Heimkino-Tipp: „Self/Less“ (2015)

Face off

Kurz vor Weihnachten „beschenkte“ der Fußballer Ronaldo die Welt mit einem kleinen Homevideo, auf dem er einen Rundgang durch seinen Protzpala... ähh sein Haus präsentierte. Was ihn dazu veranlasste? Mein Tipp: „Self/Less“, bzw. die ersten 15 Minuten des Science-Fiction-Thrillers. Denn da gibt es Einblicke in das Zuhause eines gewissen Donald Trump, der ja momentan mit einem überaus ekelerregenden Wahlkampf für Furore sorgt. Da wollte sich der Fußballstar offenbar nicht lumpen lassen.

Doch Spaß beiseite, denn „Self/Less“ beginnt zunächst mit ernstem Hintergrund: Der wohlhabende Unternehmer Damian (Sir Ben Kingsley) – für dessen Appartement Trumps eigenes zur Verfügung stand – ist unheilbar an Krebs erkrankt. Kurz vor seinem unausweichlichen Tod besucht er die Klinik des mysteriösen Albright (Matthew Goode), der Damian ein verlockendes Angebot unterbreitet: Warum nicht im Körper eines Anderen weiterleben? Eines jungen Körpers, der künstlich erschaffen wurde, jedoch mit dem Geist von Damian belebt wird? Der verzweifelte Mann lässt sich auf das Experiment ein – und startet kurz darauf als Edward (Ryan Reynolds) einen zweiten Anlauf mit all seinen Vorzügen. Unschöner Nebeneffekt: Seltsame Erinnerungen, Träume und Visionen stören den unbeschwerten Alltag zunehmend. Als Damian/Edward beginnt, der Sache auf den Grund zu gehen, sind Albright und seine Knochenbrecher davon gar nicht begeistert.

Body-Switch mal anders: Statt eines Mannes im Körper einer Frau („Switch – Die Frau im Manne“, 1991) oder einem Bösewicht mit dem Gesicht des guten Helden („Im Körper des Feindes“, 1997) nun also der Alte (Kingsley) hinter der Fassade des durchtrainierten Jünglings (Reynolds). Ja, rein optisch kann man das machen. Auch in Bezug auf das darstellerische Können geht das in Ordnung, denn Reynolds hat sich in den vergangenen Jahren zu einem respektablen Schauspieler entwickelt (siehe u.a. HIER), den ich sehr gern vor der Kamera agieren sehe. Dies gilt ebenso bei „Self/Less“.

Ungewöhnlich jedoch der Name des Mannes auf dem Regiestuhl: Tarsem Singh, vor allem bekannt für sein außergewöhnliches visuelles Schaffen („The Cell“, „The Fall“, Musikvideo „Losing My Religion“ von R.E.M.), hält sich hier stilistisch sehr zurück und inszeniert geradeaus, ohne viele Spielereien und sehr auf die Erzählung konzentriert. Die kommt wendungsreich und trotz der Prämisse angenehm realitätsnah daher, bis sie im letzten Kapitel ein wenig zu schnell in jenen Zielbahnhof einfährt, der die einfachste (Story-)Lösung bereithält. Angesichts ordentlicher Spannungsmomente und Actionsequenzen zuvor fällt das jedoch kaum ins Gewicht.

Ergo: Ein solider Thriller, der aus einer interessanten Grundidee zumindest auf dem Actionlevel einiges rauszuholen vermag, philosophische oder psychologische Aspekte der Prämisse allerdings kaum beachtet. Aber das darf so.

Die Blu-ray/DVD bietet den Film in deutsch synchronisierter und englischer Originalsprachfassung sowie deutsche Untertitel für Hörgeschädigte. Als Extras haben beide Scheiben zwei kurze Hinter-den-Kulissen-Clips sowie Trailer zu bieten. „Self/Less – Der Fremde in mir“ erscheint bei Concorde Home Entertainment und seit 23. Dezember 2015 erhältlich. (Packshot + stills: © Concorde Home Entertainment)

Heimkino-Tipp: „Men & Chicken“ (2015) + Gewinnspiel

Männer unter sich

Zunächst ein kleiner sprachlicher Exkurs: Im Englischen steht das Wort „Chicks“ sinngemäß für „süßes Mädchen“. Anders Thomas Jensen („Adams Äpfel“) nennt seinen aktuellen Streifen nun „Men & Chicken“. Männer & heiße Mädels also. Oder doch Männer & Hühner? Wie auch immer man(n) es interpretieren möchte, Fakt ist: Ja, es geht um Männer und deren Bedürfnis nach weiblichen Körpern. Doch bedauernswerterweise stehen ihnen diese nicht zur Verfügung, weshalb das anwesende Federvieh als Ersatz herhalten muss. Es ist nicht die einzige geschmackliche Grenzüberschreitung, die der Däne Jensen und seine Schauspielertruppe, allen voran Mads Mikkelsen, dem Publikum präsentieren.

Ihr Film erzählt von der Reise zweier ungleicher Brüder (Mikkelsen und David Dencik) zu ihrer Familie, von der sie bisher nichts wussten. Die lebt auf einem verwüsteten Anwesen inmitten einer abgelegenen Insel und kommuniziert bei der Ankunft von Gabriel und Elias vornehmlich mithilfe von Gegenständen, die sie sich gegenseitig auf die Rübe hauen. Aber das ist bei Weitem noch das Normalste, was die beiden Gäste fortan tagtäglich in dem heruntergekommenen und von unzähligen Tieren bevölkerten Haus erleben werden.

Verstörend, abstoßend, überdreht: „Men & Chicken“ präsentiert sich zunächst als ein Potpourri unschöner menschlicher Eigenschaften, die wenig subtil auf die Zuschauer niederprasseln: seltsame Persönlichkeiten treffen dabei auf Zwangsneurosen sowie widerwärtige Verhaltensweisen. Doch die Provokation seitens der Filmemacher hat Tiefgang: So ist „Men & Chicken“ hinter seiner Fassade des amüsanten Horrorkinos ein Familiendrama, das dem Wert des Zusammenhalts trotz aller Unterschiede und Macken huldigt. Ob gewöhnungsbedürftiges Aussehen, geistige Umnachtung, Realitätsverlust oder unbändige Sucht nach Käse: Geschwister sollten immer zusammenhalten, egal ob sie mit dem Nudelholz aufeinander losgehen oder gemeinsam Texte der Heiligen Schrift interpretieren.

Sicherlich, ein wenig ansehnlicher hätten sowohl die Figuren als auch das ganze Szenario sein dürfen. Vielleicht sind einige der Gags auch etwas zu derb ausgefallen. Nichtsdestotrotz bietet „Men & Chicken“ noch eine Fülle von absurden Szenen und Einfällen, die das Filmerlebnis lange – im positiven Sinn – nachwirken lassen.

Aufgepasst, aufgepasst! Zum Heimkinostart liegt eine Blu-ray des Films zur Verlosung bereit. Der/Die erste Mailschreiber/in gewinnt! Einfach eine Nachricht an cinecsaba@gmx.net senden. Der Rechtsweg ist ausgeschlossen, der Gewinner wird via Mail benachrichtigt. Viel Glück!

Die DVD/Blu-ray präsentiert den Film in deutsch synchronisierter und original dänischer Sprachfassung. Untertitel in Deutsch/Deutsch für Hörgeschädigte sind optional zuschaltbar. Darüberhinaus befindet sich auch eine Hörfilmfassung auf den Discs. Als Extras sind ein Interview mit Mads Mikkelsen sowie Trailer beigefügt. „Men & Chicken“ erscheint bei DCM Filmdistribution GmbH/Universum Film und ist seit 4. Dezember 2015 erhältlich. (Packshot: FilmPressKit online/DCM; stills: Rolf Konow/DCM)

Heimkino-Tipp: „God Loves the Fighter“ (2013)

Sin City

Diesen Film zu schauen ist eine Herausforderung! Dies ist keinesfalls abwertend gemeint, allerdings als Warnung ernst zu nehmen. Von Minute eins an gibt Regiedebütant Damian Marcano mit optischen Spielereien en masse Vollgas und lässt kaum Luft zum Durchatmen. Verschnaufpausen? Fehlanzeige!

Doch es steckt System dahinter: „God Loves the Fighter“ ist ein rasanter Trip durch die Stadt Port of Spain. Die karibische Metropole des Inselstaates Trinidad und Tobago besitzt leider den unschönen Ruf, gern genutzter Drogenumschlagplatz zu sein, von wo aus das Gift Richtung Nordamerika gelangt. Korruption, Gewalt und eine hohe Mordrate sind trauriger Bestandteil des Alltags, was Marcano zum roten Faden seines fiebrig inszenierten Filmes macht.

Mittendrin der junge Charlie (Muhammad Muwakil), der von einem besseren Leben träumt, und die etwa gleichaltrige Prostituierte Dinah (Jamie Lee Phillips), die aufgrund ihres Jobs mit ihrem Gewissen und ihrem Glauben hadert und auf der Suche nach Vergebung den Weg von Charlie kreuzt. Können sie ihr Schicksal selbst in die Hand nehmen und dem Moloch entfliehen?

Verkünstelt, dokumentarisch, märchenhaft, realistisch: „God Loves the Fighter“ ist eine im wahrsten Sinne des Wortes bunte Mischung mit ständigen Format- und Stilwechseln, die scheinbar ungefiltert auf den Zuschauer hereinbrechen und sicher nicht jedermanns Sache ist. Bei aller Raffinesse, die Marcano damit beweist, so ganz überzeugen kann seine Anklage/sein Loblied auf Port of Spain nicht. Vielleicht habe ich aber auch nur den Kern der Erzählung unter dem Bombast der Bilderflut nicht gefunden? Daher gern selbst einen Versuch wagen! Für mich war es dann doch irgendwann zuviel des Guten.

P.S.: Kleines Schmankerl bei der Blu-ray-Erstauflage: Die enthält eine Bonus-CD mit dem Soundtrack, der (musikalisch) ähnlich farbenfroh daherkommt wie der Film.

Die DVD/Blu-ray bietet den Film in deutsch synchronisierter und englischer Originalsprachfassung. Untertitel sind keine vorhanden, was es aufgrund der starken Dialekte der Darsteller für Nicht-Muttersprachler sehr schwer macht, den Dialogen in der Originalversion zu folgen. Leider machen die jedoch auch einen Großteil der Atmosphäre aus. Als Bonusmaterial gibt es Trailer. „God Loves the Fighter“ erscheint bei Mad Dimension/AL!VE AG und ist seit 2. November 2015 erhältlich. (Packshot: © Mad Dimension/AL!VE AG)

Heimkino-Tipp: „Jamie Marks is Dead“ (2014)

Teenage Angst

Mobbing ist eine abscheuliche Sache. Vor allem dann, wenn das Opfer an seiner Schule ein Außenseiter ist, eine Harry-Potter-Gedächtnisbrille trägt und nur wenig Selbstvertrauen besitzt. Jamie Marks (Noah Silver) war so ein Mensch. Nun ist er tot, und niemanden scheint ihn zu vermissen. Außer Adam (Cameron Monaghan) und Gracie (Morgan Saylor), die ihn zwar ebenso wenig kannten wie der große Rest ihrer Mitschüler, jedoch von Gewissensbissen geplagt werden. Hätten sie auf ihn zugehen sollen? Vielleicht die Hänseleien unterbinden können? Im gemeinsamen Zweifeln und Trauern kommen sich die beiden Teenager näher. Der Beginn einer schönen Romanze? Mitnichten, denn Jamies Geist taucht eines Nachts vor Adams Augen auf – und scheint noch etwas unter den Lebenden nachholen zu wollen.

Gothic-Schmonzette, Thriller mit übernatürlichem Plot oder klassischer Horrorfilm? Carter Smiths („Ruinen“, 2008) gemächlich erzähltes und von talentierten Jungdarstellern getragenes Werk ist all das und nichts davon. Denn im Kern der Geschichte handelt „Jamie Marks is Dead“ von den zahlreichen (unüberwindbaren?) Hürden des Erwachsenwerdens. Sei es bezüglich der eigenen Sexualität, dem Verhalten gegenüber dem anderen Geschlecht oder der Umgang mit privaten Schicksalsschlägen wie Unfällen oder der Tod der Eltern. Vieles davon deutet Regisseur Smith an oder „spiegelt“ es in veränderter Form bei mehreren Figuren.

Das ist ambitioniert und mit viel Verständnis für die Eigenheiten von jungen Erwachsenen eingefangen. Geduld sollte der Zuschauer trotzdem mitbringen. Denn wirklich viel geschieht in den 100 Minuten Laufzeit nicht, und am Ende bleiben etliche der Subplots in der Schwebe – ganz so, wie die drei Hauptfiguren im Film, deren Handeln nicht immer einfach nachzuvollziehen ist.

Ein schwieriger, teilweise verkopfter Film, der möglicherweise ein junges Teenagerpublikum mehr anspricht als ältere Semester. Für die gibt es immerhin mit Liv Tyler einen Schwarm aus der eigenen Jugend in einer Nebenrolle zu sehen – als Adams Mutter(!) Linda. Die Zeit, sie rennt.

Die DVD/Blu-ray bietet den Film in deutsch synchronisierter und englischer Originalsprachfassung sowie deutsche Untertitel. Als Bonus sind Trailer beigefügt. „Jamie Marks is Dead“ erscheint bei donau film im Vertrieb von AL!VE AG und ist seit 20. November 2015 erhältlich. (Packshot: © Donau Film e.k./AL!VE AG)

Heimkino-Tipp: „Dirty Trip“ (2015)

Mississippi Grind

Die Geschichte des spielsüchtigen, überschuldeten und bei einem Pokergame auf das letzte Quäntchen Glück hoffenden Verlierers ist schon oft erzählt worden. Dass der neue Film des Regie-Duos Anna Boden & Ryan Fleck („Half Nelson“, 2006) trotz bekannter Story einen Blick lohnt, ist vor allem drei Dingen zu verdanken: den beiden Hauptdarstellern Ben Mendelsohn und Ryan Reynolds sowie der angenehm relaxten und gleichsam atmosphärischen Inszenierung.

Die zwei Protagonisten Gerry (Mendelsohn) und Curtis (Reynolds) lernen sich – wie sollte es anders sein – an einem Pokertisch kennen. Der Abend endet mit einem gemeinsamen Barbesuch und schon am nächsten Morgen ist sich der notorische Spieler Gerry sicher: Curtis ist der Glücksbringer, auf den er so lange gewartet hat. Mit dem Jungspund an seiner Seite könnte er es schaffen, das ‚ganz große Ding‘ zu gewinnen und seine immensen Schulden endlich zu begleichen. Tatsächlich willigt Curtis ein und so begeben sich die neuen Freunde auf einen Road-Trip quer durch Amerika mit Ziel New Orleans. Ihre gemeinsame Reise hält jedoch nicht nur einige familiäre Überraschungen bereit.

Der größte Pluspunkt für „Dirty Trip“: Gerry und Curtis sind durch und durch sympathische Figuren. Klar, jeder hat sein Päckchen zu tragen und tut Dinge, die nicht immer zum Wohle Dritter geschehen. Doch weder dem Einzelgänger Gerry noch dem Frauenhelden Curtis wird eine übermäßig dunkle Charakterseite angedichtet, um unglaubwürdige Konflikte vom Zaun zu brechen. Stattdessen verlassen sich die Regisseure auf ihr fabelhaftes Drehbuch und ihre großartigen Darsteller, die einerseits wunderbar miteinander harmonieren, andererseits die Schwächen und Sehnsüchte ihrer charmanten Figuren quasi nebenbei aus dem Ärmel schütteln, als gäbe es vor der Kamera nichts Leichteres.

Mit Witz, Können und Spielfreude gelingt es Mendelsohn und Ryan bzw. Boden und Fleck so, aus einer vertrauten und an sich wendungsarmen Geschichte einen ganz besonderen Streifen zu machen, der selbst Poker-und Casino-Unkundige wie mich dazu bringt, die Sessellehne zu zerkratzen, wenn Gerry am Spieltisch mal wieder sagt: „All in!“

Die DVD/Blu-ray bietet den Film in deutsch synchronisierter und englischer Originalsprachfassung sowie deutsche Untertitel. Als Extras befinden sich kurze Hinter-den-Kulissen-Clips und ein Interview mit Ryan Reynolds auf den Discs, die ihren Werbecharakter allerdings nur schwer verbergen können. Eine Trailershow rundet das Paket ab. „Dirty Trip – Mississippi Grind“ erscheint bei Elite Film AG (Ascot Elite) und ist seit 1. Dezember 2015 erhältlich. (Packshot + Filmstills: © Ascot Elite)

Heimkino-Tipp: „Gefühlt Mitte Zwanzig“ (2014)

Forever Young

Manche Regisseure/innen arbeiten derart häufig mit einem bestimmten Schauspieler/einer Aktrice zusammen, dass es sofort auffällt, wenn ein Film mit dieser Vertrautheit bricht. So sah man den Wirbelwind Greta Gerwig in den vergangenen Jahren vor allem in Werken von Noah Baumbach („Frances Ha“, ab 10.12. „Misstress America“), dessen „Gefühlt Mitte Zwanzig“, entstanden 2014, muss jedoch ohne sie auskommen. Für adäquaten Ersatz ist allerdings gleich in vierfacher Hinsicht gesorgt: Ben Stiller, Naomi Watts, Amanda Seyfried und Adam Driver sind die Hauptdarsteller in seiner Generationen-Komödie, in der ein junges Paar das geordnete, ereignisarme Leben eines etwas älteren Paares auf den Kopf stellt.

Josh (Stiller) und Cornelia (Watts), knapp über 40, wohnen in Brooklyn und sind in ihrem Freundeskreis die einzigen, die sich gegen Nachwuchs entschieden haben. Auch wenn es nur subtil geschieht: Die Ausgrenzung von all den scheinbar glücklichen Neu-Eltern in ihrem Umfeld macht den beiden doch sehr zu schaffen. Da kommt ihnen die Bekanntschaft mit Jamie (Driver) und Darby (Seyfried) ganz gelegen: das Hipster-Paar ist jung, dynamisch, voller Energie und so herrlich unkompliziert. Schnell entwickelt sich eine angenehme Vertrautheit und „die Alten“ fühlen sich wie befreit. Ihr Leben ist plötzlich wieder spannend, aufregend und unbegrenzt wie lange nicht mehr – bis Josh eines Tages ein unschöner Verdacht kommt.

Alt trifft auf Jung, konservative Moralvorstellungen treffen auf Revoluzzertum – die Prämisse von „Gefühlt Mitte Zwanzig“ weckt Erwartungen, die Regisseur Baumbach mit Absicht nur halbherzig erfüllt. Denn wer etwas mit seiner Arbeit vertraut ist, kann erahnen, dass er dieses Aufeinandertreffen der Generationen statt für billige Kalauer lieber für einige tiefgründige Betrachtungen zum Zustand unserer Gesellschaft nutzt. Das mag manchmal etwas bemüht wirken, in großen Teilen jedoch ist es amüsant und unterhaltsam inszeniert. So auch in „Gefühlt Mitte Zwanzig“: Manche Dialoge wirken zu lang und zu verkopft, um glaubhaft zu sein. Wahrhaftig jedoch sind sie allemal. Baumbach erweist sich einmal mehr als genauer Beobachter menschlicher Eigenschaften und Befindlichkeiten, die er stets respektvoll und doch ironisch thematisiert. Ob Handygebrauch, modische Accessoires oder bevorzugtes Unterhaltungsmedium: Wenn der ältere Josh abends die gängigen Online-Plattformen nach einem Film durchsucht während der jüngere Jamie ganz oldschool eine Videokassette einlegt, ist das eine wunderbare Umkehrung von Vorurteilen, die zum Lachen und zum Nachdenken anregt.

In der zweiten Hälfte nimmt „Gefühlt Mitte Zwanzig“ dann eine unerwartete Wendung, die dem Film und den Charakteren neue Facetten entlockt und dabei das zuvor Komödiantische zunehmend mit bitterer Ironie ersetzt. Wie oben bereits angedeutet, verläuft dieser Übergang inhaltlich aber nicht ohne Schlaglöcher. Vor allem die Figur der Darby kristallisiert sich immer mehr als für die Handlung überflüssiges schönes Beiwerk heraus, was Baumbach kongenial gleich selbst durch ihre Stimme kundtut: „Es ist wie beim Trampen: Nur Jamie allein würdest du nicht mitnehmen. Wenn ich jedoch daneben stehe, hältst du an.“

Wer derart selbstsicher und -ironisch unterwegs ist, hat echt was drauf. Noah Baumbach ist so ein kleines Regiewunder, das manchmal sehr an Woody Allen erinnert – im Guten wie im Schlechten. „Gefühlt Mitte Zwanzig“ ist dafür ein fabelhaftes Beispiel.

Die DVD/Blu-ray bietet den Film in deutsch synchronisierter und englischer Originalsprachfassung sowie deutsche und englische Untertitel. Unter den Extras finden sich drei kurze Dokus zu unterschiedlichen Aspekten der Produktion sowie Interviews und Trailer. „Gefühlt Mitte Zwanzig“ erscheint bei universum film/SquareOne Entertainment und ist seit 4. Dezember 2015 erhältlich (Packshot + stills: © Universum Film).

... im Nachgang: „Spectre“ (Kinostart: 5. November 2015)

Das 24. Abenteuer des britischen Doppel-Null-Agenten James Bond lässt weltweit die Kassen klingeln. Mein Fazit zum Film findet sich HIER (von mir stammt der Contra-Teil des Textes ).

(Plakat: © 2015 Sony Pictures Releasing GmbH)