Heimkino-Tipp: „Jagd auf einen Unsichtbaren“ (1992)

Der Mann ohne Gesicht

In den vergangenen Monaten veröffentlichten drei von mir sehr geschätzte Musiker neue Alben im Bereich elektronische Musik: Mit „Hotspot“ lieferten die beiden Pet Shop Boys Neil Tennant und Chris Lowe zweifellos die Platte mit dem passendsten Titel zum Zustand der Welt, während der Regisseur a.D. John Carpenter – um beim Thema zu bleiben – mit „Alive After Death“ bereits die Musik zum Ende der Corona-Beschränkungen vorlegte. Das (in meinen Augen) Besondere: Mit 66 (Tennant) bzw. 61 (Lowe) sowie 73 Jahren (Carpenter) hauen diese drei Herren fetzigere und substanzvollere (Tanz-)Musik raus als die Mehrzahl ihrer jüngeren Kollegen. Unbedingt hörenswert!

Besonders im Falle des ehemaligen Filmemachers Carpenter ist dieser zweite künstlerische Frühling natürlich sehr erfreulich, waren seine (bisher) letzten Streifen ja nicht unbedingt von herausragender Qualität. Dass das mehr mit auferlegten Budgetbeschränkungen und nicht enden wollenden Zwischenrufen seitens der produzierenden Filmstudios zu tun gehabt hat als mit Carpenters Können, ist kein großes Geheimnis und war sicherlich einer der Hauptgründe, weshalb sich der gebürtige US-Amerikaner nach dem durchwachsenen „The Ward“ (2010) endgültig(?) vom Selbst-Filme-Machen verabschiedete. Als Soundtrack-Lieferant („Halloween“, 2018; „Halloween Kills“, 2021) ist er jedoch weiterhin im Business tätig und „droppt“, wie es neudeutsch so schön schräg heißt, als Musiker mit Band ab und an tolle Instrumental-Alben.

Was hat nun diese lange Vorrede mit „Jagd auf einen Unsichtbaren“ zu tun? Außer dem Mann auf dem Regiestuhl eigentlich nix. Oder zumindest soviel, da wohl auch die Erfahrungen beim Dreh dieses Films dazu beitrugen, den Graben zwischen „dem Künstler Carpenter“ und „dem System Hollywood“ weiter zu vertiefen. Denn obwohl der Carpenter-Touch hier und da zum Vorschein kommt, merkt man dem Endprodukt an, dass es wohl etlicher Kompromisse bedurfte, um alle Beteiligten halbwegs zufrieden zu stellen.

Dabei beginnt es vielversprechend: Eine scheinbar unsichtbare Person erinnert sich an jene Geschehnisse, die ihr ihren jetzigen Zustand beschert haben. Und das kam so: Der selbstbewusste Geschäftsmann Nick Halloway (Chevy Chase) lässt es am Abend vor einem Meeting ordentlich krachen und schläft daraufhin am nächsten Morgen während einer Präsentation in einem Nebenraum des Firmengebäudes ein. Als Nick erwacht, ist sein Körper nicht mehr sichtbar – und er fortan nur noch anhand der Kleidung, die ihn bedeckt, zu erkennen. Ein Unfall, dessen Folgen nach Ansicht des CIA-Agenten Jenkins (Sam Neill) ungeahnte Möglichkeiten bieten, jedoch unbedingt geheim gehalten werden müssen. Die Jagd auf Nick, den Unsichtbaren, beginnt.

Eine temporeiche Hatz, eine schöne Frau (Daryl Hannah) als helfende Komplizin und viele bemerkenswerte Special Effects: Auf dem Papier klingt „Jagd auf einen Unsichtbaren“ wie ein sicherer Kassenschlager. Dazu noch ein Regisseur, der eine ganze Fanschar anlockt und zwei Stars, die – zumindest vor der Kamera – als sympathisches Duo begeistern. Für einen kurzweiligen Filmspaß fehlt es tatsächlich an nix. Die Protagonisten eilen von einem Schauplatz zum nächsten, die Rollen gut/böse sind klar verteilt und die Prämisse des Unsichtbaren, dem es zunehmend schwerer fällt, nicht aufzufallen, sorgt für amüsante Momente.

Was fehlt, ist ein wenig Tiefgang, der die fantasievolle, aber keinesfalls unglaubwürdige Geschichte etwas erdet und zu mehr macht als eine bloße Ansammlung von actionreichen Einzelszenen. So läuft der Film schnurstracks auf ein erwartbares Finale zu, das ein wenig unausgegoren und für den einen oder anderen vielleicht auch unbefriedigend wirkt. So recht will und kann ich mir nicht vorstellen, dass dieses im Sinne von Carpenter entstand, dessen frühere Filme weit verstörendere Schlusspunkte setzten.

Doch (vor allem) im Filmbusiness gilt: Wer das Geld hat, hat die Macht – und darf im Zweifel entscheiden, wie und in welcher Stimmung eine solche Großproduktion zu enden hat. So bleibt „Jagd auf einen Unsichtbaren“ eine Art Carpenter light, der wunderbar unterhält, jedoch für meinen Geschmack etwas zu oberflächlich daherkommt, damit viel Potenzial verschenkt und vor allem in der zweiten Hälfte nicht ganz zu Ende gedacht scheint. Macht nix. Höre ich halt nochmal eine der Rentner-CDs und kreiere mir dabei ein eigenes, passenderes Filmende.

Die DVD/Blu-ray bietet den Film in englischer original und deutsch synchronisierter Sprachfassung sowie optional deutsche und englische Untertitel. Als Extras gibt es u.a. ein kurzes Making of, Interviews, entfernte Szenen und Trailer. „Jagd auf einen Unsichtbaren“ erscheint bei Koch Films und ist seit 10. Juni 2021 erhältlich (Packshots + stills: © Koch Films)