Heimkino-Tipp: „1000 Arten Regen zu beschreiben“ (2017)

Room Service

Nein, Papa Thomas (Bjarne Mädel) passt es gar nicht, was seine Frau Susanne (Bibiana Beglau) da vor der Zimmertür ihres gemeinsamen Sohnes Mike veranstaltet: stellt ihm regelmäßig einen Teller mit Essen hin, leert mit Urin gefüllte Plastikflaschen aus, die er hin und wieder hinstellt, und hat sich zudem auch noch krankschreiben lassen, um ganztägig Zuhause bleiben zu können. Denn der 18jährige Mike hat beschlossen, sein Kinderzimmer zu seinem Refugium zu machen – seinem einzigen Refugium, das er fortan nicht mehr verlässt. Kommentarlos, nur gelegentlich über kleine Zettelchen kommunizierend, die er unter der Tür in die Außenwelt sendet, ist sein Verhalten ein Rätsel. Das macht nicht nur seinen Eltern, sondern ebenso seiner jüngeren Schwester Miriam (Emma Bading) zu schaffen, die selbst gerade mit der Pubertät kämpft und sich mehr und mehr vernachlässigt fühlt.

Es ist eine interessante Ausgangssituation, die Regisseurin Isa Prahl für ihr Erstlingswerk gewählt hat. Tatsächlich gibt es ein solches Verhalten in Japan schon seit einigen Jahren, genannt Hikikomori. Ein gesellschaftliches Phänomen, meist einhergehend mit Überforderung und Versagensängsten, das vor allem Kinder dazu veranlasst, sich auf engstem Raum einzuigeln. „1000 Arten den Regen zu beschreiben“ verzichtet allerdings auf eine Erklärung und konzentriert sich vollständig auf das Leben vor der Tür. Dass Mike noch lebt, zeigt sich lediglich an den beweglichen Schatten, die unterm Türschlitz erkennbar sind.

Was geschieht mit einer Familie, wenn sich ein Mitglied komplett zurückzieht und jegliche Kommunikation kappt? Welche Folgen hat das Verschwinden eines geliebten Menschen auf die Hinterbliebenen? Regisseurin Prahl zeigt es anhand dreier unterschiedlicher Verhaltensweisen: Während Thomas wütend ist und dies auch lautstark kundtut, flüchtet sich Susanne in einer Art Ersatz-Mutter-Kind-Beziehung mit einem von Mikes Mitschülern (Louis Hofmann). Teenagerin Miriam hingegen testet frustriert ihre Grenzen aus und verliert auf diversen Partys zunehmend sämtliche Hemmungen.

Da der Film sich jeglichen Erklärungen verweigert, kann das Gesehene vielfältig interpretiert werden. Beispielsweise als extreme Form der Entfremdung zwischen Kind und Eltern, oder als Parabel auf den unerwarteten Tod eines nahestehenden Menschen, dessen Verlust man nicht akzeptieren will und daher versucht, die fehlende Person weiterhin in den Alltag einzubinden.

Vielleicht ist das auch der einzige (kleine) Kritikpunkt an diesem ansonsten sehenswerten Film: die vier Hauptfiguren stehen am Ende am selben Punkt wie zu Beginn. Die Ratlosigkeit, Wut und Trauer der drei Außenstehenden über den Verlust ihres vierten Kompagnons sind weiterhin vorhanden, eine Lösung des Problems nicht in Sicht. Aber so ist das ja oft im Leben: einfache Erklärungen gibt es nicht.

Die DVD bietet den Film in deutscher Originalversion mit optionalen englischen Untertiteln. Eine Hörfilmfassung ist ebenso vorhanden (sehr lobenswert!). Als Extras gibt es ein Making of, Szenen vom Dreh sowie Trailer. „1000 Arten Regen zu beschreiben“ erscheint bei good!movies/filmkinotext und ist seit 14.Dezember 2018 erhältlich (Packshot und stills: good!movies/filmkinotext).

Heimkino-Tipp: „BlacKkKlansman“ (2018)

Inside Men

Spike Lee zählt zu den wichtigsten Filmemachern Amerikas. Seit Ende der 1970er-Jahren aktiv, dreht er quasi im Akkord Dramen, Komödien und Thriller, die mal mehr mal weniger immer wieder auf ein Thema zurückkommen: den Rassismus in den USA. Lee macht das selten zurückhaltend. Vielmehr provoziert er, klagt an und benennt Dinge klar und ohne Furcht. Das hat ihn einerseits schon etliche Filmpreise eingebracht (u.a. Gewinn/Nominierungen Berlinale, Venedig, Cannes, Oscars), aber auch immer wieder Kritik bis hin zu Antisemitismusvorwürfen. Spätestens mit „BlacKkKlansman“ wird deutlich, was von solcherlei Beschuldigungen zu halten ist – nämlich nix.

Der Film greift eine wahre Geschichte auf, die sich in den 1970ern tatsächlich zugetragen hat. Das ist insofern von Bedeutung, da es andernfalls wohl sonst als ‚unrealistisch‘ gebrandmarkt worden wäre: die Infiltration des Ku Klux Klan durch einen Schwarzen und einen Juden.

Der Polizist Ron Stallworth (John David Washington) entdeckt in der örtlichen Zeitung eine Anzeige des Klans, die um neue Mitglieder wirbt. Spontan greift er zum Telefonhörer und behauptet, Juden- und vor allem ein Schwarzenhasser zu sein. Klan-Chef David Duke (Topher Grace) ist begeistert und lädt seinen neuen Freund zu sich ein. Um die Scharade aufrecht erhalten zu können, bittet Stallworth seinen (weißen jüdischen) Kollegen Flip Zimmerman (Adam Driver), an seiner Stelle zu der Versammlung zu gehen. Der Beginn eines ungewöhnlichen und sehr erhellenden Undercover-Einsatzes.

Mit Blick auf die umfangreiche Filmografie Lees bin ich froh, dass er den Regieposten für diesen sowohl unterhaltsamen wie auch erschütternden Streifen übernommen hat. „BlacKkKlansman“ ist beinahe so etwas wie die thematische und künstlerische Quintessenz all dessen, was Lee – der 2016 seinen wohlverdienten Ehren-Oscar erhielt – in den vergangenen Jahrzehnten filmisch geleistet hat. Der Streifen ist nicht nur ein historischer Rückblick, sondern ebenso ein Porträt der amerikanischen Black Power-Bewegung, ein satirischer Kommentar zu all den debilen Ansichten der Klan-Affen, eine Abrechnung mit dem gemeinhin als Meisterwerk geltenden Filmepos „Die Geburt einer Nation“ (1915) sowie eine schmerzhafte Erinnerung an die beschämende Behandlung von Schwarzen weit in das 20. Jahrhundert hinein. Dass dies alles nun in Zeiten von Trump & Co. wieder an die Oberfläche kommt, bietet Lee zudem genug Material, um eine Brücke zu aktuellen Ereignissen zu schlagen. Und als wäre dies noch nicht genug, würzt Lee sein Meisterstück mit Humor und funky Sounds, was in seinen bisherigen Werken selten so gut aufging wie hier.

Bezüglich der Besetzung ist „BlacKkKlansman“ ebenso ein Volltreffer: John David Washington beweist in einer seiner ersten Hauptrollen, dass er das Talent seines Vaters Denzel ebenso besitzt, gleichzeitig glänzt Adam Driver als ein mit seiner Religion hadernden Mann, dem erst bei der direkten Konfrontation mit dem Hass des Klans bewusst wird, welche Verantwortung er trägt. Ganz große Klasse!

Würde mich somit nicht wundern, wenn „BlacKkKlansman“ bei den anstehenden Oscar-Nominierungen in mehreren Kategorien auftaucht. Verdient hätte er’s!

Die DVD/Blu-ray bietet den Film u.a. in deutsch synchronisierter und englischer Originalsprachfassung sowie diverse Untertitel. Als Extras gibt es einen kurzen Promoclip sowie Trailer. „BlacKkKlansman“ erscheint bei Universal Pictures Germany GmbH und ist seit 21. Dezember 2018 erhältlich. (Packshot + stills: © Universal Pictures)

Heimkino-Tipp: „Nico, 1988“ (2017)

Rebel Rebel

Geglückt ist ein (filmisches) Porträt in meinen Augen immer dann, wenn es ZuschauerInnen motiviert, im Anschluss an den Filmgenuss selbst ein wenig zum Künstler zu recherchieren. Gemessen daran, ist „Nico, 1988“ von Regisseurin/Autorin Susanna Nicchiarelli ein überaus gelungenes Werk, das gleichzeitig als interessante Momentaufnahme einer rebellischen Künstlerin bezeichnet werden kann.

Die gebürtige Kölnerin Christa Päffgen, besser bekannt unter ihrem Alias Nico, starb 1988 im Alter von nur 49 Jahren auf Ibiza. Zu diesem Zeitpunkt galt sie bereits als eine Legende, hatte sie bis dato doch auf vielfältige Weise mit einigen der berühmtesten Künstler der Welt zusammengearbeitet. Andy Warhol, Lou Reed, Leonard Cohen, Jim Morrison, Brian Eno und Iggy Pop sind nur einige Namen, die in ihrer Biografie auftauchen. Sie gilt als eines der ersten, weltweit erfolgreichen Supermodels, inspirierte andere als Muse und versuchte sich zudem als Schauspielerin. Ihre Leidenschaft aber gehörte der Musik – oder zumindest dem, was sie darunter verstand.

Denn Nico war an kommerziellem Erfolg nicht interessiert. Sie legte keinen Wert darauf, gemocht zu werden, kaschierte ihre Schönheit mit unauffälliger, zum Teil kaputter Kleidung und lebte ihren Drogenkonsum offen aus. Die von ihr geschaffene Musik war düster, unangepasst, experimentell. Und trotzdem – oder gerade deshalb – ist ihr Einfluss auf folgende Künstlergenerationen immens.

Da verwundert es schon ein wenig, dass „Nico, 1988“ lediglich knappe 90 Minuten Laufzeit vorweisen kann. Wie der Titel bereits suggeriert, konzentriert sich Filmemacherin Nicchiarelli nur auf die letzte Phase von Nicos Leben, das – so zumindest suggeriert es der Film – gezeichnet ist von Heroinsucht, Frust sowie Antriebslosigkeit, was sich vor allem auf der Bühne immer wieder zeigt. So bricht sie Konzerte schon mal lautstark und wenig charmant ab, wenn ihr das Gitarrenspiel ihrer Mitmusiker nicht zusagt. Hinzu kommt der Wunsch, mehr Zeit mit ihrem Sohn zu verbringen, der seit einem Suizidversuch in einer psychiatrischen Anstalt untergebracht ist und ebenso wie seine berühmte Mutter seinen Platz in der Welt noch nicht gefunden zu haben scheint.

Gefilmt im quadratischen 4:3-Format, macht „Nico, 1988“ schon formal deutlich, wie sich Päffgen gefühlt haben muss. Reduziert auf ihre Vergangenheit inmitten berühmter Menschen, versucht sie vergeblich, Publikum und Presse auf ihre eigene Kunst aufmerksam zu machen. Gleichzeitig lässt sie nichts unversucht, um Erwartungen zu enttäuschen und ihr Umfeld zu provozieren.

Bei aller Kratzbürstigkeit, die Hauptdarstellerin Trine Dyrholm als Nico dabei ausstrahlt, wird jedoch nie eine Misanthropin aus ihr. Vielmehr entsteht ein vielschichtiges Porträt einer Frau, die nie ganz ihre Maske fallen lässt und beständig auf der Suche ist – nach neuen Songideen, einem Neuanfang als Mutter, einem neuen Leben.

Gerade im Vergleich zum aktuellen Kinohit „Bohemian Rhapsody“, der einen Teil von Freddie Mercurys Leben nachzeichnet, werden die unterschiedlichen Herangehensweisen an ein Biopic deutlich: Während der Hollywood-Streifen markante Ereignisse hervorhebt, beschäftigt sich „Nico, 1988“ mit vielen ‚kleinen‘ Momenten abseits des Rampenlichts und versucht, dem Seelenleben der Protagonistin auf die Spur zu kommen. Das mag weniger mitreißend sein als ein Konzertmitschnitt von „We Will Rock You“, persönlicher ist es allemal.

Die DVD bietet den Film in englischer Originalversion mit optionalen deutschen Untertiteln. Als Extra gibt es Trailer. „Nico, 1988“ erscheint bei good!movies/filmkinotext und ist seit 19. Oktober 2018 erhältlich (Packshot und stills: good!movies/filmkinotext).

Heimkino-Tipp: „Vollblüter“ (2017)

Girls Just Want To Have Fun

Bin ja großer Fan der Fanning-Geschwister (Dakota & Elle) sowie der wunderbaren Chloë Grace Moretz – allesamt fantastische Jung-Schauspielerinnen, die seit Kindertagen vor Kameras stehen und schon sehr sehr viele gute Filme abgeliefert haben. Aber es gibt noch mehr! Anya Taylor-Joy („The VVitch“, „Split“) und Olivia Cooke („Bates Motel“, „Ready Player One“) beispielsweise, die mich vor allem nach dem Genuss von „Vollblüter“ davon überzeugt haben, dass es zumindest darstellerisch auch in Zukunft an weiblichen Talenten nicht mangeln wird.

Taylor-Joy und Cooke ziehen in Cory Finleys Regiedebüt eine grandiose Show als intelligente, aber mit bösen Absichten versehene Mädels ab, die einerseits amüsant, andererseits richtig beängstigend ist. Und das Schönste daran: Es ist beiden Girls anzusehen, was für einen großen Spaß sie dabei hatten, ihre Figuren zum Leben zu erwecken.

Amanda (Cooke) ist wegen ihres seltsamen Verhaltens eine Außenseiterin an ihrer Schule. Von ihrer Mutter wird sie deshalb zum gemeinsamen Lernen mit Lily (Taylor-Joy) verdonnert. Allerdings durchschaut Amanda schnell, woher die überfreundliche Art ihrer neuen Helferin rührt: sie wurde dafür bezahlt, und das gar nicht mal so schlecht. Mit ihrer unangenehm direkten Art konfrontiert Amanda die zunächst ‚zugeknöpfte‘ Lily sogleich mit allerhand Fakten, die ihr ins Auge fallen: Lily hasst ihren reichen Stiefvater, lebt in einem goldenen Käfig und besitzt hinter ihrer scheinbar perfekten Fassade eine dunkle Seite. Pragmatisch wie Amanda ist, schlägt sie Lily schließlich vor, das dringendste dieser Probleme zu beseitigen - den Ersatz-Papa. Als Werkzeug soll ihnen dabei der Kleindealer Tim (Anton Yelchin) dienen, den sie kurzerhand erpressen. Aber auch ein perfekter Plan hat oftmals unerwartete Mängel.

Ursprünglich konzipiert als Bühnenstück, schreitet die Handlung vornehmlich in Dialogform voran. Was jedoch nicht heißt, dass es optisch langweilig zugeht: Regisseur Finley und sein Kameramann Lyle Vincent machen schon mit einer wunderbaren, ungeschnittenen Kamerafahrt zu Beginn klar, dass sie ihr Handwerk verstehen. Sie übertragen in der Folge die kühle Rationalität, die ihre beiden Protagonistinnen an den Tag legen, gekonnt auf die formale Ebene, was fast schon eine gewisse Sogwirkung entfaltet. Nicht zuletzt dank der (zumindest in der englischen Sprachfassung) grandiosen Dialoge, die hier und da sogar zum Zurückspulen einzelner Szenen anregen, um wirklich keine Nuance zu überhören/zu übersehen.

Kurzum: ein sehenswertes Werk besonders für all jene, die es inhaltlich gerne mal etwas fieser mögen und ebenso wie der Autor dieser Zeilen an formidabel geschriebenen Szenen gepaart mit tollen Schauspielleistungen ihre Freude haben.

Traurige Randnotiz: Der Film ist Tim-Darsteller Anton Yelchin gewidmet, da „Vollblüter“ der letzte Film ist, den er vor seinem bedauerlichen Unfalltod 2016 vollendet hat. Yelchin wurde lediglich 27 Jahre alt.

Die DVD/Blu-ray bietet den Film u.a. in deutsch synchronisierter und englischer Originalsprachfassung sowie diverse Untertitel. Als Extras gibt es gelöschte Szenen sowie ein paar Promo-Making of-Clips. „Vollblüter“ erscheint bei Universal Pictures Germany GmbH und ist seit 13. Dezember 2018 erhältlich. (Packshot + stills: © Universal Pictures)

... im Nachgang: „Bohemian Rhapsody“ (Kinostart: 31. Oktober 2018)

The Great Pretender

Es ist schon „A Kind of Magic“, dass dieser Film existiert: Angekündigt 2010, sollte zunächst ein gewisser Sacha Baron Cohen, der Schauspieler hinter den Kunstfiguren Borat und Ali G, die Hauptrolle übernehmen und Freddie Mercury verkörpern. Drei Jahre später verließ er das Projekt jedoch aufgrund „kreativer Differenzen“. 2016 ging es dann endlich wieder vorwärts, mit neuem Skript, neuem Hauptdarsteller – Rami Malek – sowie neuem Regisseur. Tja, denkste! Denn Bryan Singer, Hollywood-Profi und Schöpfer von Kassenschlagern wie »Die üblichen Verdächtigen«, »X-Men« und »Operation Walküre« blieb dem Set eines Tages einfach fern – und »Bohemian Rhapsody« stand mitten in den Dreharbeiten abermals vor dem Aus. Zuende gefilmt hat ihn dann der Brite Dexter Fletcher (»Eddie the Eagle«), dessen Name im Abspann aufgrund rechtlicher Vereinbarungen aber nur bei den Produzenten auftaucht. Was’n Chaos!

Umso erstaunlicher, wie gut die Queen-Bandbiografie schlussendlich geworden ist. Oder ist es doch eher ein Porträt von Mr. Mercury, der zufällig in einer bekannten Musikkappelle mitwirkte? Der Film erweckt jedenfalls den Eindruck, dass die drei anderen, überaus talentierten Kompagnons ohne ihren charismatischen Sänger keine Chance im Business gehabt hätten. Das ist insofern inkorrekt, da Brian May, Roger Taylor und John Deacon für einige der beliebtesten Queen-Songs Verantwortung tragen. Aber was sind schon Melodie und Texte ohne eine Stimme und eine Bühnensau, der sie zum Leben erweckt? Auftritt Rami Malek, dem blassen Hacker aus der Erfolgsserie »Mr. Robot«, der in der Rolle des Freddie M. wahrscheinlich seinen Zenit als Schauspieler bereits erreicht hat.

Es ist schlicht gigantisch, was der 37-Jährige hier abliefert: Körpersprache, Bewegungen, Aussehen – es scheint, als sei der Queen-Sänger wieder auferstanden. Und damit dieses schöne Gefühl beim Zuschauer erhalten bleibt, behält der Film Freddies finale Jahre für sich. Stattdessen endet »Bohemian Rhapsody« laut, mitreißend und überwältigend mit Queens Auftritt bei „Live Aid“ 1985, einer Performance für die Ewigkeit (zu finden in der Weiten Wilden Welt des Internets).

Ein schöner Kontrast zu all der Dramatik, mit der Band und Leadsänger zuvor zu kämpfen hatten: familiäre Probleme, die dunklen Seiten des Ruhms, das Versteckspiel vor den Medien bezüglich sexueller Präferenzen und schließlich die Gewissheit, aufgrund einer AIDS-Erkrankung womöglich bald sterben zu müssen. All das verpackt der Film in gewohnter Hollywood-Manier in einzelne Kapitel, immer wieder unterbrochen von Konzertmitschnitten und Aufnahme-Sessions in Studios, damit es für den Zuschauenden auch nicht zu schmerzhaft wird. Das mag hier und da oberflächlich wirken, angesichts des rauschhaften Lebensstils Mercurys allerdings durchaus angebracht und nachvollziehbar.

Und trotzdem: Freddies Arbeitspensum bis zu seinem Tod 1991, die vielen Hits, die bis dahin noch entstanden, der bewegende letzte Videodreh („These Are the Days of Our Lives“) und auch das Tribute-Konzert im April 1992 mit George Michaels phänomenaler Version von „Somebody to Love“ hätten gerne noch hinzugefügt werden können. „ I Want It All“! Aber wer kriegt das schon ...

(Plakat + stills: © 2018 Twentieth Century Fox)

Heimkino-Tipp: „Hotel Artemis“ (2018)

Emergency Room

Zugegeben: Würde es nicht im Trivia-Teil der Filmdatenbank IMDB stehen, wäre ich nie drauf gekommen. Aber die Tatsache, dass die Wortschöpfung „Covfefe“ gleich zweimal in kyrillischer Schrift auftaucht, ist ein Statement, welches nicht unkommentiert bleiben darf. Denn nicht nur damit macht Regisseur Drew Pearce klar, worauf er mit seinem unterhaltsamen Thriller „Hotel Artemis“ abzielt. Aber der Reihe nach:

Die Stadt: Los Angeles. Das Jahr: 2028. Die Menschen: in Aufruhr. Grund ist ein Privatunternehmen, das den Zugang zum Wasser kontrolliert und die Bevölkerung vor Wut auf die Straßen treibt. Mittendrin das titelgebende Hotel Artemis, in dem verwundete Schwerverbrecher medizinische Hilfe erhalten. Die Belegschaft besteht aus lediglich zwei Personen: einer (Kranken-)Schwester (Jodie Foster) sowie ihrem Assistenten (Dave Bautista), dessen Physis seinem Namen Everest alle Ehre macht. Vor ihnen liegt eine Nacht wie keine andere, bekommen sie doch neben zwei Bankräubern (Sterling K. Brown, Brian Tyree Henry), einer Killerin (Sofia Boutella) sowie einem Waffenhändler (Charlie Day) noch ganz besonderen Besuch: Oberbösewicht Wolf King (Jeff Goldblum) und dessen ungestümer Sohn (Zachary Quinto) bestehen trotz Überfüllung auf eine Aufnahme – und bringen damit die geordnete Hotelwelt der Bediensteten gehörig ins Wanken.

Storybezogen ein klassisches B-Movie mit begrenztem Handlungsort, ist „Hotel Artemis“ ein wahres Potpourri an Filmarten: düstere Dystopie, beißender Gesellschaftskommentar, harter Actionfilm und sogar ein wenig Drama. Ein (un-)bunter Mix sozusagen, dessen Dreh- und Angelpunkt die Hausherrin ist, verkörpert von der einzigartigen Jodie Foster. Sie nach „Elysium“ (2013) nun endlich wieder in einem Film sehen zu können, ist allein die Ausleihe/den Kauf des Films wert. Dass sie sich nach so langer Leinwandabstinenz gerade diesen Stoff mit dieser Figur herausgesucht hat, spricht für die Qualität der Geschichte. Und tatsächlich: Obwohl keiner der zahlreichen anderen Charaktere nur ansatzweise so viel Raum und Zeit erhält wie die Schwester, glaubt man nach 90 Minuten alle Figuren und ihre Beweggründe zu kennen. Regisseur/Autor Pearce gelingt es überraschend gut, auch in den lautesten Actionszenen eine gewisse Melancholie durchschimmern zu lassen, die durch das Setting – ein ehemaliges Luxushotel, das wie die Welt, in der es erbaut wurde, langsam aber unaufhaltsam zerfällt – noch verstärkt wird. Dazu ein mit Oldies aus den 1960ern und 1970ern gespickter Soundtrack und fertig ist ein Kunstwerk, das wie ein guter Film noir noch lange nachwirkt.

Aber was hat das alles mit Donald Trumps „Covfefe“ zu tun? Mag sein, dass sich Pearce und sein Team einfach einen Spaß machen wollten. Vielleicht ist der Verweis (auf Russisch, wohlgemerkt!) aber auch Ausdruck einer Befürchtung, wohin es mit Leuten wie Trump geht: ein Bürgerkrieg, ausgelöst durch das Verweigern grundsätzlicher Rechte (z.B. auf ausreichende Versorgung); ein Staat, in dem sich nur Wohlhabende einen Klinikbesuch leisten können; eine Gesellschaft, in der jahrzehntelang festgeschriebene Regeln wie die des Hotel Artemis einfach ignoriert werden und jede Vernunft am Ende von Gewalt förmlich überrannt wird. Oder interpretiere ich da zu viel rein? Egal, trotzdem angucken! Es lohnt!

Die DVD/Blu-ray/4K UHD bietet den Film in deutsch synchronisierter und englischer Originalsprachfassung sowie optionale deutsche Untertitel (für Hörgeschädigte). Als Extras befinden sich Interviews sowie Trailer auf den Discs. „Hotel Artemis“ erscheint bei Concorde Home Entertainment und ist seit 3. Dezember 2018 erhältlich. (Packshot + stills: © Concorde)

Heimkino-Tipp: „Gotti“ (2017)

Der Patenonkel

Zunächst eine Richtigstellung: Der Infotext auf der Rückseite der Blu-ray/DVD-Hülle nennt „Gotti“ einen ‚US-Blockbuster‘. Klingt vielversprechend – ist aber schlichtweg gelogen. Denn wenn es einen Film gab, der dieses Jahr an den (amerikanischen) Kinokassen so richtig unterging, dann war es dieser: Lediglich 1,67 Millionen US-Dollar (Quelle: The Wrap, LINK) spielte der Streifen an seinem Startwochenende ein, was – trotz der zweifelhaften Aussagekraft solcher Erhebungen – für Hollywood-Standards wirklich wenig ist. Zudem sorgte die seltsame Bewertung auf diversen, anerkannten (und offiziellen) Review-Seiten im Netz für Verwirrung, die selten so harsch und mitunter böse ausfiel wie hier.

Fakt ist auch: Nach mehreren Jahren in der „Produktionshölle“, etwa 60(!) beteiligten Produzenten (Quelle: IMDB, LINK) und einem ursprünglichen Verleiher, der den Film im Dezember 2017 nur zehn Tage vor der geplanten Veröffentlichung zurückzog, ist es schon ein Wunder, dass er überhaupt erscheint.

Regie führte Kevin Connolly, hauptberuflich eigentlich Schauspieler („Er steht einfach nicht auf Dich“, „Entourage“). Er liefert mit „Gotti“ ein in nahezu allen Belangen durchschnittliches Werk ab, was keinesfalls negativ gemeint ist. Wer sich jedoch an das Genre des Mafia-Films herantraut, muss sich letztendlich mit den ganz Großen messen, wie z.B. „Der Pate“, „Goodfellas“ oder, wenn’s etwas weniger einschüchternd sein soll, „Donnie Brasco“. Auch Connolly erzählt seine Geschichte aus der Sicht des Gangsters, eindrucksvoll verkörpert von John Travolta. „Gotti“ beleuchtet Aufstieg, Familienleben, Intrigen und Machtkämpfe des Mannes innerhalb der Cosa Nostra im New York der 1980er Jahre. Eigentlich ein Selbstläufer, doch fehlt es „Gotti“ an dem ‚bestimmten Etwas‘ – und an Distanz. Denn während beispielsweise „Goodfellas“ das brutale Treiben der Mafiosi mit bitterbösem Humor kommentierte und „Donnie Brasco“ die Verführungskraft der Unterwelt und persönliche Abhängigkeiten kongenial herausarbeitete, kratzt „Gotti“ in vielerlei Hinsicht lediglich an der Oberfläche.

Besonders auffällig wird dies bei den Themen Familie und Öffentlichkeit: So wird Gotti als Familienmensch dargestellt, der zu Hause die Hosen anhat. Dass er dabei seine Gattin (gespielt von Travoltas Ehefrau Kelly Preston) nur Weib nennt und rumkommandiert, scheint für sie kein Problem zu sein – sie liebt ihn bedingungslos. Ebenso seine Töchter, die aber im Gegensatz zu seinen beiden Söhnen keine Rolle spielen bzw. keine Beachtung finden. Gleichzeitig hatte der Patriarch außerhalb seiner ‚beruflichen‘ Kreise offenbar eine riesige Fanschar unter der Bevölkerung, wie eingefügte Originalaufnahmen am Ende des Films zeigen. Wo dies begründet liegt, bleibt der Film schuldig. Zusammen mit der im Abspann zu lesenden Danksagung an u.a. Gotti Junior entsteht so der Eindruck, als habe Regisseur Connolly mit seinem Werk eine Auftragsarbeit der Hinterbliebenen abgeliefert und so einem verurteilten Mörder eine Lobhudelei ganz im Sinne der Erben geschenkt.

Ein Porträt mit einem ‚Geschmäckle‘ sozusagen, das aber neben Travolta und Preston noch etliche weitere Hingucker besitzt – namentlich Stacy Keach, Chris Mulkey und Pruitt Taylor Vince. Drei Schauspielerveteranen, die zwar meist nur (wie hier) in Nebenrollen auftauchen, das aber stets hervorragend tun – und zwar schon seit über 30 Jahren! Das tröstet über einige von „Gottis“ Schwächen hinweg, einem ansonsten passablen, wenn auch Höhepunktlosen Film.

Die DVD/Blu-ray bietet den Film in deutsch synchronisierter und englischer Originalsprachfassung. Deutsche Untertitel sind optional zuschaltbar. Als Extras gibt es ein Making of, eine Bildergalerie sowie Trailer. „Gotti“ erscheint bei New KSM und ist seit 6. Dezember 2018 erhältlich. (Packshot + Filmstills: © KSM GmbH)

Heimkino-Tipp: „Mein Name ist Somebody“ (2018)

Zwei Fäuste kehren zurück

Hach, war das schön! Zur Premierentour seines neuen Films besuchte Schauspiel-Legende Terence Hill, der charmante Italiener mit sächsischer Prägung (er lebte von 1943 bis 1945 in Lommatzsch bei Dresden), im Sommer 2018 etliche Städte in Deutschland – und war wohl selbst überrascht, mit wie viel Liebe und Begeisterung er hier empfangen wurde. Daher gleich an dieser Stelle ein ganz großes Lob an den Verleih New KSM Cinema, der diese Tour auf die Beine gestellt und nun für das Heimkino-Release ebenfalls mit viel Herzblut etwas Besonderes erschaffen hat. Denn Hill, der die deutsche Sprache immer noch beherrscht, begrüßt seine Zuschauer gleich beim Einlegen der Discs persönlich. Nur eines von vielen Schmankerln.

Da ist man fast versucht zu behaupten, das Drumherum (also Kinotour und Blu-ray/DVD-Veröffentlichung) ist besser gelungen als der Film. Zweifellos ein warmherziges Werk, aber eben kein Schenkelklopfer wie so viele andere zuvor, mit denen Hill und sein Buddy Bud Spencer einst zu einem der erfolgreichsten Film-Duos der Geschichte avancierten.

In „Mein Name ist Somebody“ verkörpert er den Einzelgänger Thomas, der mit seinem schnieken Motorrad Richtung Wüste unterwegs ist, um seinen inneren Frieden zu finden. Auf der Reise trifft er auf die junge Lucia (Veronica Bitto), der er spontan mit der Zweckentfremdung eines Tiegels aus der Patsche hilft, und die ihm fortan nicht mehr von der Seite weicht. Schon bald wird Thomas klar, dass die Dame selbst emotional ein wenig angeschlagen ist und ebenso wie er einen Neuanfang braucht.

Gespickt mit etlichen Referenzen an seine lange Filmkarriere und seinen Freund Bud, dem er dieses Spätwerk auch gewidmet hat, wirkt „Mein Name ist Somebody“ beinahe schon wie ein Schwanengesang, ein letztes Zurückblicken auf ein Leben voller schöner Momente, an das wir uns alle (Hill + seine Fans) gerne erinnern. Gleichzeitig macht „Somebody“ aber ebenso deutlich, dass diese Zeit unumgänglich vorbei ist, wir Abschied nehmen müssen und auch nicht mehr ganz so agil agieren können wie wir es einst taten. So plätschert der Film vor allem im Mittelteil gemächlich vor sich hin, ist dabei jedoch jederzeit schön anzusehen. Ein wenig mehr Pep hier und da hätten allerdings nicht geschadet.

Aber hey: Hill ist inzwischen 79(!) Jahre alt und immer noch äußerst fit, wie die zwei – vom Publikum im Kino mit Szenenapplaus honorierten – Szenen, bei denen seine Fäuste zum Einsatz kommen, eindrucksvoll beweisen. Insofern ist „Somebody“ trotz einiger Längen ein gelungenes Alterswerk und für aufmerksame Zuschauer ein unterhaltsames Potpourri an Zitaten. Danke, Terence!

Und nun noch ein paar Worte zum Heimkino-Release: Das bringt in seiner „Special Edition“ neben zwei Postkarten (Plakatmotive) noch ein Booklet mit sowie entfallene Szenen, Bildergalerien, Szenen vom Dreh, Trailer sowie eine ausführliche Dokumentation über eben jene KInotour, die Hill durch die ganze Republik führte. Wunderbar!

P.S.: Eine „Ultimate 3 Disc Fan Edition“ ist ebenso erhältlich. Sie enthält neben den genannten Extras ein erweitertes Booklet, Leinenbezug und eine handsignierte Autogrammkarte von Hill.

Die DVD/Blu-ray bietet den Film in deutsch synchronisierter und italienischer Originalsprachfassung. Deutsche Untertitel sind optional zuschaltbar. „Mein Name ist Somebody – Zwei Fäuste kehren zurück“ erscheint bei New KSM und ist seit 15. November 2018 erhältlich. (Packshot + Filmstills: © KSM GmbH)

... im Nachgang: „Ballon“ (Kinostart: 27. September 2018)

Aktuell noch im Kino und einen Blick wert: der Film „Ballon“. Warum, lest ihr HIER.

(Plakat: © 2018 Studiocanal Filmverleih)

Heimkino-Tipp: „Escape Plan 2: Hades“ (2018)

Locked Up

Mit „Escape Plan“ entstand vor fünf Jahren ein passabler Thriller, der vor allem dank seiner Hauptdarsteller punktete: Sylvester Stallone und Arnold Schwarzenegger standen darin nach „The Expendables“ (2010) und „The Expendables 2“ (2012) zum dritten Mal gemeinsam vor der Kamera und tauschten im Gegensatz zu den anderen beiden Filmen nicht nur witzige Oneliner, sondern auch Faustschläge aus. Zusätzlich rezitierte Arnie im englischen Original sogar Nietzsche in deutscher Sprache und hob diesen Film mit seiner ironischen Performance gerade noch ins Mittelmaß. Offenbar gefiel der Erstling ein paar asiatischen Investoren derart gut, dass sie nun eine bzw. zwei Fortsetzungen finanzierten. Das erste Sequel „Hades“ gibt es nun zu bestaunen.

Eines muss man Regisseur Steven C. Miller lassen: eine bloße Kopie des ersten Teils hat er definitiv nicht abgeliefert. Sein „Escape Plan 2“ leiht sich zwar einige Charaktere und die Grundidee – der Versuch, aus einem scheinbar ausbruchssicheren Gefängnis zu fliehen – von seinem Vorgänger. Die optische Gestaltung und die Umsetzung jedoch könnten entfernter nicht sein.

Ray Breslin (Stallone) ist immer noch als Sicherheitsexperte tätig, leitet die Einsätze seines Teams inzwischen aber vom stylischen Büro aus. Zumindest bis einer seiner Schützlinge, Shu Ren (Xiaoming Huang), spurlos verschwindet. Schnell ist klar, dass er an einem geheimen Ort gefangen gehalten wird und die Drahtzieher eine alte Rechnung mit Breslin begleichen wollen. Während Ren versucht, dem hochtechnisierten „Hades“-Komplex zu entkommen, begeben sich Breslin und sein Team (u.a. Curtis „50 Cent“ Jackson, Jamie King, Dave Bautista) auf die Suche – und erleben dabei einige Überraschungen.

Überrascht dürften auch die Zuschauer sein: Denn anders als Trailer, Cover und Inhaltsangabe vermuten lassen, ist „EP2: Hades“ kein Sly-/Bautista-Film, sondern lässt beide zumindest in der ersten Hälfte lediglich in Nebenrollen auftreten. Star des Streifens ist zweifellos der Asiate Huang, der die Bühne ausgiebig nutzen darf, um seine beeindruckenden Kampfkünste zu präsentieren. Drumherum gibt es Hightech ohne Ende, sodass die Fortsetzung mehr Science Fiction denn zeitgenössischer Krimi ist.

Für Regisseur Miller ist es die bis dato aufwendigste Arbeit, hat er sich doch bisher mit unbedeutender B-Movie-Ware (z.B. „Arsenal“, Rezi HIER) herumgeschlagen bzw. mit Bruce Willis ein paar cineastische Schlaftabletten produziert, die kaum der Rede wert sind. Hier hingegen gibt Miller von Anfang an Vollgas, lässt die Kamera bis zur Schmerzgrenze wackeln und blendet sein Publikum mit buntem Neonlicht, futuristischen Einrichtungsideen und lauter (im doppelten Sinn!) Action, damit keiner merkt, wie spannungsarm und öde dieses ganze „Escape Plan“-Filmkonzept eigentlich ist. Oder, um es weniger herablassend auszudrücken: „Hades“ ist Junk Food fürs Hirn, auf den ersten Blick cool, in der Nachbetrachtung jedoch nichts, was Mr. Stallone nach seinem Oscar-nominierten Auftritt in „Creed“ noch nötig hätte. Aber hey, besser ein neuer Sly-Film als gar kein neuer Sly-Film! Also her mit Teil 3!

Die DVD/Blu-ray bietet den Film in deutsch synchronisierter und englischer Originalsprachfassung. Deutsche Untertitel sind optional zuschaltbar. Als Extras gibt es ein paar Making of-Clips, eine Bildergalerie sowie Trailer. „Escape Plan 2: Hades“ erscheint bei New KSM und ist seit 15. November 2018 erhältlich. (Packshot + Filmstills: © KSM GmbH)

Heimkino-Tipp: „211 – Cops under Fire“ (2018)

Bank Job

Diverse Verkaufsstellen von DVDs und Blu-rays in Deutschland ordnen ihr Angebot alphabetisch, unterteilt in Musik-, Serien- und Filmabteilungen, was natürlich sinnvoll erscheint. Allerdings stehen Werke des Duos Spencer/Hill meist separat. Kurios, wie ich finde. Und sowas von ungerecht gegenüber Schauspielern wie Nicolas Cage! Der hat nämlich in den bisher fast 40 Jahren seiner Karriere schon derart viele Filme gedreht, dass ihm ein Extra-Regal zusteht! Allein diesen Monat (November 2018) sind es zwei: der Psycho-Action-Horror-irgendwas „Mandy“ sowie „211 – Cops under Fire“. Letzterer fällt in die Kategorie Actionfilm, Unterabteilung B-Movie.

Nun ist es bei Weitem nicht Cages erster Streifen aus diesem Qualitätssegment. Auch will ich ihm gar nicht vorwerfen, vor der Kamera nicht engagiert genug zu agieren. Aber es ist eben doch nicht zu übersehen, wer im Ensemble bereits einen Oscar für seine darstellerischen Fähigkeiten bekommen hat (nämlich Cage, 1995 für „Leaving Las Vegas“) und wer noch ein wenig Praxis benötigt, um überzeugend eine Rolle zu verkörpern.

Cage gibt in „211“ einen Polizisten namens Mike, der mit seinem Partner – und Schwiegersohn – Steve (Dwayne Cameron) zufällig vor einer Bank auftaucht, die gerade überfallen wird. Die schießwütigen Bösewichter fackeln nicht lang und eröffnen das Feuer, was im weiteren Verlauf etlichen Gesetzeshütern und Zivilisten das Leben kostet. Warum ausgerechnet diese Filiale gekapert wird, warum Mike ein schwieriges Verhältnis zu seiner Tochter hat, und was der Schüler Kenny in all dem Zirkus soll, erzählt der Film routiniert und überraschungsarm im Vorfeld des Geballers.

Die Action selbst kommt dabei überaus blutig daher und dient wohl vor allem dazu, die Entschlossenheit der Gangster zu untermauern. Wirklich mitreißend ist das Ganze jedoch nicht. Denn seinen B-Movie-Charakter kann „211“ nie abschütteln – zu sauber die Kulissen, zu unecht die Szenerie, zu oberflächlich die Charaktere, deren Emotionen reine Behauptung bleiben.

Immerhin, der hohe Blutzoll auf der Leinwand weckte Erinnerungen an einen lesenswerten Artikel, auf den ich an dieser Stelle verweisen möchte. Denn ob gewollt oder nicht, „211“ verdeutlicht in gewisser Weise, wie viele Menschen von einer Gewalttat betroffen sein können. Nicht nur jene vor Ort, sondern auch deren Angehörige, deren Leben im schlimmsten Fall ebenso zerstört ist wie das von ‚direkten‘ Opfern. Der HIER verlinkte Artikel von Sebastian Leber schildert dies anhand eines Autounfalls mit Todesfolge. Statistisch gesehen verändert so etwas nämlich das Leben von 113 Personen.

Stichwort Veränderung: „211“ wird die Filmwelt in keinster Weise nachhaltig verändern. Eventuell nur die Geldmenge auf Nicolas Cages Bankkonto. Und natürlich die Anzahl der DVDs im imaginären Cage-Regal der hiesigen Elektromärkte.

Die DVD/Blu-ray bietet den Film in deutsch synchronisierter und original englischer Sprachfassung. Untertitel sind leider nicht vorhanden. Als Bonus gibt es Interviews sowie Trailer. „211 – Cops under Fire“ erscheint bei EuroVideo und ist seit 23. Oktober 2018 erhältlich. (Packshot + stills: © EuroVideo)

Heimkino-Tipp: „Shock and Awe“ (2017)

Fair Game

Im politischen Kontext meint die Formulierung „Shock and Awe“ eine Art Schockzustand der Bevölkerung nach einem schlimmen Ereignis, infolgedessen eine Regierung unpopuläre Entscheidungen (z.B. Gesetze, Sonderregelungen) durchsetzen kann, ohne auf viel Widerstand zu treffen. So geschehen beispielsweise in den USA nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001. Die Bush-Administration wollte einen Krieg – und bekam einen Krieg. Dass der Gegner dabei keinerlei bzw. nur geringe Verbindungen zu den Schuldigen der Anschläge hatte, spielte keine Rolle. Eine weitere Folge, die seither sogar weltweit Auswirkungen hat: faktisch jeder Mensch ist inzwischen überwachbar und ‚gläsern‘ – alles im Namen der öffentlichen Sicherheit.

Dass Rob Reiner ausgerechnet diesen Titel für seinen gelungenen Politthriller wählte, ist somit kein Zufall. „Shock and Awe“ erzählt vom (beinahe) verlorenen Kampf eines Reporter-Teams in Amerika, das sehr früh erkannte, wie die eigene Regierung nach 9/11 einen Kriegseinsatz gegen den Irak vorbereitete, obwohl sämtliche Beweise und Beweggründe jeglicher Wahrheit und Logik widersprachen. Nur hören/lesen wollte dies zu jener Zeit scheinbar niemand, vielmehr glaubte man/frau den anderen Medien, die die offizielle Version der Pressestelle im Weißen Haus dankend – und unreflektiert – übernahmen.

Sicherlich, ein wenig Begeisterung für den journalistischen Beruf zu haben, trägt zum Filmgenuss bei. Reiner, ein ‚alter Hase‘ Hollywoods, der solch unterschiedliche Klassiker wie „Stand by Me“ (1986), „Harry & Sally“ (1989), „Misery“ (1990) und „Eine Frage der Ehre“ (1992) schuf, konzentriert sich vornehmlich auf die Recherchearbeit von Jonathan Landay (Woody Harrelson) und Warren Strobel (James Marsden), zwei sehr sympathischen Reportern, die am Weg der Regierenden zweifeln. Sie forschen nach, zapfen ominöse Quellen an und riskieren mit ihrer konstanten Kritik auch Ruf, Karriere und Sicherheit ihrer Liebsten.

Was den beiden Hauptfiguren (und diversen Nebencharakteren, gespielt u.a. von Reiner selbst, Jessica Biel, Milla Jovovich und Tommy Lee Jones) an Ecken und Kanten fehlt, macht das auf wahren Begebenheiten beruhende Skript von Joey Hartstone mit Tempo und Spannung wett. Gleichzeitig ist es – gerade in Zeiten von Trump & Co. – ein überzeugendes Plädoyer für guten Journalismus und die Bedeutung kritischer Medien, die Widerständen trotzen. Kommen hier und da noch Wortwitz und überzeugende Darsteller hinzu, ist das schlicht ein sehenswerter, unterhaltsamer und zum Nachdenken anregender Film. Top!

Einzig die wehende DDR-Flagge vor einem UNO-Gebäude nehme ich Reiner ein wenig krumm. Da hat wohl jemand beim Raussuchen des sogenannten Stock Footage nicht aufgepasst ...

Die DVD/Blu-ray bietet den Film in deutsch synchronisierter und original englischer Sprachfassung. Untertitel sind leider nicht vorhanden. Als Bonus gibt es ein informatives Making of sowie Trailer. „Shock and Awe“ erscheint bei EuroVideo und ist seit 23. Oktober 2018 erhältlich. (Packshot + stills: © EuroVideo)

Heimkino-Tipp: „Rambo“-Trilogie (1982/1985/1988)

Der Einzelgänger
Moment! Rambo-‚Trilogie‘? Waren das nicht vier Filme? Stimmt, und bald kommt ein fünfter dazu! Da aber Teil 4 erst satte 20 Jahre nach seinem Vorgänger das Licht der Kinoleinwand erblickte (und zudem die Rechte bei einem anderen Anbieter liegen), gibt es nun zunächst eine Wiederveröffentlichung der ursprünglichen Trilogie – ein 100%iges Produkt der 80er-Jahre, das Muskelmann Sylvester Stallone neben Rocky Balboa ein zweites Alter Ego schenkte und der (Film-)Welt eine der bekanntesten und vielleicht auch umstrittensten Charaktere des Actiongenres.

Grund der Wiederveröffentlichung ist eine umfangreiche 4K-Restauration, die den drei Streifen sichtlich gutgetan hat. Passenderweise übrigens nun ebenso restauriert erhältlich: Stallones 1993er Actionhit „Cliffhanger“. Aber hier soll es nur um den langhaarigen Sly gehen:

„Rambo – First Blood“ (1982) ist zweifellos das tragischste und – zumindest in meinen Augen – cineastisch beste Kapitel der Saga. Mehr Drama als Actionfilm, erzählt das von Ted Kotcheff inszenierte Werk von der Rückkehr eines amerikanischen Soldaten (Stallone) aus dem Vietnamkrieg, und von dessen Schwierigkeiten bei der Reintegration in die Zivilgesellschaft. Dass diese Probleme weniger von seiner Seite ausgehen, wird mit dem Auftauchen des selbstgefälligen Sheriffs Teasle (immer wieder ein Genuss: Brian Dennehy, der schon 1978 in „F.I.S.T.“ neben Stallone zu sehen war) deutlich. Der will den ungepflegten, schweigsamen Mann so schnell wie möglich aus „seiner“ Stadt scheuchen. Als Rambo sich dem widersetzt, bekommen der Gesetzeshüter und seine Assistenten einen „Krieg, den sie nie begreifen werden“.

Gespickt mit einem sozialkritischen Unterton, unglaublichen Stunts (Stichwort: Klippensprung) und einem hervorragenden Soundtrack von Komponisten-Legende Jerry Goldsmith („Planet der Affen“, „Alien“), ist „Rambo“ ein roher, ungeschliffener und mitreißender Streifen, der auch heute noch eine besondere Atmosphäre transportiert.

Mit der Subtilität war es drei Jahre später bei „Rambo II – Der Auftrag“ vorbei: Rambo wird als Ein-Mann-Kampfmaschine zurück in den vietnamesischen Dschungel geschickt, um vermisste US-GIs aufzuspüren. Dass er dabei nicht nur Fotos knippst, wie ihm aufgetragen wurde, überrascht seinen Ersatz-Papa Colonel Trautman (Richard Crenna) kaum – das Verhalten der amerikanischen Behörden aber umso mehr. Denn die weigern sich, ihren muskelbepackten Spion zurückzuholen. Also macht sich Rambo selbst auf den Weg zurück nach Hause – und pflügt dabei mal eben den halben Dschungel um.

Regie bei diesem zweiten, überaus actionlastigen Teil führte George P. Cosmatos, den Sly ein Jahr später gleich noch für seinen „City-Cobra“-Auftritt buchte. Warum, macht „Rambo II“ deutlich. Denn was hier zerschossen, zerbombt und schlicht platt gemacht wird, ist selbst für das Genre eine Maxi-Version. Wow! Da verzeiht man der deutschen (Kult-)Synchro auch den Fauxpas, Rambos vietnamesischer Kampfgefährtin einen französischen Akzent anzudichten. Oder die völlige Ignoranz von Menschlichkeit beim Kampf Mano-a-Mano.

Aber hey, es geht noch lauter, größer, amüsanter: „Rambo III“ (1988) macht da weiter, wo „Rocky IV“ (1985) aufhört: beim Duell USA vs. UdSSR. Trautman wird in Afghanistan von Russen entführt, Rambo verbrüdert sich mit den Mudshahedin (sinngemäß: Gotteskriegern) und nimmt es auf einem Pferd reitend gegen Panzer, Hubschrauber und unzählige Sowjetsoldaten auf, um ihnen ordentlich den Arsch zu versohlen. Actionszenen sind auch hier die eigentliche Attraktion, die politischen Kommentare eher Beiwerk und halbgare Rechtfertigung für einen durch und durch patriotischen Streifen (Regie: Peter MacDonald). Ein inhaltliches Ärgernis? Mag sein. Im Rahmen seiner Entstehungszeit und angesichts der Schauwerte jedoch immerhin unterhaltsam und mit jenem Zitat gespickt, das inzwischen untrennbar mit John J. Rambo verbunden ist:

Frage an Rambo, der ein Knicklicht in der Hand hält: „Was ist das?“ Antwort: „Das ist blaues Licht.“ – „Und was macht es?“ – „Es leuchtet blau.“

Vielleicht muss man in den 1980er-Jahren aufgewachsen sein, um den Unterhaltungswert dieser drei Filme anerkennen zu können. Sie mögen keine Meisterwerke sein, Klassiker sind sie allemal. Und wer wissen will, warum auch heute noch viele den „guten, alten Zeiten“ nachtrauern, wenn es um „handgemachte Actionfilme ohne CGI“ geht, der sollte diese Box zu Hause stehen haben. Ja, das ist tatsächlich Filmgeschichte.

Die DVDs/Blu-rays/4K UHD Blu-rays bieten die neu remasterten Filme in deutsch und französisch synchronisierter sowie englischer Originalsprachfassung mit optionalen Untertiteln in allen drei Sprachen. Jeder Film enthält zudem umfangreiche, zum Teil neu produzierte Extras. Die Trilogie als auch die einzelnen Movies sind seit 8. November 2018 u.a. als Steelbooks erhältlich. (Packshots: © Studiocanal)

Heimkino-Tipp: „Anon“ (2018)

Eye See You
Eine Frage, die immer mal wieder in Gesprächen mit Freunden auftaucht, ist die nach der Zukunft des Menschen: Was wird die nächste Evolutionsstufe sein? Sind Mensch-Maschinen-Hybriden unsere Nachfolger? Überflügelt Künstliche Intelligenz schon bald unser Denken? Oder bleiben technische Hilfsmittel wie künstliche Gelenke, Hörgeräte, Implantate etc. pp. weiterhin nur Assistenten, die das menschliche Dasein erleichtern sollen?

Den Regisseur und Drehbuchautor Andrew Niccol scheinen ähnliche Themen zu beschäftigen. Zumindest legt ein Blick auf seine Filmografie diese These nahe, hat er sich doch u.a. bereits mit genetischer Manipulation („Gattaca“), virtuell erschaffenen Promis („S1m0ne“) und der High-Tech-Kriegsführung („Good Kill“, Rezi HIER) befasst. In „Anon“, nach „In Time“ seine zweite Zusammenarbeit mit Darstellerin Amanda Seyfried, blickt er nun ebenfalls wieder in eine Zukunft, die sich von unserer Gegenwart nur minimal unterscheidet. Minimal deshalb, da in seiner Geschichte alle Menschen komplett transparent sind. Es gibt keinerlei Geheimnisse mehr, alle Dinge, die es über den Nachbarn/Kollegen/Fremden zu wissen gibt, sind jedermann zugänglich. Klingt vertraut? Ist es auch, dank diverser sozialer Netzwerke, Ortungsdienste und behördlicher Daten, die schon heute problemlos einsehbar sind. Insofern ist die Idee aus „Anon“, in der Augenimplantate diese Aufgabe übernehmen, keine plumpe Fantasie: Sie ermöglichen dem Träger, sämtliche Informationen über sein Gegenüber in jenem Moment zu erhalten, in dem man einander erblickt. Auch Erlebtes kann – so die Dystopie im Film – zu einem späteren Zeitpunkt noch einmal angeschaut werden, zu lügen ohne ertappt zu werden ist faktisch unmöglich.

Der Polizist Sal (Clive Owen) hat somit eigentlich kaum beruflich etwas auszustehen. Bis eine Mordserie auf seinem Schreibtisch landet, bei dem der Täter scheinbar unsichtbar ist. Die Erklärung: Ein Hacker muss die aufgezeichneten Daten nachträglich manipuliert haben, um so jede Spur zu verwischen. Seine Recherchen führen Sal zu einer mysteriösen Frau (Seyfried), die solche verbotenen Hackerjobs gegen Bezahlung umsetzt. Aber führt sie ihn auch zu den Hintermännern?

Einmal mehr beweist Filmemacher Niccol, dass „reale SciFi“ unterhaltsam und kritisch zugleich sein kann. Er kreiert eine glaubhafte, nicht allzu ferne Zukunftsvision, die mit aktuellen Verweisen (oder sind es Warnungen?) gespickt ist und bettet darin einen spannenden Krimiplot ein, der bis auf ein paar technische Spielereien im Grunde einem klassischen Thriller aus der Jetztzeit ähnelt. Ergänzt mit einem fabelhaft aufspielenden Cast, sind genau das die Gründe, die Niccol-Werke immer wieder so sehenswert machen. So auch „Anon“, der viel Diskussionsstoff (an)bietet – sei es aufgrund der Handlung oder dem faszinierenden Blick in eine mögliche Zukunft.

Die DVD/Blu-ray bietet den Film in deutsch synchronisierter und englischer Originalsprachfassung sowie deutsche Untertitel. Als Bonus gibt es ein Special über die Präsentation des Films beim Filmfest München 2018, Interviews sowie Trailer. „Anon“ erscheint (auch als Steelbook) bei Koch Media und ist seit 25. Oktober 2018 erhältlich. (Packshot + stills: © Koch Media GmbH)

Lust auf ein wenig „popkulturelles Gerümpel“? Dann gerne HIER entlang, zum Podcast meines lieben Freundes Steve Buchta. Dort durfte ich einen kleinen Gastbeitrag einsprechen zum Film „The Killing - Die Rechnung ging nicht auf“ von Stanley Kubrick. Viel Spaß!

Heimkino-Tipp: „Lucky Luke“ (1991/1992)

Schneller als sein Schatten
Iiieeecks! Eine Comicverfilmung! Wer der unzähligen Leinwandabenteuer diverser Superhelden überdrüssig ist, mag möglicherweise nicht erfreut sein, dass nun auch auf diesem Blog eine Realfilm-Adaption einer beliebten Comicfigur besprochen wird. Doch halt! Bei „Lucky Luke“ handelt es sich nicht um ein Produkt der 2010er-Jahre, sondern um ein Werk aus den 90ern. Aus einer Zeit also, in der es – abgesehen von Ausnahmeproduktionen wie Tim Burtons „Batman“ – nicht unbedingt üblich war, seriös an so ein Projekt ranzugehen. Slapstick und Gags standen meist im Mittelpunkt, tiefgründige Charakterstudien à la „The Dark Knight“ waren nicht das primäre Ziel. Ein treffendes Beispiel dafür liefert Terence Hills „Lucky Luke“, basierend auf den gleichnamigen Kultcomics von Maurice de Bevere alias Morris und René Goscinny („Asterix“).

Der Cowboy Lucky Luke (Hill) zieht zusammen mit seinem besten Kumpel, dem Pferd Jolly Jumper, durch den Wilden Westen und sorgt dort für Recht und Ordnung. Als er in das neugegründete Städtchen Daisy Town kommt, bitten ihn die Bewohner, den Posten des Sheriffs zu übernehmen. Zunächst hat Luke damit ordentlich zu tun, was vor allem an den Dalton-Brüdern liegt, kriminellen Geschwistern, deren liebste Beschäftigung Überfälle sind. Die versuchen schließlich, die ansässigen Indianer gegen die neuen Siedler aufzubringen und einen Krieg vom Zaun zu brechen. Keine leichte Aufgabe für Luke, den Frieden zu bewahren.

Ob mit (z.B. „Vier Fäuste für ein Halleluja“) oder ohne („Mein Name ist Nobody“) seinem langjährigen Freund und Schauspielkollegen Bud Spencer, Terence Hill hat schon etliche unterhaltsame Abenteuer als Westernheld bestanden. Insofern war der blauäugige Charmebolzen eigentlich eine Idealbesetzung für das „Lucky Luke“-Filmprojekt. Zusammen mit seiner Frau Lori verfasste Hill das Drehbuch und fokussierte dabei wenig überraschend die Humorkomponente der Vorlage. Entstanden ist ein – im positiven Sinne – belangloser Spaß-Western, der ganz klar auf ein jüngeres Publikum zugeschnitten ist. So durchbricht die Handlung hier und da die sogenannte vierte Wand, wenn beispielsweise das Bild eingefroren und eine witzige Bemerkung eingeblendet wird. Ganz wie in den Comics kann Jolly Jumper auch hier seine Gedanken artikulieren und überhaupt kommt das ganze ziemlich harmlos daher. Sogar die Hill-typischen Prügeleien sind auf ein Minimum reduziert. Mitunter wirkt der Film wie eine Nummernrevue, bei der bekannte Szenen und Figuren der Vorlage kurz präsentiert werden, ohne eine wirklich stringente Handlung samt Spannungskurve zu kreieren. Doch im Hinblick auf das Zielpublikum keine schlechte Entscheidung.

Letztendlich ist es Hill, der mit seinem verschmitzten Auftreten den Film trägt und über die 90-Minuten-Marke rettet. Bemerkenswert sind ebenso die Pferdestunts, wobei ich mir nicht ganz sicher bin, ob dabei den Tieren nicht Schaden zugefügt wurde.

Vom Erfolg des Films beflügelt, entstanden 1992 noch acht TV-Episoden mit einer Länge von je ca. 50 Minuten, deren Handlung an „Der neue Mann in Daisy Town“ anschließt. Inhaltlich und inszenatorisch auf ähnlichem Niveau, betonen sie mit dem Overacting einzelner Darsteller noch mehr das komödiantische Ansinnen der Macher.

„Lucky Luke“ ist sicherlich kein Meilenstein, unterhaltsam sind Film + Serie jedoch allemal. Mein Empfehlung: Wer seine Kids an Hill/Spencer heranführen will, macht hiermit nichts falsch. Für ein gereifteres Publikum ist’s dann aber doch zu kindisch.

Erstmalig komplett ungeschnitten, erscheint „Lucky Luke“ als Blu-ray/DVD-Komplettpaket mit Film sowie allen acht Episoden der TV-Serie. Bislang fehlende Szenen wurden mit dem legendären Hill-Synchronsprecher Thomas Danneberg nachsynchronisiert. Der Ton liegt in deutsch und englisch (nur Film) vor, deutsche Untertitel gibt es ebenfalls nur beim Film. „Lucky Luke“ erscheint bei Phoenix Media Ruhr GmbH & Co. KG / 3L Vertriebs GmbH & Co. KG und ist seit 12. Oktober 2018 erhältlich. (Packshot: © 3L)

Heimkino-Tipp: „Tully“ (2018)

Was hat sie bloß so ruiniert?
Reitman/Cody, die Dritte: Nach den wunderbaren Tragikomödien „Juno“ (2007) und „Young Adult“ (2011) machen Regisseur Jason Reitman und Drehbuchautorin Diablo Cody mit „Tully“ nun das Triple komplett. Denn ihr neues gemeinsames Werk ist ebenso wie die beiden vorherigen Streifen ein Volltreffer – inhaltlich, schauspielerisch, filmisch. Im Mittelpunkt: Eine dreifache Mutter namens Marlo, bemerkenswert nuanciert dargestellt von Guckschatz Charlize Theron.

Die machte für ihre Rolle das volle Robert De Niro-‚Wie-ein-wilder-Stier‘-Programm und mampfte sich im Vorfeld der Dreharbeiten ein paar Extrapfunde an, um auch körperlich in ihrer Rolle zu überzeugen (als ob das bei ihrem herausragenden Talent nötig wäre!). Denn ihre Marlo erwartet zum dritten Mal Nachwuchs und steht kurz vor einem Nervenzusammenbruch. Es ist einfach zuviel: Gatte Drew (Ron Livingston) beruflich oft unterwegs, Bruder Craig (Mark Duplass) und seine Frau das scheinbar perfekte Elternpaar ohne Makel, und Sohnemann Jonah (Asher Miles Fallica) nicht ganz einfach zu handhaben. Craig will dem Wahnsinn Einhalt gebieten und empfiehlt Marlo, es doch mal mit einer Nacht-Nanny zu probieren. So könnte sie endlich mal wieder durchschlafen, während ihr Neugeborenes Beschäftigung hat. Marlo lässt sich darauf ein – und lernt mit Tully (Mackenzie Davis) eine junge Frau kennen, die ihr (Familien-)Leben verändern wird.

Mit einer wohldosierten Mischung aus Humor, Sarkasmus, Tragik und bitteren Wahrheiten widmet sich „Tully“ einer Thematik, die bisher nur selten im Fokus eines Hollywood-Films stand: der postnatalen Depression. Konkret ausgesprochen wird es zwar nie, die Verhaltensweisen, die Marlo hier an den Tag legt, gehen jedoch über eine gelegentliche Müdigkeit hinaus. Ein deprimierender Film ist „Tully“ dadurch aber noch lange nicht. Vielmehr umkreisen Reitman/Cody das Thema leichtfüßig, huldigen dabei die alltäglichen Heldentaten von Müttern und verdeutlichen ohne viel Dramatik die Schwierigkeit, sich trotz aller Hürden nicht vom geliebten Partner zu entfremden. Eine konstante Gratwanderung, die vor allem Hauptdarstellerin Theron bravourös meistert.

Und obwohl „Juno“, „Young Adult“ sowie „Tully“ inhaltlich nichts miteinander zu tun haben, könnten sie so etwas wie das Gegenstück von Richard Linklaters „Boyhood“-Projekt sein: Das Leben einer Frau, beginnend im Teenager-Alter, über die rebellische Mitte-20-Phase, bis hin zum Dasein als verheiratete Mehrfachmutter. Mal sehen, ob es in zehn Jahren eine inoffizielle Fortsetzung gibt. Dann vielleicht mit einer Frührentnerin/Großmutter im Fokus der Erzählung? Wenn Film Nummer vier an die Qualität von „Tully“ anknüpft, würde sicherlich nicht nur ich mich darüber freuen.

P.S.: Eine ähnlich gute Kombination aus Witz und Tragik bietet der österreichische Film „Was hat uns bloß so ruiniert“ (2016) von Marie Kreutzer. Hier sind es gleich mehrere Paare, die mit dem Elternwerden hadern und mit aller Kraft versuchen, alles anders und cooler zu machen als ‚der Rest‘. Ein mitunter bitterböser Spaß, besonders für (noch?) kinderlose Zuschauer!

Die DVD/Blu-ray bietet den Film in deutsch synchronisierter und englischer Originalsprachfassung sowie deutsche Untertitel. Als Bonusmaterial gibt es ein sympathisches Making of sowie Trailer. „Tully“ erscheint bei DCM Film Distribution GmbH/Universum Film und ist seit 12. Oktober 2018 erhältlich. (Packshot + stills: © DCM)