Heimkino-Tipp: „Jigsaw“ (2017)

You thought it was over. But the games have just begun.

Als der erste Film der „Saw“-Reihe 2004 erschien, hatte ich das Vergnügen, das Werk vorab bei einer Pressevorstellung sehen zu dürfen. Mein Fazit damals: kreativ aber unnötig brutal. Rückblickend wirkt dieses Urteil angesichts der darauf folgenden Teile und deren Gewaltdarstellung irgendwie amüsant. Schimpfte ich nach der Sichtung von Teil 2 noch über die Ideenlosigkeit der Macher und dem offensichtlichen Ausverkauf einer ursprünglich interessanten Idee – Todkranker zwingt sündige Mitmenschen zu blutigen ‚Spielen‘ um sie zu läutern –, so begann ich ab Teil 3, die Filmreihe als das zu akzeptieren, was sie fortan war: unterhaltsamer „Torture-Porn“, der nur darauf abzielt, böse Mitmenschen möglichst fies ins Jenseits zu befördern. Und ja, ich habe alle Teile gesehen.

2010 erschien mit „Saw 3D – Vollendung“ der vorerst letzte Auftritt des titelgebenden Jigsaw-Killers. Es war ein hastig produzierter Abgang, nachdem die vorhergehenden Filme zunehmend Publikum verloren und daher aus ursprünglich zwei finalen Episoden eine wurde. Nichtsdestotrotz ein im Rahmen des Franchises gelungenes Ende, das zudem einen der seltenen Filmauftritte des 2017 verstorbenen Linkin Park-Sängers Chester Bennington enthielt.

Nun also ein achter(!) Teil im „Saw“-Universum. Hätte es den gebraucht? Nein. Freue ich mich trotzdem darüber? Ja. Regie übernahmen diesmal The Spierig Brothers Michael und Peter, die sich zuvor mit „Daybreakers“ sowie „Predestination“ einen Namen gemacht haben. Neues Blut (haha!) also für eine Reihe, die stilistisch bisher wenige bis keine inszenatorischen Ausbrüche wagte, wohl auch, da alle vorangegangenen Regisseure stets aus dem Produktionsumfeld stammten. Tatsächlich bieten die ersten Minuten von „Jigsaw“ viel Tempo und geben Hoffnung auf eine neue Herangehensweise. Nur leider verpufft das sehr schnell wieder.

Das will ich den Spierig Brothers aber gar nicht vorwerfen. Denn auch wenn sie in den folgenden 80 Minuten quasi auf Nummer sicher gehen und nur das wiederholen, was es schon immer bei „Saw I“ bis „Saw VII“ gab, so geben sie dem geneigten Fan das, was er/sie erwartet. Das macht „Jigsaw“ letztendlich zu einem würdigen Nachfolger, der sich perfekt in die Reihe einfügt: das Leiden und Jammern der Opfer steht im Vordergrund, deren zu bewältigende Aufgaben sind nichts für Zartbesaitete und irgendwo dazwischen relativiert John Kramer alias Jigsaw (Tobin Bell) seine Handlungen mit zweifelhaften Motiven. Die restlichen Akteure bleiben dabei ebenso austauschbar wie die Kamerawinkel, der Schnitt und der Einsatz von Musik. Also alles so wie immer. Mir gefällt’s!

Zum Schluss noch ein paar Sätze zur Handlung: Etliche Jahre nach Jigsaws Tod scheint eine neue Mordserie in seinem Stil im Gange zu sein. Bei den Ermittlungen von Detective Halloran (Callum Keith Rennie) und dessen Kollegen Hunt (Clé Bennett) stehen bald die beiden Gerichtsmediziner Logan Nelson (Matt Passmore) und Eleanor Bonneville (Hannah Emily Anderson) im Fokus, da sie offenbar einige Dinge vor den Cops verbergen. Derweil kämpfen sich mehrere bedauernswerte Mitbürger von ihnen durch ein Labyrinth voller Fallen, die ihnen auf dem Weg zur Absolution in einem abgeriegelten Landhaus gestellt werden.

Eine Zusammenfassung, die so beinahe auf alle anderen Teile zutrifft. Sei’s drum: „Jigsaw“ ist weder Genre-Referenz noch Rohrkrepierer, für Fans einen Blick wert und letztendlich ein passabler Wiederaufguss. Sollten weitere folgen, ist das okay. Nötig sind sie jedoch nicht.

Der Film erscheint auf DVD/Blu-ray in deutsch synchronisierter Sprachfassung sowie in englischer Originalversion. Untertitel in deutsch sind vorhanden. Als Extras gibt es einen Audiokommentar, Trailer, ein Feature zu den Requisiten und mit „Jigsaws Vermächtnis“ eine Making of-Doku in Spielfilmlänge. „Jigsaw“ erscheint bei Studiocanal ist seit 8. Februar 2018 erhältlich. (Packshot + stills: © Studiocanal)

Heimkino-Tipp: „Good Time“ (2017)

Bis zum Ende der Nacht

Was haben der Musiker Justin Timberlake und die Schauspieler Daniel Radcliffe sowie Robert Pattinson gemeinsam? Alle drei begannen ihre Karrieren in jungen Jahren mit relativ unspektakuläreren Projekten, die vor allem auf ein junges Publikum abzielten. Inzwischen haben sich alle drei Herren jedoch weitgehend von ihrer künstlerischen Vergangenheit gelöst und überraschen immer wieder aufs Neue mit Werken, die außergewöhnlicher nicht sein könnten. Während Timberlake aktuell einer der wichtigsten Musiker seiner Generation ist, spielen sich Radcliffe (siehe „Imperium“) und sein Kollege Pattinson („Maps to the Stars“) in grandiosen Filmen regelmäßig die Seele aus dem Leib und begeistern mit großer Schauspielkunst. Das ist in „Good Time“, in dem Pattinson die Hauptrolle spielt, nicht anders.

Er gibt darin den vom Leben gebeutelten Connie, der auf die irrwitzige Idee kommt, zusammen mit seinem geistig beeinträchtigten Bruder Nick (Co-Regisseur Benny Safdie) eine Bank zu überfallen. Das gelingt zwar mehr schlecht als recht, doch bei der anschließenden Flucht wird Nick von der Polizei verhaftet. Überzeugt davon, dass der im Gefängnis nicht lange überleben wird, will Connie sein Bruderherz so schnell wie möglich aus dem Knast holen. Zunächst versucht er es auf legalem Weg und will das erbeutete Geld als Kaution hinterlegen. Allerdings ist davon ein großer Teil aufgrund einer Farbbombe unbrauchbar. Als zudem die Kreditkarte seiner Freundin (Jennifer Jason Leigh mit einem kleinen, aber feinen Auftritt) versagt, beginnt für Connie auf der Suche nach alternativen Optionen eine Odyssee durch das nächtliche New York, die ihn immer tiefer in eine Abwärtsspirale zieht.

Wer sich auf „Good Time“ einlässt, sollte eines nicht vergessen: Anschnallen, bitte! Von Minute eins an gibt dieser düstere Thriller von Josh und Benny Safdie auf allen Ebenen Vollgas – visuell, akustisch, darstellerisch. Beinahe komplett in Echtzeit inszeniert – bis auf wenige dramaturgisch sinnvolle Szenensprünge –, verweilt die Kamera stets beim Protagonisten und überträgt so dessen zunehmende Verzweiflung auf das Publikum. Die agierenden Figuren, zum Teil Laiendarsteller, wirken in ihrer Ungeschliffenheit äußerst real und transportieren auch ohne ausführliche Charakterisierung eine emotionale Tiefe, die beeindruckend ist. Besonders Pattinson gelingt dies formidabel: Die Verbundenheit zu seinem Bruder, sein unbedingter Wille, ihn zu befreien, deuten auf einen Charakter, der einerseits zu allem bereit scheint, andererseits verantwortungsvoll und pflichtbewusst sein will, egal, was die Umstände sein mögen.

Selten verspürte ich beim Ansehen eines Films eine derartige Dringlichkeit und emotionale Wucht selbst ohne die Hauptakteure zu kennen bzw. deren Taten gutzuheißen. Ein Independent-Meisterstück, das die Safdie-Brüder („Heaven Knows What“) hier geschaffen haben.

Die DVD/Blu-ray bietet den Film in deutsch synchronisierter und englischer Originalsprachfassung sowie deutsche Untertitel. Als Extras sind Interviews dabei. „Good Time¬ – Wettlauf gegen die Zeit“ erscheint bei Elite Film AG (Ascot Elite Entertainment) und ist seit 9. März 2018 erhältlich. (Packshot + Filmstills: © Ascot Elite)