4. Zurich Film Festival (25.9.-5.10.2008)


Ungläubiges Kopfschütteln und das hässliche Wort „Lügner“ sind die gängigen Reaktionen, wenn ich in geselliger Runde vom wohl prägendsten Kinobesuch meiner Kindheit berichte: Gerade mal sechs oder sieben Jahre hatte ich verlebt, als ich in Ungarn zu einem Arnold-Schwarzenegger-Film mitgeschleift wurde. „Phantom-Commando“ hieß der Streifen, der in seiner ungekürzten Form in Deutschland noch heute nur von Personen „ab 18“ geschaut werden darf und ein Musterbeispiel für jene sinnentleerten, aber dennoch wunderbar unterhaltenden Actionstreifen darstellt, die in den 1980er Jahren mit Arnie, Stallone & Co. in den Hauptrollen produziert wurden.
Prägend insofern, da ich seit dieser Zeit ein Fan von Sylvester Stallone bin, den ich nun beim Zurich Film Festival zum ersten Mal „live“ sehen durfte. Zugegeben, es gibt tatsächlich sinnvollere Möglichkeiten, Zeit und Fahrgeld zu verprassen. Doch wenn es mir zudem ermöglicht, zwei sehr liebe Freunde in der Schweiz zu besuchen (an dieser Stelle noch einmal ein herzliches und großes Dankeschön an „Arnika“), ist der Aufwand in jedem Falle gerechtfertigt.

In etwas mehr als einer Woche zeigen die Macher (darunter Schauspieler Antoine Monet, Jr.) mehr als 70 Schweizer-, Europa-, internationale oder Weltpremieren, begrüßen Prominenz aus dem In- und Ausland und ehr(t)en Sylvester Stallone mit dem „Golden Icon Award“ für sein Lebenswerk. Als Jurypräsident für die Wettbewerbsfilme fungiert Peter Fonda, Regisseure wie Andreas Dresen oder Bent Hamer stellen sich in sogenannten „Master Class“-Seminaren den Fragen des Nachwuchses oder präsentieren mit anderen Kollegen wie Kathryn Bigelow, Fernando Meirelles, Joel & Ethan Coen und D.J. Caruso ihre neuesten Werke. Für ein so junges Festival ein Menge Berühmtheiten, für Filmliebhaber gleichzeitig ein sehr abwechslungsreiches und spannendes Programm.

Stallone selbst traf bereits am zweiten Wettbewerbstag ein, um seinen Preis persönlich in Empfang zu nehmen. Eines der beiden Festivalkinos, das „corso“ – übrigens ein sehr eigenwilliges, wunderbar gestaltetes Lichtspielhaus -, widmete seinem Stargast dazu eine kleine Retrospektive, für jüngere Fans die perfekte Gelegenheit, Klassiker wie „Rocky“ oder „First Blood“, Teil eins der Ramboserie, auf großer Leinwand zu bewundern.

Das Benehmen der Journalisten am Roten Teppich gestaltete sich überraschend friedfertig, auch wenn einzelne Personen mit Presseausweis dann doch die Beherrschung verloren und einigen Kollegen der schreibenden Zunft (mich eingeschlossen) somit die Chance auf ein zuvor zugesichertes Interview nahmen. Bei der anschließenden Begrüßung des Hollywood-Heroen im Saal gehörte Stallone dann ganz dem Publikum, Presse war nur zu Beginn für wenige Minuten zugelassen. Und auch hier zeigte sich wieder ein Phänomen, das gleichzeitig beängstigend als auch anerkennend wirkte: Wo immer Sylvester Stallone auftritt, hört man das Publikum entweder „Rocky“ oder „Rambo“ aus vollster Kehle schreien. Kaum ein anderer Schauspieler wird so mit seinen Rollen identifiziert wie Stallone, kaum ein anderer hat andererseits so erfolgreich alles getan, um eben jene Rollen für immer im zeitgeschichtlichen Filmgedächtnis zu platzieren. So sind es dann auch vor allem die Charaktere „Rocky Balboa“ und „John Rambo“, die der Laudator in seiner leider etwas schlampig recherchierten Rede immer wieder nennt.

Nach fünf Minuten ist alles vorbei, Stallone bedankt sich artig, gibt ein paar Anekdoten preis und verschwindet noch vor dem Hauptfilm, „Rocky Balboa“, aus dem Saal. Etwa 30 Prozent des Publikums tun es ihm gleich, was angesichts der Qualität des Filmes etwas traurig stimmt. Immerhin ist der eine Stunde später startende „First Blood“ sehr gut gefüllt, für einen 27 Jahre alten Streifen ein beachtenswerter Erfolg.

Am folgenden Tag gönne ich mir noch zwei weitere Filme: „Tulpan“ (Regie: Sergey Dvortsevoy), eine internationale Koproduktion um einen kasachischen Schafhirt, der von seiner Angebeteten verschmäht wird, da er „abstehende Ohren“ habe, sowie die deutsche Komödie „Hardcover“ (Regie: Christian Zübert), die beweist, dass die Macher von „Lammbock“ (2001) ihr Handwerk immer noch verstehen und wissen, wie man Komik und Tragik kongenial in einem unterhaltsamen 90Minüter packt. Ganz großes Kino!

Nach Oliver Stone im vergangenen und Sylvester Stallone in diesem, bin ich sehr gespannt, wen das Zurich Film Festival im kommenden Jahr als Stargast präsentieren will. Unabhängig davon darf den Organisatoren aber schon jetzt viel Potential und Können attestiert werden. Ihnen ist inhaltlich tatsächlich ein Filmfest gelungen, das sehr viele Genres abdeckt und sowohl Programmkino-, als auch Blockbusterfans begeistern kann.

www.zurichfilmfestival.org

„Wall•E“ (Kinostart: 25. September 2008)

Ein Artikel aus dem „Meißner Tageblatt“:

Erschreckend, wie viel Müll sich innerhalb einer Woche vor unseren Haustüren ansammelt. Glücklicherweise wird dieser regelmäßig abgeholt, doch was wäre, wenn ihn 700 Jahre lang niemand abholt?
Dies ist die Welt von „Wall•E“, einem kleinen Roboter, dessen Aufgabe es ist, eben jene Müllberge zu beseitigen. Bis auf eine Schabe, die ihm zur Seite steht, ist Wall•E der Einzige auf dem Planeten Erde – Menschen und Tiere sind lang verschwunden und haben sich in den Weiten des Universums ein neues Zuhause geschaffen.
Eines Tages jedoch landet Eve, eine weiße Schönheit, in seiner einsamen Welt: Es ist Liebe auf den ersten Blick. Als sie bald darauf wieder abgeholt wird, versteckt sich der kleine Roboter als blinder Passagier an Bord ihres Raumschiffs und folgt ihr unbemerkt.

Es ist nun schon der neunte abendfüllende Spielfilm, den das Animationsstudio Pixar („Findet Nemo“, „Ratatouille“) mit „Wall•E“ präsentiert. Wie gewöhnlich sind die Figuren dabei liebevoll gestaltet und mit wunderbar menschlichen Eigenschaften zum Leben erweckt worden. Anders als bei den Vorgängerfilmen schwingt bei aller Leichtigkeit und Situationskomik diesmal jedoch auch ein ernster Unterton in der Geschichte mit, geht es doch um die Verschmutzung des Planeten und später auch um die Trägheit der Menschen in einer technisierten Umgebung.
Neben dieser ohne erhobenen Zeigefinger vermittelten Botschaft, punktet „Wall•E“ ebenso damit, dass während der ersten Stunde kaum ein Wort gesprochen und die Geschichte des liebenswerten Roboters fast ausschließlich über dessen herzerwärmende Mimik transportiert wird. Ein wie immer frecher und überaus witziger Vorfilm („Presto“) rundet den perfekten Kinobesuch schließlich ab.

„Tropic Thunder“ (Kinostart: 18. September 2008)

Da sich die „kreativen“ Köpfe hinter den vermeintlichen Satirefilmen „Scary/Epic/Date/Superhero Movie“ etc. damit begnügen, Originalszenen lediglich nachspielen zu lassen und mit den immer gleichen Fäkal- und Sexwitzen zu versehen, sind gute Persiflagen auf berühmte Filme schon lang aus den hiesigen Lichtspielhäusern verschwunden. Dies ist umso tragischer, da selbst einige Urväter dieser Filmgattung (David Zucker, Leslie Nielsen) inzwischen zum „Scary“-Team gestoßen sind und sich mit dritten Fortsetzungen eben jener Machwerke die Rente aufbessern.
Deshalb ist es sehr erfreulich, dass „Tropic Thunder“, eine Parodie auf Vietnamkriegsfilme, die besonders in den 1980er Jahren das amerikanische Kino dominierten, nicht aus dieser Autorenecke stammt. Ben Stiller, selbst vor allem auf komische Rollen festgelegt („Meine Frau, ihr Vater und ich“, „Verrückt nach Mary“), legt damit bereits seinen fünften Film als Regisseur vor („Reality Bites“, „Zoolander“) und übernahm gleichzeitig eine der drei Hauptrollen.

Zm Inhalt: Megastar Speedman (Stiller) ist vor allem für seine knalligen Actionfilme bekannt. Ein schauspielerischer Ausbruchsversuch als zurückgebliebener „Simple Jack“ endete jedoch katastrophal, sodass er nun eine neue Taktik fährt um endlich auch künstlerisch anerkannt zu werden: Zusammen mit dem fünffachen (!) Oscarpreisträger Lazarus (Robert Downey, Jr.) und Starkomiker Portnoy (Jack Black) will er einen patriotischen (Anti-?)Kriegsfilm drehen. Als Experten heuert Regisseur Cockburn (Steve Coogan) einen Veteranen (Nick Nolte) an, der die drei Diven auf seine ganz spezielle Art drillt. Kurz darauf finden sich die Schauspieler inmitten des Dschungels wieder und glauben, mit gut versteckten Kameras gefilmt zu werden, nicht ahnend, dass eine Drogenbande sie für echte Soldaten hält, die ihr Versteck stürmen wollen.

„Tropic Thunder“ beginnt ganz unkonventionell mit drei Filmtrailern – allesamt natürlich unecht und inhaltlich völlig daneben. Aber auf ihre Weise witzig und ein guter Vorgeschmack auf die kommenden zwei Kinostunden. Denn Stiller und seine beiden Co-Autoren (darunter Schauspieler Justin Theroux, bekannt aus „Mulholland Drive“) übertreiben es in wirklich jeder Szene so sehr, dass es kein Halten mehr gibt. Allein die Motivation des Charakterdarstellers Lazarus, der sich in bester „Method-Acting“-Manier einer Hautpigmentierung unterzieht, um seine Rolle als Schwarzer glaubhafter spielen zu können, ist eine schlicht geniale Verballhornung übertriebenen Schauspielerwahnsinns.

Nun gibt es leider jedoch auch Menschen, die Humor dieses Kalibers nicht vertragen. Abgesehen von der Frage, warum sie sich dann überhaupt „Tropic Thunder“ antun, ist deren Reaktion auf den Film in meinen Augen völlig übertrieben und an den Haaren herbeigezogener Schwachsinn. Es ist im Speziellen die „Simple-Jack“-Episode, in der Stiller alias Speedman alias Simple Jack einen geistig Behinderten Bauernjungen spielt und sich anschließend bei seinem Kollegen Lazarus ausheult, da er dafür keinen Oscar bekommen hat. Lazarus erklärt ihm daraufhin die Mechanismen in Hollywood was solcherlei Rollen betrifft und kommt zu dem Schluss, dass lediglich leicht beschränkte Filmfiguren - siehe „Forrest Gump“ - Chancen auf eine Auszeichnung hätten. Wer jedoch einen „vollständig“ behinderten Menschen spiele - siehe „I am Sam“-, ginge stets leer aus.
Als „Witz auf Kosten Behinderter“ wurde Stiller diese Szene schon nach den ersten Vorführungen um die Ohren gehauen. „Interessenverbände“ kritisierten den Begriff „Zurückgebliebener“, der im Film mehrmals verwendet wurde und unpassend sei.

Wer sich als Zuschauer von Diskussionen dieser Art nicht den Spaß verderben lässt, erlebt mit „Tropic Thunder“ nicht nur eine Satire auf die Gesetze von Hollywood sondern ebenso einige herrlich überzogene Cameoauftritte großer Stars. Deren Namen zu verraten, würde allerdings das Staunen verderben, weshalb sie an dieser Stelle ungenannt bleiben sollen. Nicht weniger trefflich gestaltet Stiller die meist stillen und nur durch einen Kameraschwenk oder der Beleuchtung zu entdeckenden Zitate von Klassikern wie „Apocalypse Now“ oder „Platoon“. Dies ist wahre Parodie und gleichzeitig Huldigung an zeitlose Meisterwerke, die Stiller eben auch optisch als Inspirationsquelle nutzte.

Einzig das Overacting des Herrn Jack Black stört das Gesamtbild etwas, grimassiert und brüllt er sich doch in gewohnter Manier durch die Szenerie. Black ist schon seit vielen Jahren für seine Klamaukfilme bekannt, ihn nun als Komiker mit Drogenproblemen zu besetzen, ist schlicht verschenkt. Hätte er den Actionstar oder Charaktermimen gegeben, wäre „Tropic Thunder“ vielleicht noch einen Tick besser geworden. Ein Spaß ist es trotzdem.

„Babylon A.D.“ (Kinostart: 11. September 2008)

Das wird die Produzenten gar nicht freuen: Schon vor dem offiziellen Kinostart seines neuen Films äußerte sich Regisseur („Hass“; „Die purpurnen Flüsse“) und Gelegenheitsschauspieler („Die fabelhafte Welt der Amélie“; „München“) Mathieu Kassovitz ziemlich deutlich zur Qualität seines Streifens: „Babylon A.D.“ sei dumm und brutal, die Schnittfassung entspräche überhaupt nicht seinen Vorstellungen und er bedauere sehr, sich mit dem Studio 20th Century Fox eingelassen zu haben.
Fakt ist, dass Fox den Film tatsächlich zu Gunsten einer niedrigeren Altersfreigabe um einige Minuten gekürzt hat und diese Version auch in allen Ländern veröffentlicht werden wird, in denen das amerikanische Studio die Rechte des Films verwaltet. In Deutschland ist dies (glücklicherweise?) nicht der Fall, weshalb es in den hiesigen Kinos etwa zehn Minuten länger kracht als beispielsweise in England oder den USA.

Bezüglich der inhaltlichen Qualität möchte ich Kassovitz nach Sichtung des neuen Vin-Diesel-Bilderreigens zustimmen. Dumm, brutal und in mäßigen Computereffekten ertränkt, präsentiert sich „Babylon A.D.“ als eine lächerliche Kopie des über alle Zweifel erhabenen „Children of Men“, mit dem uns Alfonso Cuarón vor fast zwei Jahren eine sehr viel glaubhaftere Zukunftsvision entwarf. Auch er porträtierte einen Mann, der ein junges Mädchen durch eine sich im Zerfall befindliche Welt geleiten muss, um die Spezies Mensch vor dem Aussterben zu bewahren.
Neben der realistischeren Umsetzung und dem anspruchsvolleren Drehbuch, war es vor allem die herausragende Darstellerriege (Clive Owen, Julianne Moore, Michael Caine), die „Children of Men“ weit über den Durchschnitt hob. Wenn nun Vin Diesel als Hauptdarsteller fungiert, dürfte jedem klar sein, dass sich dann statt Gesichts- vornehmlich Armmuskeln zeigen. Schlimmer noch: Gestandene Charaktermimen wie Charlotte Rampling („Swimming Pool“) und Gérard Depardieu („Paris, je t´aime“) gleichen sich diesem Niveau an, Michelle Yeoh („Tiger & Dragon“) hingegen darf wieder nicht schauspielern und kämpft sich gewohnt souverän durch das Szenario.

So stapfen die Protagonisten von Ort zu Ort, von Explosion zu Explosion und von einem Problem ins nächste. Gähn! Richtig ärgerlich wird es jedoch erst, wenn sich Brummbär Diesel auch noch in seinen Schützling verguckt und kurz vorm Finale die Lippen spitzt. [Achtung: Spoiler Anfang!] Was wiederum Frau Nummer zwei (Yeoh) überflüssig macht und folglich schlimme Folgen haben wird. Unverzeihlich jedoch, wenn eben jener Tod einer Hauptfigur im Schnitt- und Effektestakkato völlig verlorengeht und man nur erahnen kann, was soeben auf der Leinwand geschieht. [Spoiler Ende].

Nein, „Babylon A.D.“ hat keinen Spaß gemacht. Vin Diesel taugt in meinen Augen noch immer nicht als legitimer Nachfolger der 80er-Action-Ikonen Willis, Stallone & Schwarzenegger, der ernste Unterton des Themas wird völlig verschenkt und die mal wieder viel zu übertriebenen Spezialeffekte gehören verdammt noch mal in den Spielesektor verbannt!

„The Dark Knight“ (Kinostart: 21. August 2008)

Über kaum einen anderen Hollywoodblockbuster ist dieses Jahr schon so ausführlich berichtet worden wie „The Dark Knight“, Christopher Nolans zweitem Kapitel über den Menschen hinter der Batman-Maske. Essentiell Neues wird diese Rezension daher nicht mehr enthüllen können. Oder um es in einem Satz zusammenzufassen: Alles Positive, was im Vorfeld über diesen Film zu hören war, stimmt. Deshalb möchte ich die Chance nutzen, einmal mehr dem Regisseur ein paar Worte zu widmen.

Der gebürtige Londoner Christopher Nolan, Jahrgang 1970, hat es mit nur sechs Filmen (inklusive „The Dark Knight“) bis an die Spitze Hollywoods geschafft. Glaubt man den Einspielergebnissen vom 11. August, so ist dieses Werk nach „Titanic“ (1998) und „Star Wars“ (1977) der dritterfolgreichste Film in der Geschichte der Filmfabrik. Natürlich ist dies noch kein Qualitätssiegel, als Fan des Regisseurs freut es mich jedoch ungemein.
Denn Tatsache ist, dass sich Nolan auf seinem Weg vom britischen Independentfilmer zum amerikanischen Blockbusterkoch seinen Stil und seinen Anspruch stets bewahrt hat. Angefangen vom - mit Freunden an Wochenenden gedrehten – s/w-Juwel „Following“ (1998, einer meiner persönlichen all-time-favourites), über das rückwärts erzählte „Memento“ (2000, für das er sich während der Aufführungen von „Following“ beim Festivalpublikum das Geld zusammenschnorrte), das sehenswerte Thriller-Remake „Insomnia“ (2002) und nun schließlich die beiden Batman-Filme („Batman Begins“, 2005 & „The Dark Knight“, 2008). Im Jahr 2006 schob er noch fix „The Prestige“ dazwischen, eine schlicht atemberaubend erzählte Geschichte über zwei konkurrierende Magier, die Anfang des 20. Jahrhunderts mit allerlei Tricks und Ehrgeiz um die Gunst des Publikums zaubern. Optisch, inhaltlich und darstellerisch einer der besten Filme, die ich je sehen durfte.

Nolan hat das Talent (und spätestens nach „The Dark Knight“ wohl auch die unbegrenzten Mittel), großes Blockbusterkino mit Anspruch zu kreieren. Verpackt in einen auf den ersten Blick lauten, knalligen und oberflächlichen Unterhaltungsfilm, präsentiert er Geschichten über gebrochene Charaktere, die weder reine Phantasiegestalten noch einfältige Loser sind. Im Verlauf der Handlung(en) treffen sie auf Situationen, die nachvollziehbar, real und glaubwürdig erscheinen und werden in einen Konflikt verwickelt, der oftmals ihre ganze Existenz bedroht. Nolan nutzt dabei die vorhandenen filmischen und tricktechnischen Mittel Hollywoods, allerdings stets nur in begrenztem Maße, sodass das Menschliche, das Echte, der innere Kampf seiner Figuren stets im Vordergrund bleiben. Dies gelingt ihm immer dann am besten, wenn er ein eigenes Drehbuch, verfasst mit der Hilfe seines Bruders Jonathan Nolan, verfilmt. Letzterer zeichnet übrigens auch für das Skript von „Terminator Salvation“ verantwortlich, einem neuen „Terminator“-Prequel das gerade verfilmt wird und - sieh an sieh an - Christian Bale in der Hauptrolle mitbringt.

Doch zurück zu Regisseur Nolan: All die oben genannten Qualitäten fügt er nun in „The Dark Knight“ bis zum Perfektionismus zusammen. Die wenigen Defizite des Vorgängers „Batman Begins“, nämlich die etwas holprige Inszenierung der Action-Sequenzen, sind nun ebenfalls getilgt und Nolan beweist sein eindrucksvolles Können 152 Minuten lang. Keine Minute zu viel, keine Sekunde zu wenig. „The Dark Knight“ gibt von der ersten Szene an Vollgas und fesselt alle Sinne. Ich gehe nicht soweit und nenne dieses Meisterwerk einen „perfekten Film“ (denn den hat Nolan meiner Meinung nach ja schon mit „The Prestige“ abgeliefert), doch gemessen an dem, was Hollywood üblicherweise als „Sommerblockbuster“ verkauft, ist dies ein Fest. Auf intellektueller, visueller und gespielter Ebene.

„Der Sohn von Rambow“ (Kinostart: 21. August 2008)

Wer mir gleich zu Beginn dieser Rezension einen Schreibfehler bei „Rambo(w)“ unterjubeln will, dem sei verraten, dass ich mich selbst zu einem Fan jener Stallone-Ballerfilme zähle, die trotz des noch jungen vierten Teils aus dem Jahr 2008 wohl zu einem DER Markenzeichen der 1980er zählen. Sylvester Stallone als unkaputtbare Killermaschine, die im ersten Teil („First Blood“, 1982) einen Kampf gegen innere Dämonen und überhebliche Polizisten austrägt, im zweiten Teil von 1985 (Drehbuch: Sly & James Cameron!) den Vietnamkrieg nachträglich gewinnt und drei Jahre später Afghanistan gemeinsam mit einheimischen Kameraden (!) von den Russen befreit. „John Rambo“ (2008) zeigte den stummen Kämpfer dann auf einer Rettungsmission in Birma, brutaler und schneller denn je (der Film war - ohne Abspann - gerade mal 76 Minuten lang).

Abgesehen vom ersten Kapitel der Saga, dem sich auch „Der Sohn von Rambow“ widmet, sind die Episoden zwei bis vier sicherlich in erster Linie „Gewaltpornos“, in denen, unter dem Deckmantel einer wirklich großartigen Umsetzung als Actionfilme, zu Unterhaltungszwecken getötet, gefoltert und fragwürdig moralisiert wird. Im Rahmen ihrer Entstehungszeit mag das vor allem bei den ersten beiden Fortsetzungen politisch noch halbwegs legitim gewesen sein, heute bleibt davon nicht mehr als ein lächerlicher Beitrag zum Kalten Krieg zwischen Amerika und der Sowjetunion.
Mit der Verlegung des vierten Teils nach Birma jedoch gelang Autor und Regisseur Stallone ein einmaliger Coup, da es kurz vor der Filmpremiere tatsächlich zu einem Aufbegehren der burmesischen Bevölkerung gegen ihre Despoten kam. Plötzlich hatte die „Rambo“-Serie wieder einen aktuellen weltpolitischen Hintergrund, auch wenn der Film dies inhaltlich natürlich in keinster Weise angemessen thematisieren konnte. Doch auch hier gilt: Als sinnentleerter Actionfilm ist „John Rambo“ eine Wucht.
Sei´s drum, der erste „Rambo“ gilt immer noch als der beste, eine ausgewogene Mischung aus anspruchsvollem Drama und fetziger Action, ergänzt mit durchweg tollen Darstellerleistungen und einem immer noch markerschütterndem Soundtrack des inzwischen verstorbenen Jerry Goldsmith („Chinatown“, „Alien“).

Ähnlich begeistert von Ted Kotcheffs Klassiker ist Lee (Will Poulter), ein Querkopf allererster Güte. Er rebelliert, flucht und hasst es, sich an Vorschriften halten zu müssen, weshalb er ständig aus dem Klassenzimmer fliegt. Die freie Zeit nutzt er, um im Kino „Rambo“ abzufilmen (ja, dies gab es schon in den 80er Jahren, da allerdings noch mit einem sehr unhandlichen, sehr großen Camcorder) und seinem großen Bruder in Sachen Coolness nachzueifern. Der elfjährige Will (Bill Milner) hingegen wächst streng gläubig erzogen in einer Welt auf, in der Filme und Musik verboten sind. Nach einigen Fiesheiten des älteren Lee zu Beginn, werden aus den beiden ungleichen Jungs bald Freunde, die sich, inspiriert durch „Rambo“, daran machen, ihren eigenen Film zu drehen: „Der Sohn von Rambow“, die verfilmte Mission von der Befreiung ihres Helden und fiktiven Papas Rambo.

Glücklicherweise ist es nicht zwingend notwendig, das Original zu kennen um hierbei seinen Spaß zu haben. Wer es dennoch tut, wird sich über einige kleine Zitate freuen, die Garth Jennings (Buch & Regie) hier und da eingeflochten hat. Vornehmlich jedoch ist „Der Sohn von Rambow“ eine herzerwärmende, amüsante Geschichte übers Erwachsenwerden zweier Außenseiter. Indem sie in ihre Traumwelt flüchten, entkommen sie dem oftmals harten und ungerecht wirkenden Alltag ihrer Umgebung und finden in der Freundschaft zueinander neuen Halt.
Ganz großes Lob sei dabei den beiden Helden Will Poulter und Bill Milner ausgesprochen, die beide derart „erwachsen“ und reif spielen, als hätten sie bei Al Pacino und Robert De Niro persönlich Unterricht genossen. Wow!

Fazit: „Der Sohn von Rambow“ ist eine wunderbare britische Komödie mit etlichen verrückten Ideen, sympathischen Charakteren und gleichzeitig eine angemessene Huldigung an einen großartigen Stallone-Film. Supi!

P.S.: Stallone selbst unterstützte das Team bei der Entstehung, konnte aber leider auch nicht verhindern, dass aus dem urheberrechtlich geschützten „Rambo“ nun „Rambow“ wurde.

„Elegy“ (Kinostart: 14. August 2008)

Mir wird oft vorgeworfen, ich hätte Vorurteile. Nun, ob Wahrheit oder nicht, dies kann auch positive Früchte tragen. Beispielsweise bei der Bewertung des Films „Elegy“, der gleich mehrere gute Vorzeichen in petto hat: Regisseurin Isabel Coixet (deren Œuvre solch wunderbare Werke enthält wie „Mein Leben ohne mich“ oder „Das geheime Leben der Worte“), Sir Ben Kingsley in der Hauptrolle, sowie Dennis Hopper als dessen bester Freund.

Fast bin ich versucht zu schreiben, nichts könne bei einer solchen Besetzung schiefgehen. Doch auch ein Ben Kingsley scheint nicht vor Fehltritten gefeit zu sein, wie das demnächst anlaufende Mike-Myers-Vehikel „Der Love Guru“ beweist: Da läuft Kingsley als indischer (!) Guru mit übertriebenem Schielblick und Zottelspitzbart über die Leinwand und pullert vor den Augen eines Dorfes in einen Bottich, dessen Inhalt dann über Mike Myers alias Guru Pitka entleert wird. Warum er sich auf solch ein Niveau begibt, wird mir auf ewig ein Rätsel bleiben.
Nicht anders verhält es sich mit Dennis Hopper. Ikone der ´68er Bewegung (Regisseur und Darsteller von/in „Easy Rider“), Absturz in die Drogenhölle, danach kleine Nebenrollen u.a. in den Klassikern „Apocalypse Now“ und „Blue Velvet“, neuer Höhenflug als Bösewicht in „Speed“. Seither sowohl in wunderbaren Filmen („EdTV“), als auch in absolutem Zelluloid-Müll („Ticker“) stets als Nebenfigur aktiv und nun in „Elegy“ schlicht großartig.

Soviel zur (realen) Vorgeschichte. Im Film selbst dürfen sich David (Kingsley) und George (Hopper) damit brüsten, nie eine Affäre ausgelassen zu haben. Zwar sind beide inzwischen nicht mehr die Jüngsten, Chancen bieten sich dem Professor auf der einen und dem Dichter auf der anderen Seite jedoch immer noch zuhauf. Beide genießen dieses Leben, ihr fast schon pubertärer Austausch in Form von „Männergesprächen“ zeigt dies auf sehr humorvolle Weise.
Als die Studentin Consuela (Penélope Cruz) in seiner Vorlesung erscheint, hat David schließlich eine neues „Opfer“ gefunden. Er zieht fortan alle Register seiner Verführungskünste, lässt den wohlhabenden, witzigen, gebildeten, charmanten David raushängen und hat natürlich auch Erfolg. Doch Consuela ist anders: Zum ersten Mal, so scheint es, ist da eine Studentin, die ihm intellektuell gewachsen ist. Sie gibt sich temperamentvoll, emotional und als eine Frau mit klaren Zielen.
David weiß sofort, dass ihm dieses Mädchen nicht so schnell aus dem Kopf entschwinden wird. Ist sie nicht da, wird er unruhig, verfolgt sie bei ihren Unternehmungen und beäugt jeden Mann, der ihr zu nahe kommt, kritisch. Eifersucht kommt auf, die Bereitschaft, sich Consuela gegenüber zu öffnen, verweigert er hingegen weiterhin. Sie verlässt den alten Mann schließlich, für den sie inzwischen die Liebe seines Lebens geworden ist.

Schenkt man den vielen Rezensionen Glauben, so ist die Romanvorlage zu diesem Film, „Das sterbende Tier“ von Philip Roth, eine Altmännerfantasie, vulgär und wenig zurückhaltend in seiner Schilderung des David´schen Sexuallebens. Dass sich nun ausgerechnet eine Autorenfilmerin dieses Stoffes annimmt, verwundert daher schon ein wenig. Die Spanierin Isabel Coixet macht glücklicherweise keinen - man entschuldige mir diesen Ausdruck -„Frauenfilm“ daraus, der gefühlsduselig, romantisch und mit viel Zucker obendrauf eine Liebesgeschichte erzählt. Nein, es bleibt tatsächlich während der gesamten Laufzeit eine ernste Auseinandersetzung mit den Themen Liebe, Verlangen und Eifersucht, kongenial bebildert und berauschend, fesselnd und absolut glaubhaft dargestellt von Kingsley und Cruz. Es zündelt und knistert, es macht Appetit und erschrickt. Coixet und ihr Drehbuchautor Nicholas Meyer (verfasste ebenfalls das Skript zur gelungenen Roth-Verfilmung „Der menschliche Makel“) reduzieren die Geschichte auf das Essenzielle und ermöglichen es ihren Schauspielern, wirklich jede Facette ihres Verlangens, ihrer Gefühle und ihrer Wut an die Oberfläche zu tragen. Ein Fest für die Augen und für die Sinne.

Nach all der Lobhudelei muss aber auch noch etwas kritisiert werden: Nicht am Film selber, nicht an der Umsetzung und schon gar nicht an den Darstellern. Nein, diesmal trifft es das Synchronstudio, das den sehr verführerischen Akzent von Frau Cruz aus der Originalfassung schlicht ignoriert hat und somit den Charakter einer wichtigen Eigenschaft beraubt. Denn ob gewollt oder nicht, Cruz´ Aussprache birgt eine Erotik in sich, die ihrer Figur besondere Würze gibt.
Aufreger Nummer zwei ist der ärgerlich konzipierte Trailer zum Film, der „Elegy“ als eine Liebeskomödie anpreist und den latent traurigen Unterton des Films verschweigt.
Ergo: Wenn möglich, auch hier die Originalversion der deutschen Fassung vorziehen und darauf gefasst sein, mit „Elegy“ (übersetzt: „Klagelied“) keinen amüsanten, sondern einen melancholischen, zutiefst emotionalen Film zu sehen, der die Macher und Darsteller auf dem Höhepunkt ihres Könnens zeigt.