Heimkino-Tipp: „Boy kills World“ (2023)

Ready Player Fight

Es ist nicht der erste und definitiv auch nicht der letzte Streifen, der dies unterstreicht, aber: Entwickeln sich Sehgewohnheiten und Erwartungen in diese Richtung weiter, werden Filme wie „Boy kills World” zumindest im Action-Genre wohl Standard. Meint: Sehr hohes Tempo, eine entfesselte Kameraführung, die jeder Physik trotzt, und eine von Videospielen inspirierte Optik. Dazu blutige Konfrontationen im Minutentakt, untermalt von leichtfüßiger Musik und mit einem Augenzwinkern präsentiert, damit dies alles nicht so brutal wirkt. „Deadpool“ hat es vorgemacht, nun ziehen andere nach.

Einziges Manko - und das ist nicht despektierlich gemeint: Es hat mit der Kunstform „Film“ nicht mehr viel zu tun. Vielmehr gleichen Werke wie „Boy kills World“, „Free Guy“ (2021) oder „Ready Player One“ (2018, immerhin von Regielegende Steven Spielberg inszeniert) einem Videospiel, in dem die Protagonisten Level für Level ihre Kämpfe be- und überstehen müssen, dabei auf seltsame Sidekicks treffen und Realität, Schwerkraft sowie körperliche Wunden ihre Bedeutung verlieren bzw. folgenlos bleiben.

Der gebürtige Hesse Moritz Mohr, der mit „Boy kills World“ sein Langfilmdebüt gibt, ist laut eigener Aussage selbst begeisterter Gamer. Die Marschrichtung ist somit klar – und Mohr liefert ab: mit simpler Story, coolem Helden, Geballer und Gekloppe ohne Ende. Was fehlt, ist Seele.

Der taubstumme Boy (Bill Skarsgård) verlor als Kind seine Eltern und wurde daraufhin von einem Schamanen (Yayan Ruhian) in diversen Kampftechniken trainiert und fernab der Großstadt großgezogen. Dort herrscht die skrupellose van der Koy-Familie (Famke Janssen, Sharlto Copley, Brett Gelman, Michelle Dockery), die jedes Jahr aufs Neue vermeintliche Regimegegner in einem live übertragenen, blutigen Gladiatorenspiel tötet. Doch diesmal stellt sich ihnen Boy entgegen.

Fehlenden Tiefgang oder inhaltliche Schwächen zu kritisieren, ist bei einem Film, der sein Hauptanliegen bereits im Titel trägt, müßig und nicht wirklich zielführend. Denn „Boy kills World“ möchte unterhalten, kurzweilig sein, über die Stränge schlagen. Wer sich für so etwas begeistern kann, wird nicht enttäuscht. Dass die Gags kindisch, der Verlauf vorhersehbar und die Figuren allesamt eindimensional sind, ärgert aber schon ein wenig. Selbst die Fights erinnern stark an Besseres (z.B. The Raid, 2011), wenngleich ich großen Respekt für alle beteiligten Stuntfrauen und Stuntmänner sowie Darsteller hege, digitale Unterstützung hin oder her.

Wie sehr die Grenzen zwischen Film und Videospiel-Ästhetik inzwischen verschwommen sind, wird in „Boy kills World“ eindrucksvoll zur Schau gestellt. Wie mensch das beurteilt, steht auf einem anderen Blatt.

Die Blu-ray/DVD-Disc bietet den Film in englischer Original- und deutsch synchronisierter Sprachfassung. Untertitel für Hörgeschädigte sind optional vorhanden. Als Bonus gibt es ein Making of, kurze Featurette-Clips und Trailer. „Boy kills World“ erscheint am 26. September 2024 bei Constantin Film im Vertrieb von Universal Pictures und ist auch digital erhältlich. (Packshot + stills: © Constantin Film)

Heimkino-Tipp: „Mississippi Burning“ (1988)

In der Hitze des Südens

Mit einem gewonnenen Oscar (für „Beste Kamera“) und sechs weiteren Nominierungen (u.a. „Bester Film“) zählt Alan Parkers Drama „Mississippi Burning“ über den 1964 verübten Mord an drei Bürgerrechtlern zweifellos zu den wichtigsten Werken der Dekade. Über 30 Jahre nach seiner Veröffentlichung wirken manche Statements der darin porträtierten Rassisten traurigerweise aktueller denn je, andere Aspekte wiederum sind nicht mehr zeitgemäß. Beispielsweise die Tatsache, dass es im ganzen Film keine people of colour gibt, die mehr als nur eine Nebenrolle innehaben.

Doch Moment! Wäre dies 1988, in der Zeit seiner Entstehung, überhaupt möglich gewesen? Ich persönlich bezweifle stark, dass eine Hollywood-Großproduktion wie diese eine Finanzierung erhalten hätte, wäre sie nicht mit so vielen bekannten und gefeierten (weißen) SchauspielerInnen besetzt gewesen. Zumal die Story – sogar für das als liberal geltende Hollywood – einige Risiken barg. Traurige Ironie der Geschichte: Auch im Film selbst stellt eine Figur süffisant fest, dass die ermittelnden FBI-Beamten gar nicht vor Ort wären, würde unter den Opfern des zu untersuchenden Mordes nicht auch ein weißes sein.

Macht dies „Mississippi Burning“ weniger relevant? Keinesfalls! Denn wie aktuelle Berichte und Nachrichten zeigen, sind Rassismus, Gewalt und Antisemitismus leider längst wieder in der Mitte der Gesellschaft angekommen, wenn oftmals auch in weniger offensichtlicher Form wie es der Film zeigt. Regisseur Parker gibt einzelnen Figuren zwar hier und da Raum für ein wenig charakterliche Tiefe, doch sein Hauptaugenmerk liegt eindeutig woanders: In immer kleiner werdenden Abständen attackieren Anhänger des Ku-Klux-Klans alles und jeden, der sich ihnen entgegenstellt – verbal, gewaltsam und später nicht einmal mehr im Verborgenen, wohlwissend, dass die Mehrheit in ihrem Umfeld ihre verquere Weltsicht teilt und eine Bestrafung, wenn überhaupt, milde ausfallen wird.

Inspiriert von wahren Ereignissen, greift „Mississippi Burning“ diese Tatsachen auf. Ja, das bedeutet auch, dass diese Ereignisse möglicherweise nicht alle in exakt dieser Weise geschehen sind. Doch ein wenig Recherche genügt um zu erfahren, dass zum Beispiel die im Film verkürzt dargestellte Gerichtsverhandlung dreier angeklagter Brandstifter synonym steht für die damals in einigen Landstrichen laxe Rechtsprechung gegenüber Klan-Mitgliedern. Auf der anderen Seite verzichtete Regisseur Parker sogar auf die Nennung weiterer offensichtlich rassistisch motivierter Morde, die in diesem Zeitraum vor Ort geschahen. Vielleicht auch, um seinem Publikum nicht noch mehr zuzumuten von der hässlichen Fratze des Rassismus.

Bei aller inhaltlichen Bitternis ist „Mississippi Burning“ aber vor allem eines: großartiges Schauspielkino! In den Hauptrollen begeistern dabei Willem Dafoe und Gene Hackman als ungleiches Ermittlerduo, die mit ihren sehr unterschiedlichen Methoden immer wieder aneinander geraten. Wie oben bereits erwähnt, hält das Skript nicht allzu viele ‚stille‘ Szenen für sie bereit, doch wie sie diese nutzen (ein Augenzwinkern hier, ein kleiner Seufzer dort), ist ein Genuss zu erleben. Frances McDormand erhielt für ihre Leistung die erste von unzähligen Oscar-Nominierungen (inzwischen nennt sie vier(!) der Goldjungen ihr eigen), während Profis wie Brad Dourif, R. Lee Ermey, Michael Rooker, Pruitt Taylor Vince oder auch Jigsaw in spe, Tobin Bell, in Nebenrollen glänzen.

Angenommen, „Mississippi Burning“ würde wie so viele andere 80er-Jahre-Filme ein Remake erhalten. Ja, es würde heute anders besetzt sein, sich mehr den Opfern als den Ermittlern zuwenden und das FBI sicherlich auch nicht so kritiklos agieren lassen wie hier noch zu sehen. Trotzdem: Als Zeitdokument mit ernstem Ansinnen und der nötigen Wut im Bauch ist und bleibt Alan Parkers Thriller ein wuchtiges, wichtiges Werk.

Die 4K Ultra HD/Blu-ray/DVD-Disc bietet den Film in englischer Original- und deutsch synchronisierter Sprachfassung. Deutsche und englische Untertitel sind optional vorhanden. Nur im Mediabook gibt es als Bonus diverse Interviews und Featurettes sowie ein informatives Booklet, verfasst von Tobias Hohmann. „Mississippi Burning“ erscheint bei capelight pictures im Vertrieb von Alive AG und ist seit 19. September 2024 auch digital erhältlich. (Packshot + stills: © Metro-Goldwyn-Mayer Studios Inc./capelight pictures)

Heimkino-Tipp: „Late Night with the Devil“ (2023)

Endlich: Bislang geheime TV-Aufzeichnung enthüllt!

Liebe Leute, ihr glaubt nicht, was ich entdeckt habe! Lange wollte es mir niemand glauben, nun endlich, nach vielen Jahren, gibt es den Videobeweis!

Aber der Reihe nach: Im Herbst 1977 war ich als Austauschschüler in den USA und hatte das große Glück, Eintrittskarten für die Late-Night-Show „Night Owls“ zu ergattern, über die ich zuvor schon viel gelesen und Spannendes gehört hatte. Es hieß, dass dort immer ganz besondere Gäste vorbeischauen würden und das war an jenem Abend nicht anders. Moderiert wurde das Ganze von David Dastmalchian alias Jack Delroy, dem ewigen Konkurrenten – und meiner Meinung nach besseren Moderator – von US-Talkshow-Ikone Johnny Carson.

Ihr könnt euch sicher vorstellen, wie groß meine Freude war, als ich erfuhr, dass ich ausgerechnet für die legendäre Halloween-Ausgabe der Show Karten bekommen würde. Ich also vorher in den örtlichen Kostümverleih, wo ich mir einen schwarzen Ganzkörperanzug mit weißer Skelettbemalung besorgte und dann schon auf dem Weg zum Sendestudio einige Kinder auf der Straße ordentlich erschreckte.

Das Tolle, wenn man bei einer Live-Aufzeichnung fürs TV mit dabei sein kann: Zu beobachten, was vor Beginn der Show und während der Werbepausen so alles auf und neben der Bühne geschieht: Die Kameramänner werden instruiert, die Schweinwerfer in die richtige Position gebracht und der Moderator wird ständig gepudert. Als es dann endlich losging, wurde ich derart ‚prominent‘ platziert, dass ich im Verlauf der Sendung sogar mehrmals frontal von der Kamera gefilmt wurde! Es gab sogar einen Moment, in dem mich Jack direkt ansprach, nur war ich so verdattert, dass ich kein Wort über die Lippen brachte. Das sollte sich für den Rest der Nacht dann auch nicht mehr ändern. Denn was dann geschah, war ... unbeschreiblich.

Ich will es trotzdem probieren: Zu Gast waren ein sogenanntes Medium, also ein Mann (Fayssal Bazzi), der behauptete, Tote wahrnehmen zu können (der musste dann im Verlauf der Sendung sogar medizinisch betreut werden). Dann war da noch ein Magier (Ian Bliss), der jedoch ständig dazwischen quatschte und alles und jeden kritisierte – ein fürchterlich nervender Kerl! Und schließlich die Ärztin Dr. Ross-Mitchell (Laura Gordon) mit ihrer Patientin Lilly (Ingrid Torelli) – ein sehr seltsames junges Mädchen. Die bekamen dann noch einen Extra-Auftritt – und ab da wurde es kurios.

Aber ich will hier gar nicht zu viel erzählen, da ihr mir wahrscheinlich ohnehin (wieder) nicht glauben werdet. Daher schaut es euch selbst an! Nicht irritieren lassen: Vielleicht wirkt diese Aufnahme auf den ersten Blick etwas antiquiert, aber es ist halt eine Fernsehaufzeichnung aus dem Jahre 1977 – da hatte das alles noch einen anderen Look. Ich persönlich mochte den jedenfalls sehr, wie ohnehin die gesamte Ausstattung des Studios.

Auch bin ich beeindruckt, wie die Kameramänner das alles eingefangen haben. Die wussten ganz genau, in welche Richtung sie filmen müssen, um alles auf Band zu kriegen. Die haben sogar Dinge aufgenommen, die ich gar nicht mitbekommen hatte – obwohl ich live dabei war! Falls jemand von euch nun behauptet, dies sei alles Fake und der Moderator hätte all das, was passiert ist, vorher gewusst, denen möchte ich sagen: So gut kann man nicht schauspielern! Der war genau so schockiert wie wir im Publikum. Dass der danach nie wieder eine Show gemacht hat, wundert mich keineswegs!

Ich hoffe sehr, dass ich nun endlich mein Trauma von dieser Nacht überwinden kann, jetzt, wo ich es nochmal sehen konnte und die Welt mir endlich glauben wird, dass mein Abend bei „Night Owls“ und damit verbunden nun auch das Filmdokument „Late Night with the Devil“ etwas ist, was man nicht so schnell vergessen wird.

Die 4K Ultra HD/Blu-ray/DVD-Disc bietet den Film in englischer Original- und deutsch synchronisierter Sprachfassung. Deutsche Untertitel sind optional vorhanden. Als Bonus auf der Blu-ray gibt es ein kurzes Making of, einen Blick hinter die Kulissen beim Dreh, Trailer sowie – als besonderes Schmankerl – die komplette „Halloween“-Folge der Late-Night-Show als ungekürzten Videotape-Mitschnitt, ohne die Filmhandlung drumherum. Großartig!

Gleiches gilt auch für die Aufmachung es Mediabooks: Statt wie üblich ‚nur‘ etwas Hintergrundinformationen zu bieten, ist dieses Büchlein wie eine amerikanische TV-Zeitschrift anno 1977 gestaltet, inklusive Werbeanzeigen und Filmtipps der Woche. Ganz ganz großes Kino!

„Late Night with the Devil“ erscheint bei capelight pictures im Vertrieb von Alive AG und ist seit 19. September 2024 auch digital erhältlich. (Packshot + stills: © 74 Future Pictures & Spooky Pictures / capelight pictures)