Heimkino-Tipp: „Unhinged – Außer Kontrolle“ (2020)

Duell 2.0

Da isser nun: Einer der wenigen Filme, die behaupten können, es im Jahre 2020 bis auf die Kinoleinwand geschafft zu haben. Neben „Tenet“, der schon (zu?) früh zum ‚Retter der weltweiten Kinolandschaft‘ ausgerufen wurde, war der kleine Fiesling „Unhinged“ ebenso einer jener neuen Streifen, die in den wenigen Wochen zwischen Lockdown Nr.1 und Lockdown Nr.2 im Juli ins Feld geschickt wurden, um die Massen zurück in die Lichtspielhäuser zu locken. Das gelang – gemessen an den Einspielergebnissen (laut Box Office Mojo 42,8 US-Dollar weltweit) ganz okay – vor allem angesichts der Tatsache, dass der simple aber unheimlich spannende Thriller in seinem Kern nicht mehr als ein anständiges B-Movie ist.

Im Leben der jungen Mutter Rachel (Caren Pistorius) läuft es momentan nicht so prall: Scheidung, Stress im Job, Schlafmangel und chronische Unpünktlichkeit bestimmen ihren Alltag und gehen auch an ihrem Teenager-Sohn Kyle (Gabriel Bateman) nicht spurlos vorüber. Als beide mal wieder viel zu spät auf dem Weg zu Kyles Schule sind, hupt die genervte Rachel einen SUV-Fahrer an, der an einer grün leuchtenden Ampel vor ihr steht und das Gaspedal unbenutzt lässt. Minuten später steht das Gefährt neben ihr im Stau und der Fahrer (Russell Crowe) bittet sie um Entschuldigung – in Erwartung einer höflichen Erwiderung, die allerdings ausbleibt. Hätte Rachel aber mal lieber machen sollen, denn der bärtige Griesgram lässt fortan nicht mehr von ihr ab und setzt alles daran, Mutter und Kind einen richtig miesen Tag zu bescheren.

Unhöflichkeit im Straßenverkehr, Beschimpfungen und viel zu kurze Zündschnuren bei den Verkehrsteilnehmern: Die Prämisse, auf die „Unhinged“ zunächst aufbaut, dürfte vielen Zuschauern bekannt vorkommen. Was sich daraus dann jedoch in den darauffolgenden 80 Minuten entwickelt, bleibt hoffentlich reines Fantasiespektakel. Mit Lichthupe oder ähnlichem Kinderkram gibt sich die beleidigte Leberwurst im Großgefährt nämlich gar nicht erst ab, sondern geht gleich in die Vollen. Zwar lässt der Film keinen Zweifel daran, dass er es mit zunehmender Laufzeit storytechnisch ein wenig übertreibt. Ganz so weit hergeholt sind die Verhaltensweisen des Psychos, der Rachel und Kyle das Leben zur Hölle macht, allerdings (leider) nicht. So bin ich mir u.a. auch nicht sicher, ob der bemerkenswerte Vorspann des Streifens gestellte Szenen oder reale Aufnahmen von „Meinungsverschiedenheiten“ auf den Straßen zeigt.

Der größte Pluspunkt, neben dem beständig bewanderten schmalen Grat zwischen Realität und Fiktion, ist aber auf jeden Fall Russell „das Vieh“ Crowe. Man möge mir diese Wortwahl verzeihen, aber wie sich Crowe mit Übergewicht (hoffentlich ein extra für die Rolle angelegter Fatsuit/Fettanzug und nicht sein wirklicher Körperumfang) von Szene zu Szene schiebt, ist Hingucker und Angstmacher zugleich. Sein SUV mit Kühlergrill ist da nur passendes Hilfsmittel, um seiner Wut auf die Mitmenschen wirkungsvoll Ausdruck zu verleihen.

„Unhinged“ ist kompromisslos und geradeaus erzählt, hält sich – bis auf eine Pre-Credit-Szene – gar nicht erst mit Tiefgang auf und bietet temporeiche Unterhaltung par excellance. Das funktioniert auch deshalb so gut, da der Zuschauer von Anfang an weiß, dass der bad guy keine Gefangen macht und bereits jede Art von Zurückhaltung längst hinter sich gelassen hat, als wir ihn kennenlernen.

Vielleicht ist genau hier der tiefere Sinn von „Unhinged“ zu entdecken: Verhalte dich stets höflich zu jeder dir unbekannten Person. Denn du weißt nie, welche rote Linie sie bereits überschritten hat und wozu sie fähig ist. Andererseits: Wie wir bereits dank Spielbergs fulminantem Debütwerk „Duell“ (1971) wissen, braucht es nicht unbedingt immer einen Grund, um auf der Abschussliste/Kühlerhaube eines schlechtgelaunten Mitbürgers zu landen.

Die DVD / Blu-ray / 4K Ultra HD-Disc bietet den Film in deutsch synchronisierter und englischer Originalsprachfassung. Deutsche Untertitel sind optional verfügbar. Als Extras gibt es einen Audiokommentar, ein interessantes Making of sowie Trailer. „Unhinged – Außer Kontrolle“ erscheint bei Leonine und ist seit 27. November 2020 auch digital erhältlich. (Packshot + Filmstills: © Leonine)

Heimkino-Tipp: „Gangland“ (1997)

2 of Amerikaz Most Wanted

Zugegeben, ich habe ein gespaltenes Verhältnis zu dem Künstler Tupac Shakur: Als Hip Hop-Künstler 2Pac zweifellos ein Meister seines Fachs (sowohl inhaltlich als auch technisch), war sein Verhalten als Privatmensch geprägt von gewaltsamen Auseinandersetzungen aber auch wohltätigem Handeln. Seine bis heute nicht aufgeklärte Ermordung 1996 (Shakur war zu diesem Zeitpunkt 25 Jahre alt) hat zusätzlich zu einer in meinen Augen etwas befremdlichen Heroisierung dieses streitbaren Charakters geführt.

Doch soll uns hier nicht Shakur, der Rebell interessieren sondern ausschließlich sein schauspielerisches Talent. In „Gangland“, dessen Originaltitel nicht minder passend „Gang related“ lautet, gibt er einen Cop namens Rodriguez, der zusammen mit seinem Partner Divinci (James Belushi) Kriminelle abzieht und daran gut verdient. Als sie dabei jedoch einen Undercover-Agenten töten, werden ausgerechnet sie mit der Aufklärung des Falls betraut. Auf der Suche nach einem armen Würstchen, dem sie den Mord anhängen können, entscheiden sie sich für einen Obdachlosen (Dennis Quaid), was eine unerwartete Kettenreaktion in Gang setzt.

Es hat schon einen ironischen Beigeschmack, wenn Tupac Shakur einen Polizisten mit Gewissensbissen darstellt. Glaubt man dem Interview, welches im Bonusmaterial der Veröffentlichung beigefügt ist, zog er seine Inspiration für seine Performance aus eigenen Beobachtungen, die er während seiner Haftzeit und seiner wiederholten Konfrontationen mit Gesetzeshütern machte. Trotzdem geht er neben der ‚Rampensau‘ Belushi ziemlich unter, was sicherlich auch an dem Nebenrollencharakter seiner Figur liegt, der das Drehbuch nur wenige Momente der Selbstreflexion zugesteht. Der Fokus liegt vielmehr auf Divinci, der ganz klar treibende Kraft hinter all den Verzweiflungstaten ist, die die beiden Cops mehr und mehr in den Schlamassel ziehen.

Jim Kouf, der hier ein eigenes Skript verfilmte, hält ein paar amüsante Überraschungen bereit, die die Story am Laufen und die Spannungskurve hoch halten. Nur zum Finale hin hätte es gern noch ein wenig mehr Suspense sein dürfen, aber das ist sicherlich Geschmackssache. Inszenatorisch eher unauffällig, wäre aber noch der Soundtrack eine Erwähnung wert, hält dieser doch neben ein paar 2Pac-Songs ebenso Tracks von u.a. Ice Cube, Snoop Dogg und allerhand Souliges bereit.

Das alles macht „Gang Land“ zu einem guten, sehenswerten Thriller, der zwar – zumindest meiner Interpretation nach – nichts Tiefgründiges oder Gesellschaftskritisches bietet (was bei einem Titel wie „Gang related“ nicht überrascht hätte), aber gut unterhält und einen qualitativ würdigen Abschluss von Tupac Shakurs Schauspielkarriere bildet, da dies der letzte Streifen ist, den er vor seinem überraschenden Tod beenden konnte.

„Gangland – Cops unter Beschuss“ erscheint in einem sehr schicken Mediabook mit inhaltsgleicher Blu-ray/DVD. Der Film liegt in original englischer sowie deutsch synchronisierter Sprachfassung vor. Allerdings – und dies ist ein großes Manko – ohne Untertitel, was hörgeschädigte Zuschauer einmal mehr vom Filmgenuss ausgrenzt. Bei einer Veröffentlichung im Jahr 2020 sehr ärgerlich! Als Extras gibt es einen kurzen Making of-Clip mit Interviews der Beteiligten und einen Trailer. Ein informatives Booklet (Autor: Christoph N. Kellerbach) ist ebenso enthalten. „Gangland“ erscheint bei justbridge entertainment GmbH und ist seit 13. November 2020 erhältlich. (Packshot + stills: © justbridge/MGM)