines 80er-Jahre-Propaganda-Drehbuchs daherkommt, bietet nach einem überraschenden Twist vor allem eines: spannende Action über und unter der Wasseroberfläche. Wobei besagter überraschender Twist schon recht früh enthüllt wird (und auch im Trailer vorkommt, daher nicht wirklich ein Spoiler), was den Spaß an der ganzen Chose jedoch nicht mindert.

Zunächst aber alles beim Alten: Gerard Butler gibt die coole Sau, die trotz militärischer Unerfahrenheit zum Kommandanten eines amerikanischen U-Boots ernannt wird und das Verschwinden eines anderen untersuchen soll. Am Ort des vermeintlichen Abschusses angelangt, wird deutlich, dass ein abtrünniger russischer General dafür verantwortlich zeichnet, zudem seinen Präsidenten gefangen hält und nichts weiter möchte, als einen 3. Weltkrieg zu provozieren. Allerdings hat er dies derart raffiniert eingefädelt, dass jede unüberlegte Reaktion seitens der Amis ebenso fatale politische Folgen für sie haben würde. „Wer zuerst schießt, stirbt als Zweiter“ war einst der Grundsatz der Doktrin des „Gleichgewichts des Schreckens“ während des Kalten Krieges. In „Hunter Killer“ ist der plötzlich wieder hochaktuell.

Sehr viel politischen Tiefgang sollte man aber nicht erwarten. Allerdings ist nicht nur Butlers Figur Joe Glass überraschend differenziert gezeichnet, sondern ebenso der Handlungsverlauf, der den militärischen Schwanzvergleich der Supermächte (sorry, aber U-Boote bieten sich für so ein Sprachbild einfach an!) in andere Gewässer lenkt, als es inhaltlich ähnliche Hollywood-Produktionen zuvor oft getan haben. Bemerkenswert! Aber keine Panik: Laut und krachend geht es trotzdem zu, schließlich müssen 120 Minuten Laufzeit gefüllt werden. Darüberhinaus ist es gerade für Außenstehende gar nicht mal so uninteressant zu sehen, wie sehr sich die Technik in und an U-Booten seit Petersens Weltkriegs-Drama weiterentwickelt hat.

Entstanden ist ein wirklich guter Thriller, der Vertrautes mit Unerwartetem mixt und zudem einen der letzten Auftritte des leider viel zu früh an Krebs verstorbenen schwedischen Schauspielers Michael Nyqvist („Millennium-Trilogie“, „Mission: Impossible – Phantom Protokoll“, „John Wick“) enthält. Auch das ein Grund, „Hunter Killer“ anderen Genre-Vertretern vorzuziehen.

Die DVD/Blu-ray/4K UHD bietet den Film in deutsch synchronisierter und englischer Originalsprachfassung sowie optionale deutsche Untertitel für Hörgeschädigte. Als Extras befinden sich Kurzdokumentationen, ein Audiokommentar des Regisseurs Donovan Marsh sowie Trailer auf den Discs. „Hunter Killer“ erscheint bei Concorde Home Entertainment und ist seit 7. März 2019 erhältlich. (Packshot + stills: © Concorde)

Heimkino-Tipp: „Spurlos“ (2015)

Destroyer

Langsam erhärtet sich mein Verdacht, dass Nicole Kidman und Nicolas Cage am Set ihres gemeinsam gedrehten Thrillers „Trespass“ anno 2011 eine Wette eingegangen sind: Wer von beiden schafft es, innerhalb eines Jahres mehr Filme rauszubringen? Okay, gemessen an der Qualität hat die Kidman die Nase vorn. Aber was die Anzahl an Veröffentlichungen betrifft, habe ich längst den Überblick verloren. Als wäre dies noch nicht genug, werden ihre Werke jetzt sogar schon parallel rausgehauen: Während Cage seit 28.2. „Between Worlds“ unterwegs ist, begibt sich seine Kollegin in „Spurlos“ im australischen Outback auf die Suche nach ihren zwei vermissten Kindern. Ach ja, und seit 21.2. gibt es Frau Kidman sowohl in „Mein Bester & ich“ sowie in „Der verlorene Sohn“ auch wieder im Kino zu sehen. Läuft „Aquaman“ noch irgendwo? Da schwamm sie ebenso mit rum.

Doch solange sie keine Belanglosigkeiten wie Cage abliefert, darf sie gerne weiter in dieser Menge meinen Blu-ray-Player fluten. „Spurlos“, dessen Originaltitel „Strangerland“ meines Erachtens besser passt, entstand bereits 2015. Dass das prominent besetzte Drama – neben Kidman spielen u.a. Joseph Fiennes und Hugo Weaving mit – erst jetzt erscheint, ist verwunderlich, aber wohl den durchwachsenen Kritiken auf dem amerikanischen Markt geschuldet. Einmal mehr sind es wahrscheinlich Erwartungshaltungen, die nicht erfüllt wurden. Verschwundene Kids als Hauptthema? Dann muss es doch eine für jedermann befriedigende Auflösung geben.

Nein, liebe Freunde, muss es nicht. Regisseurin und Autorin Kim Farrant nutzt diese Prämisse in ihrem Spielfilmdebüt lediglich für ein Familiendrama, in dem die Mutter (Kidman) im Mittelpunkt steht. Ihre Sorgen, Ängste und ihre Hilflosigkeit angesichts des Verschwindens ihrer Kinder sind das, was Farrant interessiert. Denn Mama Catherine ahnt sehr schnell, was ihr verschlossener Gatte Matthew (Fiennes) nicht wahrhaben will: Tochter Lily (Maddison Brown) und Sohnemann Tom (Nicholas Hamilton) fühlen sich in ihrem neuen, kargen Zuhause, wo Sandstürme das einzige Highlight zu sein scheinen, wie Gefangene. Vor allem Lily versucht der Langeweile durch sexuelle Eskapaden zu entkommen, was nicht das erste Mal wäre. Je mehr ihre Mutter über das geheime Doppelleben ihres Mädchens erfährt, desto fremder fühlt sie sich selbst in ihrer Umgebung. Wenn sogar ihr Mann kein Interesse mehr an ihr hat, was bleibt dann noch vom Leben?

In seinem Kern ist „Spurlos“ das Zeugnis eines inneren Zerfalls, ausgelöst durch den Verlust zweier geliebter Menschen. Kidman ist wie so oft eine Klasse für sich und zeigt einmal mehr sehr viel Mut, wenn sie nicht nur psychisch blankzieht. Fiennes bleibt da bis auf wenige Momente nur die Flucht ins Abseits, während Weavings Charakter noch einige weitere Schichten bietet, was jedoch leider ebenso etwas zu kurz kommt. Nein, der Film gehört ganz der Kidman. Die bedankt sich mit einer weiteren Powerhouse-Performance und lässt damit einige Leerstellen im Skript gern vergessen.

Herr Cage, die Bühne gehört nun wieder Ihnen!

Die DVD/Blu-ray bietet den Film in deutsch synchronisierter und englischer Originalsprachfassung sowie deutsche Untertitel. Als Bonus gibt es Szenen vom Dreh, ein paar Featurettes, Interviews sowie Trailer. „Spurlos – Ein Sturm wird kommen“ erscheint bei Koch Media und ist seit 28. Februar 2019 erhältlich. (Packshot + stills: © Koch Media GmbH)

Heimkino-Tipp: „Galveston“ (2018)

Leave No Trace

Bevor er als Autor der Ausnahmeserie „True Detective“ bekannt wurde, verfasste Nic Pizzolatto unter dem Pseudonym Jim Hammett einen Roman mit dem Titel „Galveston“, der im Jahr 2010 erschien. Der (reale) Ort im US-amerikanischen Bundesstaat Texas liefert den Schauplatz für eine Geschichte, die in ihren Grundzügen schon oft in ähnlicher Weise zu Papier gebracht wurde. Allerdings sind es die Zwischentöne, die Pizzolattos Erzählung so besonders machen – und die kongeniale Adaption von Regisseurin Mélanie Laurent.

Moment: Mélanie Laurent? Ja, tatsächlich ist es die französische Aktrice („Inglourious Basterds“, „Beginners“), die hier vom Regiestuhl aus die Fäden in der Hand hielt. Nicht zum ersten Mal, hat sie doch in ihrem Heimatland schon etliche Streifen gedreht (zuletzt die Dokumentation „Tomorrow – Die Welt ist voller Lösungen“, erschienen 2016) und erweist sich auch hier als großes Talent. Das ist bei dem Stoff nötig, denn „Galveston“ ist harter Tobak, der vor allem dank der Performance der beiden Hauptdarsteller an die Nieren geht.

Ben Foster und Elle Fanning geben ein Paar wider Willen ab, das zusammen die Flucht ergreifen muss und schließlich im titelgebenden Städtchen strandet: Der Kleinkriminelle Roy (Foster) soll für seinen Boss (Beau Bridges) einen ‚Geschäftspartner‘ einschüchtern. Der ist allerdings auf den Besuch vorbereitet und überwältigt den ungebetenen Gast. Den Tod vor Augen, kann Roy mitsamt der jungen Rocky (Fanning) fliehen, die von den Gangstern scheinbar gewaltsam festgehalten wurde. Unterwegs packt Rocky noch ihre kleine Schwester mit ein, um sie dem gewalttätigen Vater zu entziehen. Doch der gemeinsame Weg des Trios in ein neues Leben gestaltet sich anders als erhofft.

Wer nun eine klassische Liebesgeschichte zweier Outlaws erwartet, ist genauso auf falscher Fährte unterwegs wie der Autor dieser Zeilen zu Beginn des Films. Denn obwohl die naiv wirkende Rocky keine Zeit verstreichen lässt, um sich ihrem Beschützer auch körperlich zu nähern, macht der ihr unmissverständlich klar, dass er von ihren Avancen nicht viel hält – und Laurent hat den erzählerischen Raum für ihr eigentliches Anliegen: eine Geschichte über Verantwortung, falsche Entscheidungen und die Versuche, alles wieder halbwegs ins Lot zu rücken.

Ähnlich wie seinem Kollegen Taylor Sheridan („Wind River“, „Hell or High Water“, ebenfalls mit Foster) gelingt es Autor Pizzolatto, zwischen nüchterner Realität und zarter Melancholie pendelnd, ein starkes Charakterstück zu kreieren, das viel über das Land aussagt, in dem dies alles geschieht. Regisseurin Laurent tut es ihm gleich und schafft es u.a., mit nur zwei kurzen Szenen, die sich im wahrsten Sinne des Wortes im Hintergrund abspielen, die ganze Tragik kaputter Familien auf den Punkt zu bringen (Stichwort: Motel). Einziges Manko: Foster und Fanning nehmen die komplette Leinwand mit ihrem grandiosen Spiel komplett für sich ein und lenken damit ungewollt von vielen kleinen Nebenschauplätzen ab, die nicht minder bewegen. Meist genügen den beiden Protagonisten dazu nur Blicke, wenige Worte und kleine Gesten, um für Gänsehaut zu sorgen.

Wie oben bereits erwähnt: Mag die Geschichte zunächst altbekannt klingen, „Galveston“ ist weit entfernt davon, ein gewöhnlicher Thriller über zwei Außenseiter auf der Flucht zu sein. Zwar sind die üblichen Zutaten vorhanden, Laurent und Pizzolatto aber haben ein neues Rezept ausprobiert – und das mundet dem staunenden Cineasten ganz wunderbar.

Die DVD/Blu-ray bietet den Film in deutsch synchronisierter und englischer Originalsprachfassung sowie deutsche Untertitel. Als Bonus gibt es ein informatives Making of sowie Trailer. „Galveston – Die Hölle ist ein Paradies“ erscheint bei Koch Media und ist seit 28. Februar 2019 erhältlich. (Packshot + stills: © Koch Media GmbH)