„Sherlock Holmes“ (Kinostart: 28. Januar 2010)

Ja seid ihr denn von Sinnen? Nicht genug, dass scheinbar jeder in Hollywood produzierte Film ab sofort im 3-D-Format erscheinen muss (aktuell: „Harry Potter“, „Ghostbusters 3“, „Gremlins“, „Piranha“), nein, inzwischen gibt es oftmals schon vor Kinostart die Ankündigung einer Fortsetzung. Guy Ritchies („Snatch“, RocknRolla“) Historien-Krimi-Komödien-Vehikel „Sherlock Holmes“ darf somit als Auftakt einer mehrteiligen Serie gelten, erste Zahlen vom Einspiel rechtfertigen diese Entscheidung zumindest wirtschaftlich allemal.

Doch halt, sollte bei aller Freude über Robert Downey, Jr.s erfolgreichen Karriereneustart nach endlosen Drogenabstürzen nicht doch auch ein wenig auf Qualität geachtet werden? Naiv wie ich bin, habe ich nämlich die Hoffnung darauf, dass es den Geldgebern in der Traumfabrik nicht nur um den schnöden Mammon geht, noch nicht vollends aufgegeben.

Denn abseits des Medienhypes und einiger gerechtfertigter Kritiken über die Spielfreude des Hauptdarstellers, ist „Sherlock Holmes“ nicht mehr als lautes, blendendes Rumskino. Den aktuellen Sehgewohnheiten eines jungen Publikums angepasst, ist der berühmte britische Detektiv (Downey, Jr.) ein durchtrainierter, frecher und kampferprobter Kriminologe, dem zwar aufgrund zeitlicher Einordnung ins London des 19. Jahrhunderts (noch) keine Hilfsmittel á la „CSI“ zur Verfügung stehen. Dank seines messerscharfen Verstands und seines aufmerksamen Kollegen Dr. Watson (Jude Law) ist Bösewicht Lord Blackwood (Mark Strong) jedoch gleich zu Beginn fällig und wandert hinter Gitter. Klar, dass diesem die Flucht gelingt und Holmes abermals die Verfolgung aufnehmen muss um Schlimmeres zu verhindern.

So erleben wir eine in düstere Kulissen getauchte Hatz mit Prügeleien, verbalen Gemeinheiten und einem wie immer sehr coolen, in diesem Fall alles zusammenhaltenden Downey, Jr. Denn einzig dessen Performance rettet den Film besonders in der ersten Hälfte seiner ohnehin viel zu langen 128 Minuten vor dem Schiffbruch. Konzept- und komplett spannungslos reihen sich hier „amüsante“ Szenen aus dem Alltag des etwas neben der Spur lebenden Holmes aneinander, die zudem aus einer kruden Mischung aus vertrauter Guy-Ritchie-Optik und unübersehbaren Einflüssen aus dem „Saw“-Universum bestehen (dessen siebenter Teil 2010 natürlich auch in 3-D erscheint). Wenn dann noch ein menschlicher Riese in Gestalt und Gestus eines „Beißers“ (James-Bond-Fans wissen Bescheid) die Szenerie bereichert, ist der Ideenklau perfekt.

Was bleibt, ist ein viel zu gewalttätiger Spaßkrimi, der sicherlich unterhält, angesichts vorhersehbarer Handlung und fehlender Doppelbödigkeit, wie sie beispielsweise die Superhelden-Farce „Iron Man“ in Mengen besaß, jedoch einiges an Potenzial verschenkt.

„Same Same But Different“ (Kinostart: 21. Januar 2010)

Kommentar von Regisseur Detlev Buck: „Seit der Filmhochschule will ich einen Film machen, der nicht nur, wie so oft, ein bisschen Liebe beinhaltet, sondern nichts außer Liebe thematisiert. Doch keine Liebesgeschichte hat sich angeboten. Jetzt, mit dieser wahren Geschichte von Benjamin Prüfer und Sreykeo, sehe ich endlich die Zeit gekommen, den Film zu machen.

Die Geschichte von Benjamin und dessen Frau Sreykeo: Es ist die Geschichte eines deutschen Rucksacktouristen, der sich in Phnom Penh, der Hauptstadt Kambodschas, in ein `Bargirl´ verliebt und sein Leben radikal umkrempelt. Bargirls verdienen sich ihren Lebensunterhalt in Kneipen, Karaoke-Lokalen und Biergärten, arbeiten – im Gegensatz zu Prostituierten – jedoch auf eigene Rechnung. Doch statt wie so viele „Kunden“ am Morgen danach wieder zu verschwinden, bleibt Ben (gespielt von David Kross) in Sreykeos Leben präsent, lernt ihre Familie kennen, sorgt sich um sie und gesteht ihr seine Liebe. Sreykeo (Apinya Sakuljaroensuk) fasst Vertrauen und Ben einen Plan, wie er trotz Geldnot und dadurch erzwungener Rückkehr nach Deutschland Sreykeo weiterhin helfen kann. Bis sie ihm eines Tages mit nur einem Wort ihren chronischen Husten erklärt: p o s i t i v e.

„Same same but different“ verwundert auf mehreren Ebenen:
1.) dass diese an Schicksalsschlägen doch sehr reiche Geschichte tatsächlich wahr ist,
2.) Detlev Buck („Männerpension“ als Regisseur, „Sonnenallee“ als Darsteller) in seiner ersten internationalen Produktion sowohl inhaltlich als auch inszenatorisch hervorragendes Kino vorlegt, und
3.) David Kross („Krabat“, „Der Vorleser“) sein schauspielerisches Talent scheinbar von Rolle zu Rolle ausbaut.

Besonders hervorzuheben sind vor allem die sehr atmosphärischen Szenen auf den Straßen Phnom Penhs sowie der Verzicht von Regisseur Buck, das im Vergleich mit europäischen Standards doch sehr einfache und von Armut geprägte Leben in Kambodscha nicht mitleidsvoll und auf oberflächliche Emotionalität zielend inszeniert zu haben (hui, was für ein Satz - sorry!). Auch weiß der kurze, auf wenige Augenblicke begrenzte Ausflug zu Bens Eltern in Deutschland zu überzeugen, der, ganz grandios zurückhaltend gespielt von Olli Dittrich (!), die Familienverhältnisse prägnant verdeutlicht. Einzig die Bruderfigur wirkt seltsam deplatziert und klischeehaft, ist aber für die Geschichte leider wohl unabdingbar.

Doch verschwindet dieses Manko hinter all den Eindrücken, die dieser Film bietet. Und der Gewissheit, „dass die Bedeutung der Liebe zwischen den Menschen mit der Verantwortung wächst“ (Detlev Buck).

„Surrogates – Mein zweites Ich“ (Kinostart: 21. Januar 2010)

Statt einer Inhaltsangabe will diese Rezension zu Beginn das Augenmerk auf einen anderen Aspekt legen: die Arbeit der „KNB EFX Group“. Gegründet im Jahr 1988 von Greg Nicotero und Howard Berger, weckte diese Effekteschmiede erstmals mit dem Vampirmetzelfest „From Dusk Till Dawn“ (1996) mein Interesse, da dort – wie bei einem Regisseur vom Schlage eines Robert Rodriguez üblich – weniger Perfektion als vielmehr Ideenreichtum das Endprodukt bestimmten. Will sagen: Mit wenig Mitteln einprägsame (nicht perfekte!) Special Effects zu kreieren, ist eine Kunst, die in Zeiten von „Avatar“ kaum noch im Blockbusterkino zu entdecken ist.

Natürlich haben sich auch die Mitarbeiter der KNB EFX Group den neuen technischen Möglichkeiten nicht verschlossen, wie „Kill Bill“, „Minority Report“ oder nun eben „Surrogates“ eindrucksvoll beweisen. Doch der beste Effekt ist immer noch der, der nicht wahrgenommen wird und gemessen an dieser Prämisse hat der Tüftlerladen hier wahrlich Vorzügliches fabriziert.

Im Mittelpunkt der Geschichte steht der Mord an einem jungen, aber gut betuchten Collegestudenten in einer nicht näher definierten Zukunft. FBI-Agent Tom Greer (Bruce Willis) wird mit der Aufklärung des Falles beauftragt, ihm zur Seite stehen dabei seine Kollegin Jennifer (Radha Mitchell, „Silent Hill“) – und Unmengen an Robotern mit menschlichem Antlitz. Denn in der Welt von Greer & Co. hat (fast) jeder Erdenbürger einen künstlichen Doppelgänger, der außerhalb der eigenen vier Wände den Alltag – arbeiten, einkaufen, kommunizieren – verlebt. Die echten Menschen hingegen sitzen derweil in einer Apparatur, von wo aus sie alle Handlungen ihrer personalisierten Roboter bestimmen können – ferngesteuert, distanziert, (scheinbar) sicher. Bis eben jener Collegestudent sowohl künstlich als auch quasi zeitgleich „in echt“ stirbt.

Zugegeben, es ist eine gewöhnungsbedürftige, seltsam anmutende Welt, in die uns Regisseur Jonathan Mostow („Breakdown“, Terminator 3“) da hinein katapultiert. Doch in sich funktional und durchaus logisch, sieht man von einigen wenigen Unstimmigkeiten hier und da einmal ab, wirft der Film abseits einer spannenden Mörderhatz die Frage nach dem Sinn immer weiter fortschreitender Technisierung auf, hinterfragt das omnipräsente „zweite Ich“, welches wahrscheinlich jeder dank Chatrooms, Online-Plattformen und Foren ohnehin schon besitzt, und erinnert an die Schönheit des Unvollkommenen. Im Menschen, in der Natur, im Verhalten. Insofern konterkarieren die perfekten Effekte die Story hervorragend, sind doch die künstlichen von den echten Menschen kaum zu unterscheiden, ist der Übergang vom Schauspieler zur Puppe oder animierten Figur selbst für Genrespezialisten nicht wahrnehmbar (es sei denn, Bruce Willis trägt eines seiner wunderbaren blonden Haartoupets).

Mostow und seinem Stammteam (bekannte Namen u.a. bei Drehbuch, Kamera, Produktionsdesign, Kostüme, Schnitt) ist ein großartiger SciFi-Thriller gelungen, der die Balance zwischen Anspruch, Action und Spannung in jeder Minute halten kann, dabei prächtig unterhält und dazu noch eine außergewöhnliche Auflösung bietet. Bravo!

„Das Kabinett des Dr. Parnassus“ (Kinostart: 7. Januar 2010)

Ex-Monthy-Python-Mitglied Terry Gilliam ist die personifizierte Hartnäckigkeit: Wenn Produzenten ihm das Budget kürzen, Unwetter ganze Sets fluten oder Hauptdarsteller während des Drehs schwer erkranken, ist dies für den Schöpfer von „Brazil“ und „12 Monkeys“ noch lange kein Grund, ein Filmprojekt aufzugeben (Wer´s nicht glaubt: die Dokumentation „Verloren in La Mancha“ aus dem Jahr 2002 zeigt Gilliams erfolglosen Kampf, „Don Quijote“ zu verfilmen, auf sehr unterhaltsame Weise). Der überraschende Tod von Heath Ledger, eine der zentralen Figuren in „Dr. Parnassus“, machte zwar auch diesmal wieder nachträgliche Skriptänderungen nötig. Die kongeniale Umsetzung dieses `Plan B´ jedoch würdigt den letzten Auftritt des Verstorbenen meisterlich.

Dr. Parnassus (Christopher Plummer) reist als Zauberkünstler und Schausteller mit einem klapprigen Varieté-Vehikel von Stadt zu Stadt. Zusammen mit seinen Assistenten und seiner Tochter Valentina (Lily Cole) präsentiert er dabei eine ziemlich verworrene Show, die nur wenige Zuschauer anlocken kann. Bis die Gaukler Tony (Ledger) kennenlernen – sein Talent bringt endlich den ersehnten Erfolg. Auch Mr. Nick (Tom Waits), der Leibhaftige persönlich, nimmt davon Kenntnis und fordert nun von Parnassus die Erfüllung eines vor Jahren geschlossenen Paktes: Valentina.

Es ist die essenzielle Geschichte vom Kampf zwischen Gut und Böse, die Gilliam hier in rauschhaften, sonderbaren, unfassbar phantasievollen Bildern erzählt. Da er sich dabei klassischen Seh- und Erzählgewohnheiten widersetzt, gelingt ihm die Erschaffung eines cineastischen Kunstwerkes, das zum Träumen, Staunen, Mitfühlen und -fiebern einlädt und im Kino von heute seinesgleichen sucht. Unabhängig davon gelingt es den Schauspielern Johnny Depp, Colin Farrell und Jude Law nicht nur, ihren Kollegen Ledger eindrucksvoll zu `ersetzen´, sondern dessen Rolle auch in seinem eigenen Stil weiterzuführen. Ganz so, als hätte der Teufel dabei seine Hände mit im Spiel gehabt.

Aus dem „Meißner Tageblatt“ vom 13. Januar 2010.