Schön, wenn ein Kinojahr gleich am ersten Tag solch eine Perle bereithält. Meine komplette Lobhudelei dazu gibt es HIER.
(Bild: © 2013 Twentieth Century Fox)
Liebe Filmfreunde!
Ein halbes Dutzend Kinoneustarts wöchentlich und unzählige Heimkino-Veröffentlichungen machen es heutzutage nicht leicht, „cineastische Perlen“ zu entdecken. Ob Rezensionen da helfen? Ich weiß es nicht, trotzdem will ich hier meinen Senf zum Thema Film & Kino dazugeben, möchte es wagen Neues zu loben, Klassiker zu verdammen, Aktuelles zu verteufeln, Altes zu empfehlen.
Und wer weiß: Vielleicht entdecken Sie so Ihren neuen Lieblingsfilm?
... im Nachgang: „Fack ju Göhte“ (Kinostart: 7. November 2013)
Eine deutsche Erfolgsgeschichte oder: Wie ich lernte, „Fack ju Göhte“ zu lieben. Alles weitere HIER.
(Bild: © 2013 Constantin Film Verleih GmbH)
(Bild: © 2013 Constantin Film Verleih GmbH)
Heimkino-Tipp: „Zwei wie Pech und Schwefel“ (1974)
Im Jahr 1974 waren Bud Spencer und Terence Hill längst keine Unbekannten mehr: Nach relativ ernst gehaltenen filmischen Anfängen erkannte man zunehmend das komödiantische Potenzial des Duos und würzte ihre gemeinsamen Abenteuer sukzessive mit überlangen, völlig übertriebenen und dabei jedoch stets witzigen Prügelszenen, die neben den (vor allem in den deutschen Synchronisationen vorhandenen) flotten Sprüchen ihr Markenzeichen werden sollten.
„Zwei wie Pech und Schwefel“ entstand nach den phänomenalen Erfolgen „Die rechte und die linke Hand des Teufels“ (1970), dessen Fortsetzung „Vier Fäuste für ein Halleluja“ (1971) sowie „Zwei Himmelhunde auf dem Weg zur Hölle“ (1972) und wagte sich noch viel weiter als seine Vorgänger auf albernes Terrain. Überzeichnete Figuren, eine absurde Prämisse und Bösewichter, die aufgrund ihrer Dämlichkeit diesen Titel gar nicht verdient hätten, machen Marcello Fondatos Komödie zu einem unterhaltsamen Fan-Spaß.
Ben (Spencer) und Kid (Hill) fahren bei einem Crash Car-Rennen im selben Moment über die Ziellinie. Folglich müssen sie sich den Gewinn, einen Strandbuggy, teilen. Da das beiden erwartungsgemäß nicht gefällt, soll ein Wettessen die Entscheidung bringen. Der Schlägertrupp eines örtlichen Gangsters, genannt „The Boss“, unterbricht die Chose allerdings und zerstört bei der Gelegenheit gleich noch den Buggy. Die Folge: Ben und Kid suchen den „Boss“ auf und fordern Ersatz. Als dieser sich weigert, knöpfen sich Ben und Kid die Truppe auf ihre Art vor.
Das beigefügte Booklet zur Blu-ray verrät, dass „Zwei wie Pech und Schwefel“ ca. vier Millionen Besucher in die (west-)deutschen Kinos locken konnte – Zahlen, von denen viele Verleihe bis auf wenige Ausnahmen heute nur noch träumen können. Damit zählt der Streifen zwar nicht zu den erfolgreichsten Spencer/Hill-Produktionen, schnitt dafür aber sehr viel besser ab als beispielsweise „Aladin“, den Spencer 1986 ebenfalls mit Regisseur Fondato realisierte – und mit 150.000 Zuschauern im Kino völlig unterging.
Das Booklet ist übrigens auch der einzige Kritikpunkt in einer ansonsten wieder gelungenen Neuveröffentlichung eines Spencer/Hill-Films auf Blu-ray: So sehr ich die zahlreichen darin enthaltenen Informationen schätze, die den Autor selbst als Fan entlarven (so beschreibt er Spencer an einer Stelle als „unser hünenhafter Held“, an anderer Stelle nennt er ihn nur bei seinem Klarnamen Carlo) – Kommasetzung und Sprachduktus holpern an einigen Stellen und sollten im nächsten Booklet noch einmal gegengelesen werden.
Ansonsten ist das Bild – obwohl etwas gezoomt im Gegensatz zur DVD-Fassung – für die blaue Scheibe qualitativ noch einmal verbessert worden und bietet den Film erstmalig auch in der originalen italienischen Sprachfassung. Sehr löblich!
Die Blu-ray präsentiert den Film in deutscher, englischer und italienischer Sprachfassung (mit deutschen Untertiteln). Als Extras gibt es Trailer, Fotogalerien sowie in der Erstauflage ein Booklet mit Hintergrundinfos zur Entstehung. „Zwei wie Pech und Schwefel“ erscheint bei 3L Vertriebs GmbH & Co. KG und ist seit 23. Januar erhältlich. (Packshot: © 3L)
„Zwei wie Pech und Schwefel“ entstand nach den phänomenalen Erfolgen „Die rechte und die linke Hand des Teufels“ (1970), dessen Fortsetzung „Vier Fäuste für ein Halleluja“ (1971) sowie „Zwei Himmelhunde auf dem Weg zur Hölle“ (1972) und wagte sich noch viel weiter als seine Vorgänger auf albernes Terrain. Überzeichnete Figuren, eine absurde Prämisse und Bösewichter, die aufgrund ihrer Dämlichkeit diesen Titel gar nicht verdient hätten, machen Marcello Fondatos Komödie zu einem unterhaltsamen Fan-Spaß.
Ben (Spencer) und Kid (Hill) fahren bei einem Crash Car-Rennen im selben Moment über die Ziellinie. Folglich müssen sie sich den Gewinn, einen Strandbuggy, teilen. Da das beiden erwartungsgemäß nicht gefällt, soll ein Wettessen die Entscheidung bringen. Der Schlägertrupp eines örtlichen Gangsters, genannt „The Boss“, unterbricht die Chose allerdings und zerstört bei der Gelegenheit gleich noch den Buggy. Die Folge: Ben und Kid suchen den „Boss“ auf und fordern Ersatz. Als dieser sich weigert, knöpfen sich Ben und Kid die Truppe auf ihre Art vor.
Das beigefügte Booklet zur Blu-ray verrät, dass „Zwei wie Pech und Schwefel“ ca. vier Millionen Besucher in die (west-)deutschen Kinos locken konnte – Zahlen, von denen viele Verleihe bis auf wenige Ausnahmen heute nur noch träumen können. Damit zählt der Streifen zwar nicht zu den erfolgreichsten Spencer/Hill-Produktionen, schnitt dafür aber sehr viel besser ab als beispielsweise „Aladin“, den Spencer 1986 ebenfalls mit Regisseur Fondato realisierte – und mit 150.000 Zuschauern im Kino völlig unterging.
Das Booklet ist übrigens auch der einzige Kritikpunkt in einer ansonsten wieder gelungenen Neuveröffentlichung eines Spencer/Hill-Films auf Blu-ray: So sehr ich die zahlreichen darin enthaltenen Informationen schätze, die den Autor selbst als Fan entlarven (so beschreibt er Spencer an einer Stelle als „unser hünenhafter Held“, an anderer Stelle nennt er ihn nur bei seinem Klarnamen Carlo) – Kommasetzung und Sprachduktus holpern an einigen Stellen und sollten im nächsten Booklet noch einmal gegengelesen werden.
Ansonsten ist das Bild – obwohl etwas gezoomt im Gegensatz zur DVD-Fassung – für die blaue Scheibe qualitativ noch einmal verbessert worden und bietet den Film erstmalig auch in der originalen italienischen Sprachfassung. Sehr löblich!
Die Blu-ray präsentiert den Film in deutscher, englischer und italienischer Sprachfassung (mit deutschen Untertiteln). Als Extras gibt es Trailer, Fotogalerien sowie in der Erstauflage ein Booklet mit Hintergrundinfos zur Entstehung. „Zwei wie Pech und Schwefel“ erscheint bei 3L Vertriebs GmbH & Co. KG und ist seit 23. Januar erhältlich. (Packshot: © 3L)
Heimkino-Tipp: „Devil’s Pass“ (2013)
Die Skepsis war groß angesichts der Tatsache, dass es sich bei Renny Harlins neuem Werk „Devil’s Pass“ um einen weiteren Vertreter der sogenannten Found-Footage-Filme handelt: Absichtlich im Amateurstil gehaltene Aufnahmen, die suggerieren sollen, Dokumentarfilmmaterial zu sehen, häufig aufgefunden am Ort eines Verbrechens oder als letztes Überbleibsel einer Expedition. Zwar bleibt auch „Devil’s Pass“ diesem Konzept treu, geht dabei aber bei weitem professioneller vor als viele andere Genrevertreter.
Ein Grund hierfür ist schon dank der Prämisse gegeben: Die Geschichte wird aus Sicht von fünf Filmstudenten erzählt, die tatsächlich als solche zu erkennen sind: Statt Handyvideos und Mini-Camcordern nutzen sie richtiges Filmcrew-Equipment, gönnen sich sogar ein „boom mic“, ein Stangenmikrofon, und haben offenbar viel Vorwissen, was die Inszenierungsweise angeht. Natürlich ist dies alles nur eine gutgemachte Täuschung vor den Augen des Publikums, erleichtert aber den Sehgenuss und erspart dem Zuschauer nerviges Rumgewackel der Kamera.
Die Studenten wollen herausfinden, was es mit dem mysteriösen (realen) „Unglück am Djatlow-Pass“ im Ural-Gebirge 1959 auf sich hat: Eine Gruppe junger Wanderer verlor dabei unter bis heute ungeklärten Umständen ihr Leben, wobei die Spuren am Fundort ebenso wie der Zustand der Leichen für viele Spekulationen sorgten. So waren die Zelte von innen aufgeschlitzt, die Personen nur leicht bekleidet bzw. barfuß (bei bis zu -30°C!) unterwegs und einige schwer verletzt, ohne jedoch äußerliche Wunden aufzuweisen. Nach einem kurzen Zwischenstopp in einem kleinen Ort nahe dem Gebirge machen sich die fünf Filmfreaks schließlich auf den Weg zum Unglücksort. Schneller als erwartet dort angekommen, schlagen sie ihr Nachtlager auf – und erleben in den folgenden Stunden den blanken Horror.
In den ersten 45 Minuten folgt Regisseur Renny Harlin den üblichen Pfaden gleichartiger Horrorfilmchen: Fünf Charaktere, die mehr oder weniger zusammen harmonieren, reisen zunächst voller Elan nach Russland und überhören auf dem Weg zum Ziel zwei Warnungen, die Schlimmes befürchten lassen. Und auch die obligatorische Sexszene kurz vor Beginn des Terrors darf natürlich nicht fehlen, wobei Harlin dies glücklicherweise schnell abfrühstückt, um anschließend 30 Minuten lang wirklich gutes Gruselkino zu präsentieren. Hier zeigt er, was er als Filmemacher draufhat, vermischt gekonnt reale Fakten mit historischen Berichten sowie eigenen Drehbuchideen und lässt wirklich kaum Zeit zum Luftholen – bis er zur letzten Viertelstunde die Katze ausm Sack holt und ein Finale kredenzt, das dem Vorangegangenen in meinen Augen leider nicht gerecht wird.
Zum unbefriedigenden Ende gesellen sich zudem ein formaler und ein inhaltlicher Patzer: Wie kann es sein, dass das hier gezeigte ‚gefundene Filmmaterial‘ bereits so fehlerlos – und in einer Szene gar aus zwei verschiedenen Kameras – zusammengeschnitten ist? Und warum gibt es in Momenten größter Not, Angst und Lebensgefahr immer mindestens einen Beteiligten, der statt seinen Freunden zu helfen lieber die Kamera draufhält? Eine Frage, die mir bisher noch kein „Found-Footage-Film“ beantworten konnte.
Nichtsdestotrotz ist „Devil’s Pass“ einen Blick wert und für Fans von Gruselfilmen sicherlich keine schlechte Wahl. Im Filmgenre des Found-Footage qualitativ hochwertig, im Horrorfilmgenre allerdings nur Mittelmaß.
P.S.: Wer den Film schauen möchte, sollte den Trailer meiden…
Die DVD/Blu-ray bietet den Film in deutsch synchronisierter und englischer Originalsprachfassung sowie optionale deutsche Untertitel. Im Bonusteil finden sich ein zehnminütiges Making of sowie diverse Trailer. „Devil’s Pass“ erscheint bei Elite Film AG (Ascot Elite) und ist ab 28. Januar erhältlich. (Packshot: © Ascot Elite)
Ein Grund hierfür ist schon dank der Prämisse gegeben: Die Geschichte wird aus Sicht von fünf Filmstudenten erzählt, die tatsächlich als solche zu erkennen sind: Statt Handyvideos und Mini-Camcordern nutzen sie richtiges Filmcrew-Equipment, gönnen sich sogar ein „boom mic“, ein Stangenmikrofon, und haben offenbar viel Vorwissen, was die Inszenierungsweise angeht. Natürlich ist dies alles nur eine gutgemachte Täuschung vor den Augen des Publikums, erleichtert aber den Sehgenuss und erspart dem Zuschauer nerviges Rumgewackel der Kamera.
Die Studenten wollen herausfinden, was es mit dem mysteriösen (realen) „Unglück am Djatlow-Pass“ im Ural-Gebirge 1959 auf sich hat: Eine Gruppe junger Wanderer verlor dabei unter bis heute ungeklärten Umständen ihr Leben, wobei die Spuren am Fundort ebenso wie der Zustand der Leichen für viele Spekulationen sorgten. So waren die Zelte von innen aufgeschlitzt, die Personen nur leicht bekleidet bzw. barfuß (bei bis zu -30°C!) unterwegs und einige schwer verletzt, ohne jedoch äußerliche Wunden aufzuweisen. Nach einem kurzen Zwischenstopp in einem kleinen Ort nahe dem Gebirge machen sich die fünf Filmfreaks schließlich auf den Weg zum Unglücksort. Schneller als erwartet dort angekommen, schlagen sie ihr Nachtlager auf – und erleben in den folgenden Stunden den blanken Horror.
In den ersten 45 Minuten folgt Regisseur Renny Harlin den üblichen Pfaden gleichartiger Horrorfilmchen: Fünf Charaktere, die mehr oder weniger zusammen harmonieren, reisen zunächst voller Elan nach Russland und überhören auf dem Weg zum Ziel zwei Warnungen, die Schlimmes befürchten lassen. Und auch die obligatorische Sexszene kurz vor Beginn des Terrors darf natürlich nicht fehlen, wobei Harlin dies glücklicherweise schnell abfrühstückt, um anschließend 30 Minuten lang wirklich gutes Gruselkino zu präsentieren. Hier zeigt er, was er als Filmemacher draufhat, vermischt gekonnt reale Fakten mit historischen Berichten sowie eigenen Drehbuchideen und lässt wirklich kaum Zeit zum Luftholen – bis er zur letzten Viertelstunde die Katze ausm Sack holt und ein Finale kredenzt, das dem Vorangegangenen in meinen Augen leider nicht gerecht wird.
Zum unbefriedigenden Ende gesellen sich zudem ein formaler und ein inhaltlicher Patzer: Wie kann es sein, dass das hier gezeigte ‚gefundene Filmmaterial‘ bereits so fehlerlos – und in einer Szene gar aus zwei verschiedenen Kameras – zusammengeschnitten ist? Und warum gibt es in Momenten größter Not, Angst und Lebensgefahr immer mindestens einen Beteiligten, der statt seinen Freunden zu helfen lieber die Kamera draufhält? Eine Frage, die mir bisher noch kein „Found-Footage-Film“ beantworten konnte.
Nichtsdestotrotz ist „Devil’s Pass“ einen Blick wert und für Fans von Gruselfilmen sicherlich keine schlechte Wahl. Im Filmgenre des Found-Footage qualitativ hochwertig, im Horrorfilmgenre allerdings nur Mittelmaß.
P.S.: Wer den Film schauen möchte, sollte den Trailer meiden…
Die DVD/Blu-ray bietet den Film in deutsch synchronisierter und englischer Originalsprachfassung sowie optionale deutsche Untertitel. Im Bonusteil finden sich ein zehnminütiges Making of sowie diverse Trailer. „Devil’s Pass“ erscheint bei Elite Film AG (Ascot Elite) und ist ab 28. Januar erhältlich. (Packshot: © Ascot Elite)
Heimkino-Tipp: „Laurence Anyways“ (2012)
Das Erste, was auffällt, ist das Bildformat: Nicht aufgrund von Schlamperei bei der DVD-/Blu-ray-Pressung, sondern auf Wunsch des Regisseurs gibt es „Laurence Anyways“ nur in Vollbild. Ein wenig gewöhnungsbedürftig ist das für ein Werk aus dem Jahr 2012 schon, aus künstlerischer Sicht aber nicht ohne Hintergedanken.
Verantwortlich für diese kleine formatbezogene Konterrevolution ist der Kanadier Xavier Dolan, der bei der Veröffentlichung von „Laurence Anyways“ gerade einmal 23 Jahre alt war. Es war nach „I killed my Mother“ (2009) und „Herzensbrecher“ (2010) bereits sein dritter Spielfilm, den er, begleitet von großem Jubel, in Cannes präsentieren durfte. Daher: – ja, sagen wir es deutlich – Dolan ist ein Regiewunderkind. Und auch wenn man seine beiden vorherigen Arbeiten nicht kennt, ist nach wenigen Augenblicken von „Laurence Anyways“ klar, dass hier ein Filmemacher am Werk ist, der schon jetzt mühelos mit den ganz Großen seines Fachs mithalten kann.
In seinem Drama begleitet Dolan eine Dekade lang die Liebesgeschichte des jungen Paares Laurence (Melvil Poupaud) und Fred (Suzanne Clément). Fokussiert auf die Jahre 1989 bis 1999 zeigt er die Auf und Abs einer Beziehung zweier Rebellen, die sich trotz ihrer optischen Unangepasstheit bevorzugt im Intellektuellen-Milieu Montreals bewegen, chaotisch und wild erscheinen und dabei aber vor allem eines sind: unsterblich ineinander verliebt. Das alles scheint vorüber, als Laurence seiner Fred ein lang verborgenes Geheimnis gesteht: Er will eine Frau werden – und trotzdem mit ihr zusammenbleiben.
Zweieinhalb Stunden nimmt sich Dolan für sein Beziehungsexperiment Zeit, schmeißt unterschiedlichste Stilmittel und Musikstücke quer über die Leinwand, widmet sich den Reaktionen des familiären sowie beruflichen Umfelds ebenso wie der langsamen Verwandlung von Laurence, und schickt seine beiden Hauptdarsteller auf eine schauspielerische Tour de Force. Die Bilder strotzen nur so vor Energie, gleichzeitig sind die auftretenden Charaktere unübersehbar konstruiert, aber dennoch wahrhaftig.
Denn genau darum geht es Dolan mit seinem Liebesepos: Der Frage nach der Wahrhaftigkeit der Aussage „Ich liebe dich!“: Woran macht sie sich fest? Dem Charakter eines Menschen, seinem Aussehen, seiner sexuellen Orientierung oder seinem Geschlecht? Ist es der Körper, den wir lieben, oder das, was er umgibt, die Seele, das Innerste? All das lässt Dolan auf Laurence und Fred – welch femininer Name, nicht? – hinabstürzen, lässt sie zanken, schreien, schweigen, ausflippen, leiden, lieben, zerbrechen. Ein Wechselbad der Gefühle quasi, das in den optischen Spielereien seinen visuellen Gegenpol findet. So dient ihm das Vollbild einerseits immer wieder für Close-Ups seiner Helden, andererseits als Reminiszenz an die Videoclip-Ästhetik der 1990er-Jahre.
Ganz klar, „Laurence Anyways“ fordert sein Publikum ebenso wie seine Akteure, reißt mit, verstört, nervt mitunter vielleicht mit ein paar Exzentrikern zuviel. Zu lang ist der Film wider Erwarten jedoch keinesfalls, vielmehr entsteht der Eindruck, noch nicht am Ende der Geschichte von Laurence und Fred angekommen zu sein. Über 50 Minuten an gestrichenen Szenen im Bonusmaterial bestätigen dies.
Ergo: Dolans dritter Streich festigt seinen Ruf als Ausnahmeregisseur, der sich nicht um Konventionen schert und Bereitschaft von seinen Zuschauern erwartet, seine filmischen Trips unvoreingenommen zu begleiten. Oder, um es mit dem Lieblingshasswort von Laurence und Fred zu formulieren: „Das ist speziell!“
Die (Doppel-)DVD/Blu-ray bietet den Film in deutsch synchronisierter und französischer Originalsprachfassung mit deutschen Untertiteln. Als Bonusmaterial gibt es über 50 Minuten an zusätzlichen Szenen, Promo-Clips sowie Trailer. „Laurence Anyways“ erscheint bei NFP marketing & distribution im Vertrieb von EuroVideo und ist ab 23. Januar erhältlich. (Packshot + Bilder: © EuroVideo)
Verantwortlich für diese kleine formatbezogene Konterrevolution ist der Kanadier Xavier Dolan, der bei der Veröffentlichung von „Laurence Anyways“ gerade einmal 23 Jahre alt war. Es war nach „I killed my Mother“ (2009) und „Herzensbrecher“ (2010) bereits sein dritter Spielfilm, den er, begleitet von großem Jubel, in Cannes präsentieren durfte. Daher: – ja, sagen wir es deutlich – Dolan ist ein Regiewunderkind. Und auch wenn man seine beiden vorherigen Arbeiten nicht kennt, ist nach wenigen Augenblicken von „Laurence Anyways“ klar, dass hier ein Filmemacher am Werk ist, der schon jetzt mühelos mit den ganz Großen seines Fachs mithalten kann.
In seinem Drama begleitet Dolan eine Dekade lang die Liebesgeschichte des jungen Paares Laurence (Melvil Poupaud) und Fred (Suzanne Clément). Fokussiert auf die Jahre 1989 bis 1999 zeigt er die Auf und Abs einer Beziehung zweier Rebellen, die sich trotz ihrer optischen Unangepasstheit bevorzugt im Intellektuellen-Milieu Montreals bewegen, chaotisch und wild erscheinen und dabei aber vor allem eines sind: unsterblich ineinander verliebt. Das alles scheint vorüber, als Laurence seiner Fred ein lang verborgenes Geheimnis gesteht: Er will eine Frau werden – und trotzdem mit ihr zusammenbleiben.
Zweieinhalb Stunden nimmt sich Dolan für sein Beziehungsexperiment Zeit, schmeißt unterschiedlichste Stilmittel und Musikstücke quer über die Leinwand, widmet sich den Reaktionen des familiären sowie beruflichen Umfelds ebenso wie der langsamen Verwandlung von Laurence, und schickt seine beiden Hauptdarsteller auf eine schauspielerische Tour de Force. Die Bilder strotzen nur so vor Energie, gleichzeitig sind die auftretenden Charaktere unübersehbar konstruiert, aber dennoch wahrhaftig.
Denn genau darum geht es Dolan mit seinem Liebesepos: Der Frage nach der Wahrhaftigkeit der Aussage „Ich liebe dich!“: Woran macht sie sich fest? Dem Charakter eines Menschen, seinem Aussehen, seiner sexuellen Orientierung oder seinem Geschlecht? Ist es der Körper, den wir lieben, oder das, was er umgibt, die Seele, das Innerste? All das lässt Dolan auf Laurence und Fred – welch femininer Name, nicht? – hinabstürzen, lässt sie zanken, schreien, schweigen, ausflippen, leiden, lieben, zerbrechen. Ein Wechselbad der Gefühle quasi, das in den optischen Spielereien seinen visuellen Gegenpol findet. So dient ihm das Vollbild einerseits immer wieder für Close-Ups seiner Helden, andererseits als Reminiszenz an die Videoclip-Ästhetik der 1990er-Jahre.
Ganz klar, „Laurence Anyways“ fordert sein Publikum ebenso wie seine Akteure, reißt mit, verstört, nervt mitunter vielleicht mit ein paar Exzentrikern zuviel. Zu lang ist der Film wider Erwarten jedoch keinesfalls, vielmehr entsteht der Eindruck, noch nicht am Ende der Geschichte von Laurence und Fred angekommen zu sein. Über 50 Minuten an gestrichenen Szenen im Bonusmaterial bestätigen dies.
Ergo: Dolans dritter Streich festigt seinen Ruf als Ausnahmeregisseur, der sich nicht um Konventionen schert und Bereitschaft von seinen Zuschauern erwartet, seine filmischen Trips unvoreingenommen zu begleiten. Oder, um es mit dem Lieblingshasswort von Laurence und Fred zu formulieren: „Das ist speziell!“
Die (Doppel-)DVD/Blu-ray bietet den Film in deutsch synchronisierter und französischer Originalsprachfassung mit deutschen Untertiteln. Als Bonusmaterial gibt es über 50 Minuten an zusätzlichen Szenen, Promo-Clips sowie Trailer. „Laurence Anyways“ erscheint bei NFP marketing & distribution im Vertrieb von EuroVideo und ist ab 23. Januar erhältlich. (Packshot + Bilder: © EuroVideo)
„Nebraska“ (Kinostart: 16. Januar 2014)
Deine unbekannte Familie
Alexander Payne hat ganz offensichtlich ein Faible für sogenannte Roadmovies: Nach „About Schmidt“ und „Sideways“ schickt der Regisseur nun Bruce Dern alias Woody auf eine Reise nach „Nebraska“. Quasi im Schlepptau hat der alte Mann seinen Sohn David (Will Forte), der ihn eher unfreiwillig begleitet. Gutes Zureden und andere Versuche, den grantigen Rentner von dem Trip abzuhalten, halfen nix – Woody ist fest davon überzeugt, in Nebraska warte ein Millionengewinn auf ihn. Dass es sich bei dem Brief nur um eine Werbeaktion handelt, will er weder seiner Frau Kate (June Squibb) noch seinen Kindern glauben. Zähneknirschend reist David also mit und macht so nicht nur Bekanntschaft mit den Orten von seines Vaters’ Jugend, sondern ebenso mit zahlreichen Verwandten, die sie auf ihrem Weg besuchen. Dabei erfährt der verblüffte Junior etliches, was er über seine Eltern noch nicht wusste.
Passend zur Thematik in wunderbaren schwarz-weiß-Bildern eingefangen, erzählt „Nebraska“ von einer tragikomischen Reise in die Vergangenheit, die nicht nur Woodys Nachwuchs staunen lässt. Denn je mehr Zeit der Zuschauer mit Familie Grant verbringt, umso liebreizender erscheinen die anfangs eigenbrötlerischen Charaktere. Wie Regisseur Payne diese warmherzigen Figuren mit zunehmender Laufzeit aus ihren Schneckenhäusern schält, ist ganz großes Kino – und bescherte Hauptdarsteller Dern bereits in Cannes die Auszeichnung als „Bester Darsteller“ 2013. Abseits des Trios hinterlässt vor allem der heute 72-jährige Stacy Keach („Mike Hammer“) bleibenden Eindruck als Woodys Nemesis: Sein Ed Pegram ist nur einer von vielen, die den angeblichen neuen Wohlstand ihres einstigen Kumpels für ihre Zwecke nutzen und offene Rechnungen begleichen wollen.
„Nebraska“ ist ein ruhig erzählter, pointiert geschriebener und herausragend gespielter Film, der trotz aller Melancholie das Herz springen lässt – und die cineastische Messlatte für alles Kommende im Jahr 2014 schon jetzt ziemlich hoch legt.
Aus dem „Meißner Tageblatt“ vom 15. Januar 2014.
(Bild: © Paramount Pictures).
Alexander Payne hat ganz offensichtlich ein Faible für sogenannte Roadmovies: Nach „About Schmidt“ und „Sideways“ schickt der Regisseur nun Bruce Dern alias Woody auf eine Reise nach „Nebraska“. Quasi im Schlepptau hat der alte Mann seinen Sohn David (Will Forte), der ihn eher unfreiwillig begleitet. Gutes Zureden und andere Versuche, den grantigen Rentner von dem Trip abzuhalten, halfen nix – Woody ist fest davon überzeugt, in Nebraska warte ein Millionengewinn auf ihn. Dass es sich bei dem Brief nur um eine Werbeaktion handelt, will er weder seiner Frau Kate (June Squibb) noch seinen Kindern glauben. Zähneknirschend reist David also mit und macht so nicht nur Bekanntschaft mit den Orten von seines Vaters’ Jugend, sondern ebenso mit zahlreichen Verwandten, die sie auf ihrem Weg besuchen. Dabei erfährt der verblüffte Junior etliches, was er über seine Eltern noch nicht wusste.
Passend zur Thematik in wunderbaren schwarz-weiß-Bildern eingefangen, erzählt „Nebraska“ von einer tragikomischen Reise in die Vergangenheit, die nicht nur Woodys Nachwuchs staunen lässt. Denn je mehr Zeit der Zuschauer mit Familie Grant verbringt, umso liebreizender erscheinen die anfangs eigenbrötlerischen Charaktere. Wie Regisseur Payne diese warmherzigen Figuren mit zunehmender Laufzeit aus ihren Schneckenhäusern schält, ist ganz großes Kino – und bescherte Hauptdarsteller Dern bereits in Cannes die Auszeichnung als „Bester Darsteller“ 2013. Abseits des Trios hinterlässt vor allem der heute 72-jährige Stacy Keach („Mike Hammer“) bleibenden Eindruck als Woodys Nemesis: Sein Ed Pegram ist nur einer von vielen, die den angeblichen neuen Wohlstand ihres einstigen Kumpels für ihre Zwecke nutzen und offene Rechnungen begleichen wollen.
„Nebraska“ ist ein ruhig erzählter, pointiert geschriebener und herausragend gespielter Film, der trotz aller Melancholie das Herz springen lässt – und die cineastische Messlatte für alles Kommende im Jahr 2014 schon jetzt ziemlich hoch legt.
Aus dem „Meißner Tageblatt“ vom 15. Januar 2014.
(Bild: © Paramount Pictures).
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