Heimkino-Tipp: „Die Gräfin von Hongkong“ (1967)

Schöne Frau im Schrank

Charles ‚Charlie‘ Chaplin (1889 – 1977) gilt als einer der ersten Weltstars des Kinos. Ob in seiner legendären Rolle als Tramp, als Mitbegründer des Filmstudios United Artists oder Regisseur/Autor von Klassikern wie „Goldrausch“ (1925), „Moderne Zeiten“ (1936) und „Der große Diktator“ (1940): ohne Chaplin wäre das Medium Film heute nicht das, was es ist.

Waren seine Werke zunächst mehrheitlich dem Genre der Komödie zuzurechnen, so inszenierte Chaplin in der Spätphase seines Schaffens, nach dem Zweiten Weltkrieg, vornehmlich Dramen mit humoristischem Anstrich, die – so zumindest meine Wahrnehmung – heute leider kaum mehr bekannt sind und im Schatten seiner oben genannten, bekannteren Arbeiten stehen. Während der McCarthy-Ära in den frühen 1950er-Jahren in den USA als Kommunist gebrandmarkt, siedelte er – einem Wiedereinreiseverbot während der britischen Promotion-Tour zu seinem Film „Rampenlicht“ (1952) geschuldet – nach Europa über und setzte hier seine künstlerische Tätigkeit fort. Kann sein vorletzter Film „Ein König in New York“ (1957) noch als bittere Abrechnung mit amerikanischen Werten jener Zeit verstanden werden, stellt die erst zehn Jahre später entstandene Romantikkomödie „Die Gräfin von Hongkong“ eine Art Rückkehr zu Chaplins legendärem Slapstick-Humor dar, auch wenn er darin selbst nur einen Cameo-Auftritt als Schiffskellner absolviert. Die Hauptrollen überließ er zwei der damals größten Stars des Kinos: Sophia Loren und Marlon Brando.

Fast ausschließlich auf einem Kreuzfahrtschiff spielend, erzählt „Die Gräfin von Hongkong“ von der turbulenten Überfahrt des US-Senators Odgen (Brando) von Hongkong nach Amerika, der zu seiner Überraschung die mittellose russische Gräfin Natascha (Loren) in seiner Kabine auffindet. Sie möchte ihr altes Leben hinter sich lassen und einen Neuanfang wagen, auch wenn sie keine Papiere, keine Kleidung und keinen Plan hat, wie sie das anstellen soll. Als Natascha droht, den verheirateten Odgen bloßzustellen, falls er sie verrät, muss er notgedrungen einen Weg finden, die blinde Passagierin bis zur Ankunft zu verstecken. Dies gestaltet sich jedoch zunehmend schwieriger.

Örtlich begrenzt auf eine zwei-Zimmer-Luxuskabine, wirkt „Die Gräfin von Hongkong“ mehr wie ein Bühnenstück, in der amüsante Dialoge und wunderbarer Slapstick im Mittelpunkt stehen. Wenn Loren und Brando bei jedem Türklopfen panisch versuchen, ihr gemeinsames Geheimnis zu bewahren, ist das Chaplin-Kunst in Reinform. Nicht verschließbare Badezimmertüren, neugierige Journalisten und ein Generalschlüssel für Bedienstete tun ihr Übriges, um dem unfreiwilligen Paar konstant Schweißperlen auf die Stirn zu treiben.

Gewiss, inhaltlich und bezüglich des Handlungsverlaufs ist „Die Gräfin von Hongkong“ vielleicht etwas altbacken und überraschungsarm. Aber vielleicht ist es gerade das, was den Charme dieser Komödie ausmacht, die erfrischend harmlose Unterhaltung zum Schmunzeln bietet.

Berichten von den Dreharbeiten zufolge kamen weder Brando mit Chaplin, noch Loren mit Brando sonderlich gut aus. Wenn dem tatsächlich so war, haben es alle Beteiligten gut überspielt. Was allerdings offensichtlich ist: Die letzten fünf Minuten des Films wirken seltsam hastig, holprig und unvollständig. Fast scheint es so, als sei sogar eine Dialogszene zwischen Odgen und seiner Gattin (Tippi Hedren) mittendrin beschnitten worden, was der ganzen Geschichte ihres emotionalen Höhepunkts beraubt und ausgerechnet diese letzte Arbeit von der Kinolegende Chaplin etwas unrund ausklingen lässt. Zumindest sind so jene Gerüchte zu erklären, dass es von Seiten des Filmstudios Universal zu Kürzungen von bis zu 15 Minuten gekommen sein soll. Bis heute ist dies allerdings die einzig noch vorhandene Filmkopie.

Unabhängig davon ist die hier vorliegende Erstveröffentlichung auf Blu-ray, abgetastet von einem neuen HD-Master, ein wahrer Augenschmaus. Und: Im Vergleich zu früheren Video- und DVD-Versionen ist der Film – bis auf die eben genannte offizielle Kürzung – vollständig. Schön, dass damit nun Chaplins Gesamtwerk bezüglich seiner Langspielfilme (von 1921 bis 1967) endlich komplett vorliegt.

Die neu erschienene DVD/Blu-ray bietet den Film in deutsch synchronisierter und englischer Originalsprachfassung. Deutsche und englische Untertitel sind optional verfügbar. Als Bonusmaterial gibt es neben dem Trailer zwei interessante Bildergalerien: vom Set und vom weltweiten Promotionsmaterial. „Die Gräfin von Hongkong“ erscheint bei explosive media/Koch Media und ist seit 23. Juli 2020 erhältlich. (Packshot: © explosive media/Koch Media/Universal)