„Happy-Go-Lucky“ (Kinostart: 03. Juli 2008)

Schön, dass es sie in der oft anstrengenden Welt von heute noch gibt: Jene kleinen Inseln des Frohsinns auf zwei Beinen, die sich einfach nicht unterkriegen lassen wollen. Komme was wolle, diese Spezies Mensch ist nahezu immer gut gelaunt, hat pausenlos Spaß am Leben und steckt mit Witz, Charme und Frohsinn einfach jeden an. Auch ich habe so eine Dame – glücklicherweise – in meinem Umfeld, „Happy-Go-Lucky“ könnte somit auch ein Stück Film aus meinem Leben sein.

Eine Vorwarnung auf den ver-rückten Charakter hinter dem breiten Lächeln gibt schon der Name: Statt brav mit dem schönen „Pauline“ durch die Welt zu hüpfen, nennt sich unsere Protagonistin schlicht Poppy (Sally Hawkins). Passend zum Benehmen arbeitet sie in einer Grundschule als Lehrerin, zieht abends mit ihren Freundinnen um die Häuser und scheut sich nirgends, Nonsensgespräche vom Zaun zu brechen. Meist erntet sie dafür nur seltsame Blicke, doch für Enttäuschung ist in Poppys Leben einfach klein Platz, weshalb sie im nächsten Moment schon ein neues „Opfer“ gefunden hat, das sie mit ihrer guten Laune infizieren könnte.

Als sie sich entschließt den PKW-Führerschein zu machen, landet sie im Wagen des griesgrämigen Fahrlehrers Scott (Eddie Marsan, ein „ewiger“ Nebendarsteller, der u.a. schon „Miami Vice“, „Das geheime Leben der Worte“ & „21 Gramm“ veredelte). Falsche Schuhe, falsche Einstellung, falsches Verhalten – Scott kann den bunten Flummi neben sich von Beginn an nicht leiden und zeigt dies Poppy auch überdeutlich. Stören lässt sie sich davon natürlich nicht, sondern gibt weiter die unbeschwerte Göre, die sie nun mal ist. Wohl auch, weil sich nach langer Zeit beziehungstechnisch ganz überraschend etwas entwickelt…

Der Brite Mike Leigh (Drehbuch, Regie) hat bis heute vornehmlich sozialkritischen Werke („Vera Drake“, „Lügen & Geheimnisse“) geschaffen. Wohl auch deshalb ist „Happy-Go-Lucky“ weit entfernt von jenen platten Sketchfilmchen aus Übersee, die Humor meist ausschließlich als Ansammlung von Fäkalwitzen und „ich-renne-gegen-etwas“-Szenen definieren. Nein, dieser mit dem Silbernen Bären (Berlinale 2008, Beste Darstellerin) ausgezeichnete Streifen entwickelt seinen Humor aus den Charakteren heraus und deren Aufeinandertreffen: Poppy vs. den Rest der Welt in Gestalt eines Fahrlehrers. Hintergründig, nicht immer politisch-korrekt, laut, herzlich. Das ist Poppy, das ist „Happy-Go-Lucky“.

Obwohl er zunächst unsympathisch wirkt, werden sich nicht wenige Zuschauer trotz seines grantigen Auftretens eher mit Scott identifizieren und Poppy zunächst als naiv und realitätsfremd beurteilen. Ein Vorurteil, wie sich im Verlauf der etlichen Fahrstunden zeigen soll, denn eben weil Poppy sich auch jener ganzen Lebenshürden im Alltag bewusst ist, wählt sie für sich den Weg der Fröhlichkeit. Scott lebt am anderen Ende des Spektrums, ob glücklicher oder zufriedener, verrät der Film nicht. Ein Manko? Keineswegs, denn von dieser Art Mensch – grummelig, wütend, engstirnig - gibt es schon zu viele auf dieser Welt, Poppys hingegen sind (noch?) eine Seltenheit.

Wenn es einen Kritikpunkt meinerseits gibt, so ist es lediglich die etwas surreal wirkende Begegnung von Poppy mit einem Stadtstreicher. Sie mag nicht so ganz in das ansonsten flott geschriebene, leichtfüßige Drehbuch passen. Für diesbezügliche Anmerkungen und Interpretationen wäre ich daher sehr dankbar…

„You kill me“ (Kinostart: 12.06.2008)

Einer meiner Beiträge aus dem "Meißner Tageblatt":

Manche Jobs sind wahrlich nur im Suff zu ertragen. Mafia-Killer zum Beispiel. Frank (Ben Kingsley) jedoch kann ohne Fusel gar nicht mehr; weder Schneeschippen noch den Tag überstehen. Leider auch nicht vernünftig arbeiten, was seine Auftraggeber ziemlich sauer macht. Doch schätzen sie ihn und seine Fähigkeiten zu sehr, als ihn gleich „zu feuern“. Stattdessen bekommt Frank eine letzte Chance der gesundheitlichen und dienstlichen Rehabilitation und soll seinem Laster im Kreise der Anonymen Alkoholiker abschwören. Um Rückfälle zu vermeiden, darf er zudem als Leichenkosmetiker tätig werden, ein Job, den ihm sein leicht gestörter Kollege Dave (Bill Pullman, „Independence Day“) vermittelt hat.
Und siehe da: Aus dem griesgrämigen Frank wird schon bald wieder ein Mensch, der sich in die Tochter (Téa Leoni, „Bad Boys“) eines verstorbenen „Kunden“ verliebt. Zusammen mit ihr versucht er sich fortan an einem geregelten Leben, bis seine alten Auftraggeber sich sehr plötzlich und sehr dringend bei ihm melden.

Man sollte schon ein Faible für schwarze Komödien haben, um „You kill me“ genießen zu können. John Dahls („Joyride“) bitterböse Farce ist ein Fest für Zyniker und wird trotz fabelhafter Nebendarsteller vor allem von Ben Kingsley, dem ewigen Gandhi, getragen. Was er auch spielt, die Rolle des indischen Nationalhelden, der gewaltfrei (!) für eine bessere Welt kämpfte, schimmert ab und an immer noch durch, was „You kill me“ unheimlich gut steht.
Zusätzlich bekommen alle Romantiker dank der herrlich absurden Liebesbeziehung ebenso eine mehr als deutliche Botschaft vermittelt: Liebe kann töten, also gebt Obacht, wer euer Herzblatt wird… oder wählt zumindest den gleichen Job!