Heimkino-Tipp: „Gundermann“ (2018)

Die Nervensäge

Das muss man erstmal hinkriegen: Mitglied der SED sein, wegen eigener Meinungsäußerung gerügt, dann als Stasi-Spitzel angeworben und einige Jahre später aufgrund „prinzipieller Eigenwilligkeit“ auch dort ausgeschlossen zu werden. Ja, Gerhard „Gundi“ Gundermann (1955 – 1998) war kein Mensch, der sich ohne Widerspruch unterordnen lassen wollte. Der Baggerfahrer aus der Lausitz war quasi ‚nebenbei‘ ebenso Musiker und vor allem für die Region und später auch darüber hinaus ein Sprachrohr, das leider viel zu früh, im Alter von nur 43 Jahren, verstummte. Andreas Dresen („Halt auf freier Strecke“, „Als wir träumten“) hat diesem Mann und uns nun ein filmisches Porträt geschenkt – und damit vielleicht den bisher besten Streifen seiner mit tollen Werken gefüllten Filmografie geschaffen.

Auf zwei Zeitebenen – einmal beginnend Ende der 1970er, die andere angesiedelt in der Nachwendezeit – erzählt er die Geschichte eines Idealisten, der an die Idee des Sozialismus glaubte, den Weg, den die DDR bzw. deren Funktionäre beschritten, jedoch immer wieder lautstark anzweifelte. So konfrontierte er einflussreiche Parteigenossen schon mal vor versammelter Mannschaft mit Kritik, stellte Produktionspläne infrage und gab seinen Vorgesetzten stets ordentlich contra. Gleichzeitig jedoch verteidigte er die Ideale seines Staates, wurde Mitglied der SED und ließ sich später auch als „Inoffizieller Mitarbeiter“ des Staatssicherheitsdienstes anwerben. Es ist diese Ambivalenz, aus der der Film „Gundermann“ seine Faszination, Spannung und Geschichte zieht.

Während die erste Zeitebene Gundermanns Leben in der DDR fokussiert, konzentriert sich die zweite auf die Herausforderungen Anfang der 1990er, in der der gesellschaftliche Umbruch in Ostdeutschland Vielen zu schaffen macht und Gundermanns Spitzeltätigkeit sukzessive ans Tageslicht kommt. Dass gerade er Freunde und Kollegen bespitzelt haben soll, trifft Viele in seinem Umfeld hart – ganz zu schweigen von Gundi selbst, der dies alles verdrängt hatte und sich nun privat und öffentlich seiner Vergangenheit stellen muss.

Was diesen mitreißenden Film so außergewöhnlich macht, sind die Details: Vom Szenenbild über die Landschaften bis hin zum Sprachduktus und der Atmosphäre fangen Dresen und sein Team die Gegebenheiten jener Zeiten punktgenau ein, ohne sie in den Vordergrund zu stellen. Bestes Beispiel, wortwörtlich: eine zweisekündige Szene, bei der Gundermann seinen PKW verlässt, während im weiten Hintergrund ein IKARUS-Bus an einer Haltstelle einfährt. Keiner hätte diesen Bus vermisst, wenn er nicht im Bild erschienen wäre. Dresen jedoch nutzt ihn trotzdem – und zieht sein Publikum mittenrein in ein Land, das es so nicht mehr gibt.

Doch das Herzstück des Films ist natürlich Gundi selbst: Von Alexander Scheer bis in die Fingerspitzen kongenial verkörpert, spricht er aus, was Viele denken aber nie auszusprechen wagen. Seine Wortgewandtheit, sein Auftreten und sein beständiges Nerven wirken nie gespielt oder einstudiert, sondern beinahe dokumentarisch – ein Stilmittel, das Dresen wie kaum ein anderer beherrscht. Dass dies funktioniert, ist in gleichem Maße Dresens langjähriger Drehbuchautorin Laila Stieler zuzurechnen, die einmal mehr beweist, was ein gutes Skript ausmacht und wie man mit wenigen Szenen Personen charakterisiert.

Es ist Dresen und Stieler hoch anzurechnen, dass sie bei aller Bewunderung für Gundi und seine Musik keine Lobhudelei abgeliefert haben. Ihr „Gundermann“ ist vielmehr eine kritische Auseinandersetzung mit dem Künstler und der DDR. Es geht nicht darum, den untergegangenen Staat zu verteufeln oder im Gegenteil zu verklären. Sie interessiert stattdessen, was mit Menschen geschieht, die wie Gundi ihre ganze Kraft und Überzeugung einer gesellschaftlichen Vision widmen, deren ‚Umsetzer‘ (ergo: die Mächtigen ganz oben) die gemeinsamen Ideale verraten und selbst ihre Unterstützer zu Feinden erklären.

Kaum ein Film hat mich in den vergangenen Jahren so bewegt wie dieser. Als Kind der DDR mag ich bei dieser Thematik womöglich etwas emotionaler reagieren. Aber wenn ein Werk die Widersprüchlichkeit jener Zeit derart gut einfängt und abbildet, ist es schlicht einer der schönsten Glücksmomente, die man als Cineast erleben kann. Danke, Herr Dresen!

Die DVD/Blu-ray enthält den Film in deutscher Originalsprachfassung mit optionalen deutschen und englischen Untertiteln sowie eine Audiodeskription für Sehbehinderte. Als Extras finden sich entfernte Szenen, Outtakes, Interviews, Trailer, ein Kurzfilm mit Gundi sowie ein Audiokommentar von Andreas Dresen und Laila Stieler auf den Discs. Ein informatives Booklet sowie eine Trailersammlung ergänzen die gelungene Umsetzung. „Gundermann“ erscheint bei Pandora Film und ist seit 25. Januar 2019 erhältlich. (Packshot + stills: © Pandora Film / Peter Hartwig)

Heimkino-Tipp: „Das Testament des Dr. Mabuse“ (1932)

Hell is around the corner

Kunst ist immer auch ein Zeugnis jener Zeit, in der sie entstanden ist. Zumindest könnte man so argumentieren, wenn es darum geht, Werken eine Bedeutung zukommen zu lassen, die über den bloßen Unterhaltungswert hinausgeht. Bei kaum einem anderen Film der Weimarer Zeit trifft dies mehr zu als „Das Testament des Dr. Mabuse“ von Fritz Lang. Es war bis zu seiner Rückkehr nach Europa 1956 seine vorerst letzte Regiearbeit in Deutschland, das er aufgrund der neuen politischen Verhältnisse 1933 verließ. Das gerade an die Macht gelangte Nazi-Regime hatte den Film verboten, u.a. mit der Begründung, dass dieser die „öffentliche Sicherheit und Ordnung gefährden“ könne.

Aus heutiger Sicht und mit Wissen um die Ereignisse, die bis 1945 noch folgen sollten, stellt sich dieses Verbot als klare Vorsichtsmaßnahme vom neuen „Minister für Volksaufklärung und Propaganda“ Goebbels dar, um die eigenen (geplanten und bereits durchgeführten) Verbrechen seiner Partei zu vertuschen. Auch Regisseur Lang schrieb seinem Kriminalfilm später diese Bedeutung zu: „Dieser Film sollte – wie in einem Gleichnis – Hitlers Terrormethoden aufzeigen.“ Allein: War sich Lang dessen während der Produktion tatsächlich bewusst?

Das Drehbuch zu „Das Testament des Dr. Mabuse“ verfasste Langs langjährige Lebens- und Berufsgefährtin Thea von Harbou, mit der er bereits etliche wegweisende Filme (u.a. „Die Nibelungen“, „Metropolis“, „Frau im Mond“, „M“) realisiert hatte. Sie verblieb nach der Machtübernahme Hitlers in Deutschland und wurde später selbst NSDAP-Mitglied, kann somit also durchaus als Sympathisantin der Nazis bezeichnet werden. Dass ausgerechnet sie eine ‚Warnung‘ vor eben jenen Menschenfeinden verfasst haben soll, ist zumindest sonderbar. Und doch: Die Geschichte eines ehemaligen Verbrecherkönigs (siehe den zweiteiligen Vorgängerfilm „Dr. Mabuse – Der Spieler“ (1922), ebenfalls von Lang/Harbou), der nun in einer Irrenanstalt sitzt und von dort mittels Hypnose Andere dazu anstachelt, die Welt ins Chaos zu stürzen, ist vollgepackt mit Verweisen auf jenes Regime, das ein ganzes Volk verführen und ein anderes nahezu auslöschen wollte.

Die Handlung fokussiert dabei die Ermittlungen eines Kommissars (Otto Wernicke), der mit mehreren seltsamen Vorkommnissen konfrontiert wird und nach und nach jenem Dr. Mabuse (Rudolf Klein-Rogge) auf die Spur kommt. Ohne selbst tätig zu werden, gelingt es dem scheinbar verrückten Klinikinsassen, ein kriminelles Netz zu spinnen, in dem jeder Widerspruch und jeder Misserfolg sogleich mit dem Tode bestraft wird. Wer einmal in Mabuses Organisation gefangen ist, hat keine Chance, ihr jemals wieder lebend zu entsagen.

Mag „Das Testament des Dr. Mabuse“ auch nicht ganz die technische Raffinesse und den Spannungsbogen des grandiosen „M“ (1931) haben, sehenswert ist Langs Thriller allemal. Man merkt, dass hier ein Profi am Werk ist, der Schnitt, Ton und Szenerie meisterhaft zu kombinieren weiß. Darstellerisch jedoch übertreiben es einzelne Akteure ein wenig – keine Seltenheit für einen Film aus jenen Jahren, doch im Vergleich zu „M“ ein kleiner Rückschritt.

Abgesehen davon darf und muss der Streifen als wichtiger Beitrag des Weimarer Kinos betrachtet werden. Ob von Lang beabsichtigt oder nicht, kaum ein zweites Werk verweist so deutlich auf die Gefahr der Diktatur, die bald darauf die ganze Welt in Brand stecken sollte. Die nun erschienene neue Edition im Mediabook (DVD/Blu-ray) wird dieser Bedeutung über alle Maßen gerecht: Ein ausführliches Booklet erklärt die Umstände der Produktion, ordnet zeitlich ein, kommentiert Langs z.T. widersprüchliche Aussagen zum Zeitpunkt seiner Emigration und enthält neben den abgedruckten Zensurbegründungen auch ein verkleinertes Faksimile des Original-Filmplakats. Enthalten ist die 2001-Restauration, die 2014 digitalisiert wurde. Einziger Wermutstropfen: Im Gegensatz zur DVD-Erstveröffentlichung von 2003 sind hier weder Untertitel für Hörgeschädigte noch ein Videointerview mit Lang von 1968 enthalten.

Die DVDs/Blu-rays bieten den Film in deutscher Originalsprachfassung. „Das Testament des Dr. Mabuse“ erscheint bei Atlas Film/AL!VE AG und ist seit 25. Januar 2019 erhältlich. (Packshot: © Atlas Film)

Heimkino-Tipp: „Ein Leben“ (2016)

It’s a Man’s World

Manchmal werde ich gefragt, weshalb ich mir so gern ‚unlustige‘ Filme anschaue. Also vornehmlich Dramen mit traurigen/introvertierten Figuren, die 90 Minuten und mehr leidend durch ein Szenario schwanken, das nicht gerade stimmungsfördernd ist. Eine Antwort darauf zu geben, fällt schwer. Vielleicht aber sind es einfach gute Filme, die mich mehr als andere mitreißen, mitfühlen lassen und nachhaltig bewegen.

Ein wunderbares Beispiel für so eine Art von Film ist das französische Historiendrama „Ein Leben“ von Stéphane Brizé, basierend auf einem Roman von Guy de Maupassant aus dem Jahre 1883. Es ist die Geschichte einer Frau, die das Glück oder vielmehr Pech hat, in eine Zeit hineingeboren zu werden, in dem Individualismus hinter Standesregeln hintenanstehen muss und jeglicher Versuch einer Emanzipation negiert wird. Tragisch? Ja. Bedrückend? Auch das. Vor und hinter der Kamera großartig umgesetzt? Auf jeden Fall.

Jeanne (Judith Chemla) wird zu Beginn des 19. Jahrhunderts als Tochter eines wohlhabenden französischen Barons (Jean-Pierre Darroussin) und dessen Frau (Yolande Moreau) geboren und wächst – zumindest scheint es so – wohlbehütet und glücklich auf einem ansehnlichen Grundstück inmitten der Natur auf. Getreu den Erwartungen und Regeln der Gesellschaft, wird sie als junge Frau schon bald von einem höflichen, ebenso jungen und in der Gesellschaft angesehenen Nachbarn (Swann Arlaud) umworben, verliebt sich sogar in ihn und zieht nach der Hochzeit auf sein Anwesen, fernab ihrer eigenen Familie.

Mit den Jahren wird es für Jeanne jedoch immer schwerer, der Langeweile als Frau eines Landherrn, der viel unterwegs ist, zu entkommen. Als sie zudem zufällig entdeckt, dass er eine Affäre mit ihrer Dienerin hat, die nun sogar ein Kind von ihm erwartet, schlägt ihr vorbestimmtes Leben plötzlich eine Richtung ein, auf die sie niemand vorbereitet hat.

„Ein Leben“ ist ein perfektes Beispiel dafür, wie Inhalt und Form kongenial zueinanderkommen. Regisseur Brizé („Mademoiselle Chambon“, „Der Wert des Menschen“) wählte für sein Porträt nämlich das 4:3-Bildformat, das in seiner quadratischen Form die Enge von Jeannes Dasein regelrecht erfühlbar macht. Ihr Leben ist ebenso beschränkt wie der Blickwinkel, der dem Zuschauer gewährt wird – und steht gleichzeitig synonym für die Unmöglichkeit für eine Frau jener Zeit, aus diesem Käfig auszubrechen. Inhaltlich wird das auch darin deutlich, dass Jeanne für die Fehler und Verfehlungen anderer (man(n) ahnt, wer gemeint ist) büßen muss. So ist sie es, die auf Drängen des örtlichen Pfarrers ihrem untreuen Gatten Vergebung schenken soll. Und es ist ebenso an ihr, die Schulden, die ihr eigener, später geborener Sohn angehäuft hat, zu begleichen – beides schlicht nur deshalb, weil es von ihr als Mutter erwartet wird.

Nicht minder bemerkenswert ist die sehr dezent eingesetzte musikalische Untermalung des Films. Nun bin ich kein Experte auf diesem Gebiet, doch das zu Hörende ist zweifellos an der Musik und den Instrumenten des 19. Jahrhunderts orientiert, was auffallend, spannend und befremdlich zugleich ist.

Schlussendlich aber ist es vor allem Hauptdarstellerin Judith Chemla, die diese (Leidens-)Geschichte mit Leben füllt und das Publikum an die Hand nimmt, um es durch eine Zeit zu führen, die sicherlich viele schöne Seiten bereithielt – aber leider weniger für das weibliche Geschlecht. Und auch wenn es den Frauen, die das historische Vorbild für Jeanne waren, nun nicht mehr viel helfen wird: Zumindest schenkten sie der Welt damit die Vorlage für einen wunderbaren Film.

Die DVD bietet den Film in französischer Originalversion mit optionalen deutschen Untertiteln. Als Extra gibt es Trailer. „Ein Leben“ erscheint bei good!movies/filmkinotext und ist seit 7. Dezember 2018 erhältlich (Packshot und stills: good!movies/filmkinotext).

„Generation Wealth“ (Kinostart: 31.01.2019)

Money Monsters

Es ist schon etwas Besonderes, wenn ein Film bzw. eine darin auftretenden Figur auch Jahre später noch in einer Gesellschaft omnipräsent ist. Darth Vader, Indiana Jones oder der Dude aus „The Big Lebowski“ führen längst ein zweites Leben abseits der Leinwand und sind eine unendliche Quelle für Zitate, Parodien und Verweise. Auch der fiktive Finanzhai Gordon Gekko, erstmals zu sehen 1987 in dem Börsen-Thriller „Wall Street“ von Oliver Stone, zählt dazu. Seine geäußerte Maxime „Gier ist gut“ wurde von vielen Nachwuchsbankern der 1980er-Jahre verinnerlicht und zur Richtschnur ihres Handelns. Mit katastrophalen Folgen, wie die weltweite Finanzkrise 2008 verdeutlichte.

Der Warnschuss verhallte aber scheinbar ungehört: Diverse Untersuchungen haben inzwischen gezeigt, dass die Kluft zwischen wohlhabenden und mittellosen Menschen sukzessive wächst, Banken längst wieder in ihre vertrauten, zweifelhaften Mechanismen zurückgefallen sind und die Gier nach Mehr scheinbar immer noch nicht befriedigt ist.

Die amerikanische Fotografin Lauren Greenfield hat diese Entwicklung in den vergangenen Jahren mit ihrer Kamera festgehalten. Ihr Augenmerk richtete sie dabei vor allem auf die Jugend, die – verführt von YouTube, Instagram und unzähligen Doku-Soaps der Marke „Keeping Up with the Kardashians“ – in dem Glauben aufwächst, mit wenig Einsatz und Können schnell reich werden zu können. Und wer es geschafft hat, zeigt dies dann auch bitte der ganzen Welt!

Die Dokumentation „Generation Wealth“ ist der Versuch, diesem Wunsch nach Luxus und Anerkennung auf die Spur zu kommen. Was versprechen sich die jungen Menschen von ihrem Ruhm? Was sind sie bereits dafür zu tun? Und was geschieht, wenn ihr Plan scheitert? Greenfield hat dazu diverse Menschen besucht und interviewt, die sie bereits vor ca. zehn Jahren schon einmal porträtierte. Damals lediglich als Fotoreporterin unterwegs, möchte sie nun erfahren, ob sich die Träume von einst erfüllt haben, wie die Protagonisten ihr Verhalten von damals heute beurteilen und wie sie im Jahre 2018 leben.

Entstanden ist ein interessantes Zeitdokument, das vor allem eines zeigt: irrsinnigen Reichtum, eine Gesellschaft ohne Augenmaß und Egoismus. Wegen Untreue verurteilte Banker, Pornostars und Geschäftsleute berichten von ihren Erfahrungen, Tricks und Entbehrungen, zeigen, was sie besitzen und wohin es sie (nicht) gebracht hat.

Vom Grundanliegen her lobenswert, ist die Doku eines jedoch nicht: distanziert. Das mag für die Offenheit der Gesprächspartner förderlich sein, ein wenig befremdlich ist es dennoch. Das kann auch darin liegen, dass Regisseurin Greenfield eben diesen Personen und deren Lebensstilen ihre berufliche Karriere verdankt. Denn wie sie zu Beginn selbst erklärt, konnte sie einst andere Projekte nicht in dem Maße vollenden, wie ursprünglich geplant. Ihre Veröffentlichungen zu den rich kids hingegen waren ein voller Erfolg. Insofern ist es nicht ganz unpassend, dass Greenfield und ihre Familie selbst zum Gegenstand der Dokumentation werden und Greenfields eigene Gier nach Erfolg ebenso Thema ist.

Mitunter wirkt „Generation Wealth“ somit wie eine Art Selbsttherapie, wobei der präsentierte Lösungsvorschlag für alle Probleme dieser Welt – den viele der Porträtierten offenbar teilen – allerdings sehr naiv ausfällt: Werdet Eltern und alles ist gut! Wenn Greenfield am Ende stolz den Druck ihres neuesten Buchs in China(!) zeigt und zudem ständig mit einem iPhone vor der Kamera rumwedelt, ist es mit der Glaubhaftigkeit einiger ihrer Aussagen sowieso dahin.

Fazit: „Generation Wealth“ funktioniert als Porträt einer Gesellschaft mit zweifelhaften Wertvorstellungen ganz gut. Über die Sicht der Regisseurin auf das Thema kann bzw. sollte man sich jedoch streiten.

(Plakat + stills: © 2018 Lauren Greenfield/Institute/jip Film & Verleih/Barnsteiner-Film)

Heimkino-Tipp: „LBJ“ (2016)

Das Attentat

Erst vor wenigen Wochen stellte ich an dieser Stelle den Politthriller „Shock and Awe“ (Rezi HIER) von Rob Reiner vor. Nun erscheint mit „LBJ“ der nächste Streifen von ihm, in dem abermals Vorgänge im Weißen Haus im Mittelpunkt stehen. Entstanden ist der Film bereits vor drei Jahren, in Deutschland wird er jedoch erst jetzt fürs Heimkino veröffentlicht.

Ein Grund mag sein, dass „LBJ“ – die Initialen des 36. Präsidenten der USA, Lyndon B. Johnson – zumindest außerhalb seiner Heimat nicht den Bekanntheitsgrad anderer Amtsträger wie beispielsweise sein Vorgänger John F. Kennedy besitzt. Dabei ist Johnsons Präsidentschaft untrennbar mit der Kennedys verbunden. Denn LBJ war JFKs Stellvertreter – und wurde nach dem tragischen Attentat vom 22. November 1963 quasi über Nacht zum Chef im Oval Office. Er führte Kennedys innenpolitischen Weg größtenteils fort und setzte mit dem Civil Rights Act von 1964 eines der bedeutendsten Gesetze zur Gleichstellung von Afroamerikanern in den Vereinigten Staaten um.

Das Drama stellt den Weg bis zu diesem historischen Tag aus Sicht von Johnson dar. Beginnend mit dem innerparteilichen Kampf gegen Kennedy Ende der 1950er-Jahre, wird dabei dessen Frustration über die Beliebtheit seines jüngeren Konkurrenten ebenso deutlich wie sein Bestreben, sein Land tatsächlich voranzubringen und im Positiven zu verändern.

Und doch tritt beim Anschauen Verwunderung ein: Denn Regie-Profi Reiner („Hallo, Mr. President“, „Das Beste kommt zum Schluss“) gelingt es nicht, ein packendes, mitreißendes und vor allem interessantes Porträt von Johnson zu kreieren. Stattdessen liefert er mit „LBJ“ einen furztrockenen Geschichtsstreifen ab, der (a) nicht-Informierte außen vor lässt und (b) lediglich brav einige Momente aus Johnsons Amtszeit beleuchtet, die in ihrer Aneinanderreihung wirken wie ein Lebenslauf-Stichpunktzettel, der nacheinander abgearbeitet wird. Ein bebildertes Hörbuch von Johnsons Biographie sozusagen, vorgetragen mit monotoner, gelangweilter Stimme.

Da ist es auch nicht hilfreich, Hauptdarsteller Woody Harrelson unter einer dicken Gesichtsmaske zu verstecken, um äußere Ähnlichkeit zu suggerieren – er hat schlicht keine Herausforderung bei diesem Drehbuch nach Schema F. Ebenso verschwendet ist Jennifer Jason Leigh als dessen Ehefrau Lady Bird, die ihrem Gatten zwar ein paar motivierende Phrasen ins Ohr flüstern darf, ansonsten aber nur Staffage bleibt.

Nein, ich glaube nicht, dass Reiner und sein Team ihr ganzes Herzblut hier hineingesteckt haben. Denn dann wäre am Ende nicht so etwas Mittelmäßiges entstanden.

Die DVD/Blu-ray bietet den Film in deutsch synchronisierter und original englischer Sprachfassung. Untertitel sind leider nicht vorhanden. „LBJ“ erscheint bei EuroVideo und ist seit 15. Januar 2019 erhältlich. (Packshot + stills: © EuroVideo)

Mediatheken-Tipp: „On Her Shoulders“ (2018)

Noch bis Juni 2019 ist der bewegende und mehrfach ausgezeichnete Dokumentarfilm „On Her Shoulders“ von Alexandria Bombach in der arte-Mediathek verfügbar (LINK). Der Film begleitet die heute 25jährige Jesidin Nadia Murat, deren Heimat vom sogenannten Islamischen Staat überfallen wurde. Sie selbst wurde wie viele andere verschleppt, versklavt und das Opfer von Demütigungen, Folter und Vergewaltigung. Glücklicherweise gelang ihr die Flucht. Heute kämpft sie als UN-Sonderbotschafterin für die Anerkennung des Völkermords an den Jesiden, 2018 wurde ihr der Friedensnobelpreis verliehen.

Der Film nähert sich ihr sehr respektvoll und macht deutlich, wie schwer es ist, in der heutigen Welt Gehör zu finden. Dies ist umso berührender, da die junge Frau diese Rolle, die sie nun eingenommen hat - sei es für ihr Volk und jene unzähligen Menschen, die täglich Opfer von Gewalt werden - nie haben wollte.

Keine leichte Kost, aber eine wichtige und hervorragend umgesetzte Doku, die ich jedem ans Herz legen möchte.

(Plakat: © 2018 RYOT Films)