
Eine Ansammlung von Superlativen wäre wohl die einzige halbwegs gerechtfertigte Rezension über Tetsuya Nakashimas Ausnahmewerk „Geständnisse – Confessions“. Denn: Verstörender, aufregender, außergewöhnlicher geht kaum.
Das zeigt sich bereits zu Beginn dieses irgendwo zwischen Psychothriller, Horrorfilm und Gesellschaftsdrama angesiedelten cineastischen Albtraums aus Bild und Ton. Dies ist keineswegs negativ gemeint, vielmehr ein Versuch, das Gesehene/Gehörte halbwegs akkurat zu beschreiben. Unterteilt in mehrere Kapitel, Geständnisse, die die fortschreitende Handlung jeweils aus der Sicht eines anderen beschreiben, lässt der Film sein verdutztes Publikum eine perfide Rachephantasie miterleben, die in Teilen auch blutig daherkommt, seine Protagonisten (und mitleidenden Zuschauer) jedoch vielmehr psychologisch an Grenzen bringt. Wohlgemerkt: Das alles klingt möglicherweise abstoßend, ist aber nur der Hintergrund für ein Genresprengendes Stück Film, das mutiger kaum sein könnte.
Das erste Geständnis im Film macht die Lehrerin Yuko Moriguchi (Takako Matsu) vor ihrer tobenden Klasse kurz vor Ferienbeginn. Sie erzählt von der Liebe zu einem Mann, seiner HIV-Infektion, einem Kind der Liebe und dessen Tod durch die Hand zweier Jugendlicher, die ob ihres Alters vom Gesetz her noch nicht für ihr Handeln belangt werden können. Aber Yuko kann. Denn sie weiß, wer die Täter sind und wird diese nun bestrafen – indem sie ihnen das Blut ihres kranken Gatten in die Milch mischt.
Der Zuschauer wie auch die Klassenkameraden wissen zu diesem Zeitpunkt längst, wer gemeint ist, und während der Eine sich daraufhin zu Hause eingräbt, einem Zombie gleich sein (Rest-)Dasein fristet und die eigene Mutter zunehmend zur Verzweiflung bringt, wagt es der andere, weiterhin in die Schule zu gehen – und sich der Häme, des Spotts und der Verachtung seiner Mitschüler auszusetzen.
Hier beginnt das zweite Geständnis, das die Geschichte nun aus Sicht einer der Schülerinnen erzählt, das Mobbing im Klassenraum zeigt und dem Film eine neue Handlungsebene eröffnet. Dieses Stilmittel nutzt Regisseur Nakashima immer wieder und taucht dabei fast unmerklich tiefer und tiefer in die Seelen seiner Figuren ein, um deren Motivation zu verdeutlichen – bis zum bitteren Ende.
Formal geht „Geständnisse – Confessions“ auch ungewöhnliche Wege. So breitet der Film die erste Episode auf nicht weniger als eine halbe Stunde aus, in denen die Lehrerin lediglich ihre Geschichte erzählt. Allerdings in einer Art und Weise, die bereits nach den ersten fünf Minuten einen Sog entfaltet, der bis zum Abspann auch nicht nachlässt. Ein Großteil der Szenen ist zudem nur in Zeitlupe zu sehen, was die perfekte Komposition der eingefangenen Bilder noch einmal unterstreicht. Man starrt, staunt, schluckt.
Vielleicht auch, da Nakashimas Adaption einer Geschichte von Kanae Minato etliche Verweise auf die japanische Gesellschaft enthält, deren Missstände und Tabus als Auslöser für all die Katastrophen gelten können, die den Figuren widerfahren: Mobbing, Gewalt unter Schülern, Aids, Suizid, Amokläufe, die Rolle der (egal ob verheiratet oder nicht) überforderten, alleinerziehenden Mutter, der Wunsch nach Anerkennung – nichts, was es nicht auch in anderen Kulturkreisen gibt.
Ob Warnung, Unterhaltung oder Filmkunst in einer nahezu perfektionierten Form: „Geständnisse – Confessions“ kann vielfältig interpretiert werden. Verpassen sollte man ihn nicht.
Die DVD bietet den Film in deutsch synchronisierter und japanischer Sprachfassung, deutsche Untertitel, ein Making of (70 Minuten!), Trailer, sowie – als besonderes Bonbon – ein ausführliches Booklet. Die BluRay beinhaltet darüber hinaus noch zusätzliche Interviews. „Geständnisse - Confessions“ ist erschienen bei Rapid Eye Movies/Al!ve AG und seit 18. November 2011 erhältlich.