„The Artist“ (Kinostart: 26. Januar 2012)

„Dieser Film dürfte eigentlich gar nicht existieren“, beschreibt Jean Dujardin diese unmögliche Situation, in der er sich gerade befindet. Dujardin ist Schauspieler, in Frankreich schon seit langem ein Superstar, laut Cannes der „Beste Darsteller“ im Jahr 2011 und wohl selbst überrascht von dem, was ihm und seinem Regisseur, Michel Hazanavicius, da gerade widerfährt. Denn ihr gemeinsames Werk dürfte tatsächlich nicht existieren – immerhin ist „The Artist“ ein Stummfilm. In schwarz-weiß. Im Jahr 2012.

In Zeiten von 3D-, Animations- und Dogmafilmen wahrlich eine Seltenheit, um die Hazanavicius nach eigenen Angaben lange kämpfen musste: „Mein Produzent fragte mich etwa 800 Mal, ob ich ein Remake der beliebten „Fantômas“-Reihe machen wöllte. Ich antwortete ihm 800 Mal mit ‚Nein!‘ – außer, er würde mir erlauben, die Neuverfilmung als Stummfilm zu inszenieren.“ Zwar sagte ihm der Produzent ab, doch was blieb, war die Idee – und die setzten beide nun trotz des immensen finanziellen Risikos in „The Artist“ um.

Erzählt wird die tragische Geschichte des Stummfilmstars George Valentin (Dujardin), der einer Zufallsbekanntschaft (Bérénice Bejo) hilft, im Filmbusiness Fuß zu fassen. Als der aufkommende Tonfilm ihre Karriere beflügelt, driftet Valentin immer mehr ins Abseits, unwillig und unfähig, sich mit der neuen Technik zu arrangieren.

Kann so ein Film heute noch funktionieren? Genügen Gesten, Musik und Vorstellungskraft, um beim Zuschauer Begeisterung und Emotionen auszulösen? Diesen Versuch muss jeder Kinobesucher selbst wagen. Wer sich darauf einlässt, erlebt ein witzig-melancholisches Kleinod voller filmischer Poesie, das die Magie des klassischen Kinos der 1920er-Jahre preist, und zudem eines der charmantesten Leinwandpaare der vergangenen Jahre präsentiert. Dujardin und Bejo sind das Herzstück von „The Artist“, voller Leidenschaft, Grazie und auch ohne Dialoge so präzise in ihrer Art zu spielen, dass es einem die Tränen in die Augen treibt.

Ja, so ein Film dürfte tatsächlich nicht (mehr) existieren. Aber im Kino ist bekanntlich alles möglich. Selbst so ein stummes Wunder wie „The Artist“.

Aus dem „Meißner Tageblatt“ vom 25. Januar 2012.

„Mordsklänge“. Eine CD-Rezension.


Der skandinavische Kriminalfilm hat sich in den vergangenen Jahren eine beachtliche Anzahl von Fans erarbeitet. Während Adaptionen von Werken aus der Feder von Mankell oder Nesser im TV für wohliges Gruseln sorgen, schaffte es die „Millenniums-Trilogie“ von Larsson sogar auf die Kinoleinwand und erhält dank Regisseur David Fincher („Der seltsame Fall des Benjamin Button“) nun sogar eine zweite Verfilmung.

Einen großen Anteil am Erfolg der nordischen Thriller haben sicherlich auch die Schauplätze (im Buch) und die musikalischen Untermalungen (im Film). Letztere gibt es nun auch auf einer CD-Kompilation unter dem passenden Titel „Mordsklänge – Die Musik zum Skandinavien-Krimi“ in komprimierter Form zu erleben. Dabei handelt es sich jedoch nicht ausschließlich um Soundtrack-Titel, die den zahlreichen Verfilmungen entnommen sind. Vielmehr ist die Zusammenstellung laut Eigenwerbung als „stilvolle, atmosphärische Lesebegleitung“ zu verstehen, die dank der Künstlerauswahl auch einen kleinen Einblick in die Vielfältigkeit der skandinavischen Musikerkultur ermöglicht. Mal klassisch („Zwei nordische Melodien“ von Edvard Grieg), mal poppig („Winter Killing“ von Stina Nordenstam), elektronisch („Miss You“ von Trentemøeller) und jazzig-rockig („Daylight Is Short In Fall“ von Rebekka Bakken): das Spektrum ist immens und schafft besonders bei den instrumentalen Titeln eines Filmscores („Millennium“ von Jacob Groth; „Wallander“ von Fleshquartet) eine wohlig-kühle, bedrohliche Atmosphäre.

Die Befürchtung, ein kompletter Hördurchgang könnte aufgrund der Melancholie und Düsternis zum Suizid führen, ist jedoch unbegründet. Denn weder ist Skandinavien ganzjährig vom Schnee bedeckt, unter dem sich Leichen verbergen, noch sind die Künstler allesamt Pessimisten. Ergo: Auch ohne einen der vielen Erfolgsromane, denen hier musikalisch gehuldigt wird, zu kennen, kann man diese CD hören und genießen – im Winter ebenso wie im Sommer. Und ob einzelne Titel tatsächlich das ‚skandinavische Gefühl‘– so denn Derartiges überhaupt existiert – passend widerspiegeln, liegt schlussendlich stets in der Interpretation des Komponisten und des Hörers. Aus meiner persönlichen Sicht ist es hier in jedem Track formidabel eingefangen.

Trotzdem sei an dieser Stelle noch auf die Filmmusik zur amerikanischen Verfilmung von „Verblendung“ (Kinostart: 12.01.2012) hingewiesen, für die Trent Reznor und Atticus Ross (Oscar für „The Social Network“) verantwortlich zeichnen. Sie zeigen einen völlig anderen Ansatz als ihn ihre skandinavischen Kollegen auf „Mordsklänge“ präsentieren. Einen ersten Höreindruck kann man sich HIER verschaffen. Der Link ermöglicht einen kostenlosen (offiziellen) Download von sechs Musikstücken aus dem David-Fincher-Film.

„Mordsklänge – Die Musik zum Skandinavien-Krimi“ ist erschienen bei Universal Music Group und seit Dezember 2011 im Handel erhältlich. Die CD enthält 18 Musiktitel mit einer Gesamtlaufzeit von ca. 73 Minuten.

... im Nachgang: „Rubbeldiekatz“ (Kinostart: 15.12.2011)

Das letzte Streitgespräch 2011 gehörte dem neuen Film von Detlev Buck. Nachzulesen auf der Seite des Kinokalender Dresden, und zwar HIER.