„Jud Süß – Film ohne Gewissen“ (Kinostart: 23. September 2010)

Wo endet künstlerische Freiheit und beginnt Geschichtsverfälschung? Selten hat ein Film bezüglich dieser Frage so viele Kontroversen hervorgerufen wie „Jud Süß – Film ohne Gewissen“ von Oskar Roehler. Ein Schicksal, das das Werk mit seiner historischen Quelle teilt.

Das Original von 1940 gilt als ein Musterbeispiel für antisemitische „Kunst“ im Dritten Reich. Es vereint filmische Versiertheit mit unterschwelliger Propaganda und in der Tat eindrucksvollen Schauspielleistungen. Einen wichtigen Anteil daran hatte der österreichische Darsteller Ferdinand Marian. Obwohl er eine Mitwirkung zunächst ablehnte, bestand Propagandaminister Joseph Goebbels darauf, ihn für die Hauptrolle zu besetzen. „Mit einigem Nachhelfen“, so eine Anmerkung aus Goebbels Tagebüchern, nahm Marian die Rolle trotz Vorbehalte an. Der Erfolg des Films, die Würdigung seiner Leistung, sowie der daraus resultierende gesteigerte Hass auf Juden in Europa, trieben Marian 1946 offenbar in den Tod.

Das sind die historischen Fakten, auf denen Regisseur Roehlers Film beruht. Zusammen mit seinem Drehbuchautor Klaus Richter hat er diese Tatsachen allerdings ein wenig verändert, ausgeschmückt, ergänzt. Ihnen deshalb „Geschichtsfälschung“ zu unterstellen wäre jedoch ungerechtfertigt: Künstlerische Freiheit zur Dramatisierung eines Stoffes ist ein alltägliches Hilfsmittel für Autoren und Regisseure. Doch das hätte es retrospektiv gar nicht gebraucht: Tobias Moretti ist als Marian eine Offenbarung, während Moritz Bleibtreu durch ungebremste Überhöhung seinen Goebbels als das porträtiert, was er war: eine Witzfigur.

Herausgekommen ist ein theatralisch überhöhtes, in Teilen sicherlich zu verkopftes Werk, das zwischen Biografie und Satire schwankt und formal etwas bieder wirkt, jedoch aufgrund der Thematik empfehlenswert bleibt.

Aus dem „Meißner Tageblatt“ vom 22. September 2010.

„Verlobung auf Umwegen“ (Kinostart: 9. September 2010)

Ein Zeitungsartikel als Ideengeber, zwei Wochen für das Konzept, weitere 14 Tage später die Drehgenehmigung. Das Skript von Deborah Kaplan und Harry Elfont zu „Verlobung auf Umwegen“ entstand ebenso flink wie es verkauft wurde. Sowas lässt aufhorchen, immerhin gibt es romantische Komödien bereits im Übermaß und inhaltliches Neuland betreten nur die wenigsten. Sollte „Verlobung auf Umwegen“ also die lang ersehnte Alternative oder gar die Neubelebung des Genres sein?

Die auf Zelluloid gebannte Wahrheit zerstört diese Hoffnung leider schnell: Die Bostoner Karrierefrau Anna (Amy Adams) wartet schon lang sehnsüchtig auf die eine bedeutende Frage ihres Liebsten. Der schenkt ihr jedoch auch am vierten Jahrestag statt eines Rings lediglich glitzernden Ohrenschmuck und widmet sich anschließend einem Geschäftstermin in Dublin. Nun hat Anna die Faxen dicke und reist ihm hinterher. Ihr Ziel: Am 29. Februar des Schaltjahres dem Kerl nach altem irischen Brauch selbst einen Antrag machen. Ein Unwetter bewirkt die Umleitung ihres Fluges nach Wales. Nun ist Anna auf die Hilfe eines gutaussehenden Einheimischen (Matthew Goode) angewiesen, um ihren Traum noch pünktlich verwirklichen zu können. Was folgt, ist so überraschungsarm wie durchschaubar:

Die Stadtneurotikerin und der Naturtyp zanken, necken und verlieben sich. Das sieht schön aus, ist hier und da amüsant, doch gleichzeitig zu konstruiert um dem Romantiker im Kinosessel ein freudiges „Hach“ zu entlocken. Schließlich kennt der bereits Filme wie „New in Town“, „Auf die stürmische Art“ und „Sechs Tage, sieben Nächte“. Sollte dem wider Erwarten nicht so sein, ist „Verlobung auf Umwegen“ andererseits ein annehmbarer Einstieg in die Reißbrett-Romanzen-Welt Hollywoods.

Aus dem „Meißner Tageblatt“ vom 8. September 2010.

„The Expendables“ (Kinostart: 26. August 2010)

„Wir werden das 'A-Team' ausräuchern!“ Gemessen an den finanziellen Einnahmen seines neuen Werkes „The Expendables“ versprach der 64-jährige Sylvester Stallone tatsächlich nicht zu viel. Und auch optisch dürfte nach wenigen Filmminuten klar sein, welches der beiden 80er-Revivals, die momentan um die Gunst des Publikums werben, das ehrlichere ist.

Dabei mutet es ironisch an, dass ausgerechnet „The Expendables“, bei dem Stallone Hauptrolle, Regie und Drehbuch übernahm, sein bislang erfolgreichster Streifen ist; ein Film, der all seine vergeblichen Versuche, dem Image als eindimensionaler Actionheld zu entkommen, negiert. Stallone anno 2010 ist simpel, wenig subtil und handgemacht – so, wie es schon einmal vor 25 Jahren war.

Das spiegelt sich auch inhaltlich wieder: Barney Ross (Stallone) ist Kopf einer Gruppe von Söldnern, die für gute Bezahlung ihre Fähigkeiten als Kampfmaschinen zur Verfügung stellen. Nun werden sie in ein südamerikanisches Land geschickt und sollen dort einen Diktator stürzen. Ein Auftrag, der die Mannen schnell an ihre psychischen und physischen Grenzen bringen wird.

„The Expendables“ schert sich weder um Moral noch Tiefgang. Manchmal amüsant - siehe Auftritt Willis & Schwarzenegger - oftmals jedoch einfach nur laut, brutal und grimmig, legt Stallone nach „John Rambo“ (2008) abermals einen lupenreinen Actionfilm vor, der solide inszeniert ist, schlussendlich jedoch nur den Fans von einst zusagen wird. Denn bis auf die hin und wieder sichtbare hektische Kameraführung gibt es in diesem Film kaum Hinweise auf sein Produktionsjahr. Das freut den von Effekten gesättigten Genrefan, ändert allerdings nichts an der Tatsache, dass Stallone sich damit nur noch weiter von seiner schauspielerischen Glanzleistung im Drama „Cop Land“ entfernt. Doch das ist ja inzwischen auch schon wieder 13 Jahre her.

Aus dem „Meißner Tageblatt“ vom 25. August 2010.