Heimkino-Tipp: „Angel has fallen“ (2019)

Catch Me If You Can

Die Formel ist simpel: Was ist die größte Bedrohung für einen Menschen, der zu den am besten bewachten Personen des Planeten zählt? Ein potenzieller Verräter! Jemand, der selbst einmal zum engen Zirkel des Vertrauens zählte, die geheimen Ticks und Tricks seiner einstigen Kollegen kennt und darüber hinaus über notwendige Skills verfügt, um sich ungehinderten Zugang zu der bewachten Person verschaffen zu können. Mike Banning ist so ein Typ – und wird damit in dem Actionfilm „Angel has fallen“ zum meistgesuchten Mann Amerikas.

Mit der „Fallen“-Reihe hat sich der Schauspieler Gerard Butler seine eigene kleine Trilogie geschaffen. Als Produzent an allen drei Teilen maßgeblich beteiligt, rettete er in der Rolle des Personenschützers Mike Banning zwei Mal dem US-Präsidenten das Leben, bevor er im nun veröffentlichten dritten Abenteuer selbst zur Zielscheibe des Secret Service wird. Eine zwar wenig überraschende aber dennoch konsequente Weiterführung der Geschichte, die sicherlich nie als Dreiteiler ausgelegt war, dank eines charismatischen Hauptdarstellers und ordentlicher Action aber zu unterhalten weiß.

Nach dem Abtritt seines bisherigen Chefs ist Mike Banning (Butler) nun Personenschützer von dessen Amtsnachfolger, US-Präsident Trumbull (Morgan Freeman). Der gönnt sich gern mal eine Auszeit beim Angeln, was diesmal jedoch ein böses Ende nimmt: Ein Drohnenangriff metzelt sämtliche Aufpasser nieder, nur Banning überlebt den Anschlag, was ihn sogleich zum Hauptverdächtigen des ermittelnden FBI macht. Da es zudem DNA-Spuren an einem Fluchtfahrzeug und eine auffällig hohe Geldüberweisung gibt, die auf seine Beteiligung am versuchten Königsmord hinweisen, scheint der Fall schnell gelöst. Banning wandert ein und Trumbulls Vize Kirby (Tim Blake Nelson) übernimmt als Interimslösung die Staatsgeschäfte. Doch Banning kann fliehen – und macht sich daran, sowohl seine Unschuld zu beweisen, als auch die wahren Hintermänner des Attentats aufzuspüren.

Wie oben bereits angedeutet, ist „Angel has fallen“ weit entfernt davon, kreativ zu sein. Wäre angesichts der beiden Vorgängerfilme („Olympus“; „London“) aber auch unpassend, denn vornehmlich geht es hier wie immer um Action. Dass Butler für sowas taugt, hat er bereits in mehreren Filmen des Genres bewiesen (u.a. „Criminal Squad“; „Hunter Killer“). Hier darf er seiner Figur zudem noch ein paar Schwächen hinzufügen, was aber eher der Ausschmückung denn der Handlung dient. Abgesehen davon bekommen Banning-Fans das, wofür sie bezahlt haben und dürfen sich einmal mehr über viel Geballer und ordentliche Zerstörungsorgien freuen. Zudem sind die Raufereien nicht zerschnitten und größtenteils übersichtlich zusammengefügt.

Einen großen Makel hat der Streifen jedoch: mitunter sehr schlechte CGI-Effekte. Zwar mussten die beiden Vorgänger-Filme ebenso mit begrenzten Budgets auskommen. Hier jedoch wurde sehr dilettantisch gearbeitet. Künstliche Explosionen und Feuerwalzen? Geschenkt! Aber wenn die Darsteller in ein Bild hineinkopiert werden, so sollten ihre Gesichter dabei schon vollständig sein.

„Angel has fallen“ ist gute Ware, die zwar nie die Klasse von Überfilmen wie „Mission: Impossible – Fallout“ erreicht, im Rahmen seiner (finanziellen) Möglichkeiten aber – bis auf die zum Teil miesen Effekte – nicht enttäuscht.

DVD-, Blu-ray- und 4K Ultra HD-Disc-Infos: Alle drei Scheiben bieten den Film in deutsch synchronisierter und englischer Originalsprachfassung. Deutsche und englische Untertitel sind vorhanden. Als Extras gibt es mehrere Making of-Dokus und Trailer. „Angel has fallen“ erscheint bei Universum Film und ist seit 3. Januar 2020 erhältlich. (Packshot + Filmstills: © Universum)

Heimkino-Tipp: „Die Stockholm Story“ (2018)

Mein geliebter Feind

Während eines Banküberfalls in Stockholm 1973 kam es zu einem Vorfall, den Psychologen im Nachhinein mit dem Begriff „Stockholm-Syndrom“ zu beschreiben versuchten: das Sympathisieren von Geiseln mit ihren Entführern. Im konkreten Fall zeigte sich, dass die in der Bank festgehaltenen Angestellten mehr Angst vor der Polizei als vor ihren Geiselnehmern entwickelten. Diese sonderbare Geschichte hat Robert Budreau nun mit „Die Stockholm Story“ verfilmt.

Der Amerika-Fan Lars (Ethan Hawke) kapert eines Tages im Alleingang eine der größten Banken der schwedischen Hauptstadt. Nachdem er fast alle Zivilisten aus dem Gebäude gescheucht hat, fordert er die Freilassung seines inhaftierten Kumpels Gunnar (Mark Strong) und droht damit, bei Nichterfüllung seines Wunsches die verbliebenen Geiseln zu töten. Eine von ihnen ist die junge Mutter Bianca (Noomi Rapace), zu der Lars schon bald ein vertrautes Verhältnis aufbaut.

Zweifellos: Die Geschehnisse des Jahres 1973 sind hervorragendes Material für ein packendes Filmdrama. Kommen dann noch drei Schauspiel-Profis (Hawke, Rapace, Strong) hinzu, sollte eigentlich alles passen. Das ist bei „Die Stockholm Story“ leider jedoch nicht der Fall. Das mag hauptsächlich darin begründet liegen, dass Regisseur und Autor Budreau, mit dem Hawke bereits das Biopic „Born to be Blue“ (2015) über den berühmten Jazzmusiker Chet Baker realisierte, sich dazu entschied, die Handlung als Krimikomödie zu erzählen. Inwieweit dies den realen Begebenheiten entspricht, vermag ich nicht zu beurteilen. Für den Film aber ist es wenig zuträglich.

So fuchteln die Geiselnehmer zwar immer wieder mit ihren Waffen herum, liefern sich sogar Gefechte mit der Polizei und haben keine Skrupel, ihren Geiseln geladene Pistolen an die Schläfen zu halten. Bedrohlich wirkt dies aufgrund der Inszenierung jedoch nie. Stattdessen entsteht der Eindruck, als ob Bianca und ihre Kollegen bereits von Beginn an wüssten, dass ihnen – zumindest von Seiten der Bankräuber – nichts Schlimmes zustoßen wird. Aber warum denken sie so? Woraus speist sich ihre Selbstsicherheit? Und wann genau wird Bianca klar, dass sie sich zu Lars hingezogen fühlt? Das Skript bleibt an Stellen wie diesen unbefriedigend oberflächlich, geht nicht in die Tiefe und verpasst es größtenteils, die emotionale Achterbahnfahrt, die beide Seiten durchlaufen, glaubhaft herauszuarbeiten. Dies trifft ebenso auf die Nebenfiguren (Polizeipräsident, Biancas Gatte) zu, deren Verhalten/Darstellung dem Ernst der Lage selten gerecht wird.

Falsche Erwartungshaltung? Fehlender Sinn für Humor? Vielleicht ist es eine Mischung aus beidem, die mich nach Filmgenuss ein wenig enttäuscht zurücklässt. Trotzdem bleibt das Gefühl, dass aus dieser historisch belegten Prämisse hätte viel mehr werden können.

Die DVD/Blu-ray bietet den Film in englischer Original- und deutsch synchronisierter Sprachfassung. Als Extras gibt es lediglich Trailer. „Die Stockholm Story – Geliebte Geisel“ erscheint bei Koch Films GmbH und ist seit 5. Dezember 2019 erhältlich (Packshot + stills: © Koch Films)

Heimkino-Tipp: „West of Liberty“ (2019)

Most Wanted Men

Deutschen Produktionen wird ja hin und wieder vorgeworfen, lediglich amerikanische Vorbilder zu kopieren – und dabei stets zu scheitern. Persönlich halte ich nicht viel von solchen Verallgemeinerungen, zumal sie den künstlerischen Input und die Anstrengungen aller Beteiligten abwerten. Sicherlich liegt die Kritik auch in Sehgewohnheiten begründet: Stil, Tempo und Schnitt sind anders, und wer jahrelang hauptsächlich US-Serien schaut, wird diese inszenatorischen Differenzen möglicherweise als Mängel deuten.

Die Event-Serie „West of Liberty“, eine internationale Koproduktion des ZDF, sitzt diesbezüglich zwischen den Stühlen. Das beginnt bereits beim Titel: Dem deutschen Publikum wird eine sinnvolle Übersetzung vorenthalten. Andererseits stammen zwei der Hauptdarsteller aus Germany, sprechen aber – zumindest in der originalen Sprachfassung – englisch. Hauptschauplatz ist zunächst Berlin, obwohl dies für die Handlung eher unbedeutend ist. Die Story selbst kratzt zwar aktuelle Themen an, verpasst es aber, sie ‚grenzüberschreitend‘ zu erzählen. So halten sich Pros und Cons 262 Minuten lang die Waage.

Im Mittelpunkt steht der Barbesitzer Ludwig Licht (Argh! Dieser Name!), gespielt von Wotan Wilke Möhring, der von seinem einstigen Chef, CIA-Mann Berner (Matthew Marsh), um einen Chauffeurdienst gebeten wird: Licht soll die undurchsichtige Faye (Michelle Meadows) eskortieren und beschützen, die u.a. behauptet, wichtige Informationen zum Aufenthaltsort des weltweit gesuchten Whistleblowers Lucien Gell (Lars Eidinger) zu besitzen. Faye ist jedoch nicht Lichts einziges Problem: Er hat Schulden bei einigen ungeduldigen Zeitgenossen und diese sind wenig zimperlich beim Eintreiben ihrer Moneten.

Die Geschichte der sechs ca. 42minütigen Episoden wird auf drei Erzählstränge aufgeteilt, die sich im Verlauf hin und wieder überschneiden: Lichts permanente Flucht mit Faye, die Arbeit des grimmigen CIA-Agenten Berner, sowie Gells Schattendasein in einem Versteck. Mindestens zwei dieser Storyverläufe wirken etwas unausgegoren: So wird Protagonist Licht als ehemaliger Stasi-Spitzel und Doppelagent vorgestellt, was zwar seine Verbindung zum CIA erklärt, ansonsten aber nebensächlich bleibt. Sein Auftraggeber Berner handelt derweil ‚auf eigene Rechnung‘ und angesichts des internationalen Haftbefehls für Gell irritierend seltsam.

Bezüglich des Spannungsbogens fällt auf, dass jede einzelne Folge mit Szenen endet, die scheinbar einzig darauf ausgelegt sind, einen halbwegs spannenden Cliffhanger für die nächste Episode zu kreieren. Das ist natürlich legitim, verdeutlicht jedoch ungewollt zwei Dinge: (1.) Man hält an einer starren Erzählformel fest. (2.) Das Vertrauen darauf, das Erzählte wäre auch ohne Cliffhanger packend genug, ist nicht gegeben.

Besonders der erste Punkt fällt bei Betrachtung der Inszenierung und des Schauspiels ins Gewicht: Ohne Frage, Regisseurin Barbara Eder („Tatort: Virus“) versteht ihr Handwerk. Etwas Eigenständiges bezüglich Optik, Schnitt oder Erzählmustern wagt sie leider trotzdem nicht. Ähnliches gilt für die von mir hochgeschätzten Möhring und Eidinger: Sie agieren in ihren Rollen glaubhaft aber dennoch niemals überraschend und spielen ihre Rollen mit der ihnen innewohnenden Professionalität schlicht runter. Ergo: Für Experimente ist in „West of Liberty“ kein Platz.

Das ist insofern schade, da es dem Anschein nach nicht mangelndem Talent der Beteiligten, sondern Formatvorgaben geschuldet ist, die „West of Liberty“ letztendlich von der Event-Serie zu einem überlangen Durchschnitts-TV-Krimi deklassieren, wie es sie täglich im Öffentlich-rechtlichen Programm zu sehen gibt. Was uns zur Problematik des Anfangs zurückführt: Wer die ewigen Zweifler, ob deutsche Produktionen mit amerikanischen mithalten können, überzeugen will, muss mehr wagen als einen englischen Titel zu verwenden. Es geht nicht darum, US-TV zu kopieren. Es geht darum, eine eigene Handschrift zu entwickeln – besonders bei ‚Events‘, die sich vom sonstigen Krimi-Programm abheben sollen.

Das Talent ist vorhanden. Nun sollte man/frau es endlich von der Leine lassen.

Im Gegensatz zur zweiteiligen, gekürzten TV-Filmversion enthält die Doppel-DVD die vollständige Fassung der Serie, unterteilt in sechs Episoden. Neben der synchronisierten deutschen Fassung ist auch die mehrsprachige Originalfassung mit an Bord. Nur für diese liegen deutsche Untertitel vor. „West of Liberty“ erscheint Edel Motion und ist seit 6. Dezember 2019 erhältlich. (Packshot + stills: © Edel Motion)

Heimkino-Tipp: „The Professor and the Madman“ (2019)

Speak & Spell

Bei der ersten persönlichen Begegnung zupft Dr. William Chester Minor seinem Gegenüber, dem Sprachforscher James Murray, ungläubig am langen, ergrauten Rauschebart. Prompt stellt sich mir die Frage, ob das erste Treffen der Schauspieler Sean Penn und Mel Gibson, die diese beiden Charaktere in „The Professor and the Madman“ verkörpern, möglicherweise ähnlich ablief? Immerhin zählen sie seit etwa 40 Jahren quasi zum Hollywood-Inventar und spielen hier erstmals in einem Film nebeneinander.

Das Drama „The Professor and the Madman“ ist das Regiedebüt des Drehbuchautors Farhad Safinia (unter dem Pseudonym P.B. Shemran), der für Gibson einst das Skript zu „Apocalypto“ (2006) verfasste. Angeblich handelt es sich um ein lang geplantes Herzensprojekt Gibsons, was einmal mehr sein Interesse an ungewöhnlichen Geschichten unterstreicht. Denn in zwei Stunden Laufzeit widmet sich dieser Film – Achtung! – der Entstehung eines Wörterbuchs. Eines besonderen wohlgemerkt, dessen Bedeutung zumindest für die englische Sprache nicht hoch genug eingeschätzt werden kann.

Mitte des 19. Jahrhunderts bewirbt sich der Autodidakt Murray (Gibson) bei der ehrwürdigen Universität Oxford um eine Aufgabe, die gut und gern als verrückt bezeichnet werden kann: der Erstellung eines Nachschlagewerks des gesamten(!) englischen Wortschatzes(!!) seit dem 9. Jahrhundert(!!!) einschließlich aller(!!!!) bekannten Wortbedeutungen, -varianten und -verwendungen(!!!!!). Titel des Buchs: „Oxford English Dictionary (OED)“. Trotz großer Skepsis der Gelehrten erhält Murray den Job und startet sogleich einen weltweiten Aufruf an jedermann, ihm zu assistieren – mit Hinweisen, Zitaten und Literaturempfehlungen, die ihm via Briefpost zugesandt werden sollen. Einer dieser Helfer entpuppt sich als besonders ergiebig: Dr. Minor (Penn) schickt hunderte von Zuschriften und trägt somit maßgeblich zur Entstehung des literarischen Mammutwerkserks bei. Was Murray zu diesem Zeitpunkt (noch) nicht weiß: Minor ist Patient in einer psychiatrischen Klinik, verurteilter Mörder und leidet unter Verfolgungswahn.

Natürlich klingt es auf dem Papier zunächst ein wenig trocken: ein Film über zwei Männer, die ein Buch verfassen wollen. Zum Glück ist das Endprodukt so viel mehr – kein trockener Historienfilm, kein Verklären der Vergangenheit, keine bloße Lobhudelei zweier Wortakrobaten. „The Professor and the Madman“ nutzt vielmehr die persönlichen Schicksale der beiden Protagonisten, um eine Geschichte über Verantwortung, Schuld, Vergebung und Besessenheit zu erzählen. So muss Murray große familiäre Opfer bringen, um seinen Traum zu verwirklichen. Minor hingegen hadert mit seiner abscheulichen Tat und wendet sich auf der Suche nach Vergebung ausgerechnet an die Witwe jenes Mannes, dem er das Leben nahm. Derweil warten die Hausherren von Oxford nur darauf, dem Emporkömmling Murray, der nicht aus ihren Reihen stammt, scheitern zu sehen.

Diese vielen „kleinen Kriegsschauplätze“ vereint Regisseur Safinia in eine runde Erzählung, die viel über die menschliche Natur verrät. Zum Leben erweckt wird dies alles von unzähligen tollen Schauspielern wie Eddie Marsan, Natalie Dormer, Jennifer Ehle, Steve Coogan und Stephen Dillane, die hier neben Gibson und Penn agieren und begeistern.

„The Professor and the Madman“ ist somit ein treffendes Beispiel dafür, wie eine interessante historische Begebenheit dank gutem Drehbuch, spannender Umsetzung und fantastischer Darsteller zu einem tollen Film führen können, der ein Ansehen lohnt.

Die DVD/Blu-ray bietet den Film in deutsch synchronisierter und englischer Originalsprachfassung. Deutsche Untertitel sind optional zuschaltbar. Als Extras gibt es ein kurzes Making of, eine Bildergalerie sowie Trailer. „The Professor and the Madman“ erscheint bei New KSM Cinema und ist seit 5. Dezember 2019 erhältlich. (Packshot + Filmstills: © KSM GmbH)