Heimkino-Tipp: „Beale Street“ (2018)

Two Lovers

Shame on me: Über den afroamerikanischen Schriftsteller James Baldwin (1924 - 1987) wusste ich bis zur Sichtung der bemerkenswerten Dokumentation „I am not your Negro“ (2016) so gut wie nichts. Dass er als einer der wichtigsten amerikanischen Autoren des 20. Jahrhunderts gilt, dämmerte mir erst im Nachhinein. Umso schöner, mit „Beale Street“ nun bereits einen weiteren Film entdecken zu können, der mit Baldwins Werk verbunden ist – das Drehbuch basiert auf seinem Roman „If Beale Street could talk“, der erstmalig 1974 erschien. Der Film ist zudem Barry Jenkins’ erster Streifen nach dem phänomenalen, dreifach Oscar-prämierten „Moonlight“ (Rezi HIER), was die Erwartungen erwartungsgemäß steigert.

Jenkins aber scheint sich von diesem Druck nicht beeindrucken zu lassen. Zwar sind einzelne Stilmittel klar wiederzuerkennen, an einer bloßen ‚Neufassung’ seines Oscar-Hits ist er jedoch überhaupt nicht interessiert. Richtig so!

„Beale Street“ erzählt von der Beziehung eines jungen Paares im New York der 1970er-Jahre. Alsonzo, genannt Fonny (Stephan James) und Trish (Kiki Layne) kennen sich seit Kindertagen und sind seit jeher unzertrennlich. Zusammen möchten sie sich eine Existenz aufbauen, müssen dabei allerdings immer wieder feststellen, dass es für Schwarze ungleich schwieriger ist, Wohnraum und Akzeptanz zu finden. Als Fonny fälschlicherweise der Vergewaltigung einer Einwanderin beschuldigt wird, beginnt für Trish und ihre Familie ein langer, zäher Kampf um Gerechtigkeit.

Lange, lichtdurchflutete Einstellungen, die Kamera stets nah an den Gesichtern der Darsteller und ein leiser, jazziger Soundtrack im Hintergrund: Die Zutaten, mit denen Regisseur Jenkins seine Liebesballade auf die Leinwand bringt, sind ein Fest fürs Auge und für die Ohren. Die Stärke des Skripts wiederum liegt in seiner leisen Anklage der gesellschaftlichen Missstände, die (leider) nichts an Aktualität eingebüßt hat. Über allem aber steht die Beziehung von Fonny und Trish, die von einer tiefen Zuneigung geprägt ist, die ihresgleichen sucht. Vor allem Trishs Familie ist von Liebe förmlich durchdrungen, was den Gegensatz zu ihrer rauen Umwelt sehr gut betont.

Ein – auch dank der (schönen) Darsteller – wunderbar anzusehender Streifen, der Jenkins’ Talent als Filmemacher noch einmal betont und beweist, dass „Moonlight“ kein One-Hit-Wonder ist. Sicherlich, im Vergleich zum preisgekrönten Vorgänger etwas sperriger und spezieller, nichtsdestotrotz aber eine Empfehlung. Und sei es nur deswegen, um sich von der Liebe zwischen Trish und Fonny berauschen zu lassen.

Die DVD/Blu-ray bietet den Film in deutsch synchronisierter und englischer Originalsprachfassung sowie deutsche Untertitel. Als Bonusmaterial gibt es ein kurzes Making of und Trailer. „Beale Street“ erscheint bei DCM Film Distribution GmbH/Universum Film und ist seit 30. August 2019 erhältlich. (Packshot + stills: © Tatum Mangus Annapurna Pictures/DCM)

Heimkino-Tipp: „Friedhof der Kuscheltiere“ (2019)

We are family

Erst im März stellte ich auf diesem Blog die Heimkino-Neuveröffentlichung des ursprünglich 1989 erschienenen Horrorfilms „Friedhof der Kuscheltiere“ vor (LINK). Die Rezension schloss mit dem Satz „Mal sehen, ob das Remake von 2019 da mithalten kann.“ Denn wenn auch nicht perfekt, so kann man das Original doch als eine sehr gelungene Adaption des gleichnamigen Romans von Stephen King bezeichnen. So gut offenbar, dass es für das Remake nun zwei Regisseure braucht (Kevin Kölsch, Dennis Widmyer). Zwei Kerle als Nachfolger für eine Frau (Mary Lambert, Regisseurin des 1989er Werks) – ein vielsagendes Statement!

Die Grundidee der Handlung bleibt unverändert: Das Ehepaar Louis (Jason Clarke) und Rachel Creed (Amy Seimetz) hat sich ein neues Zuhause abseits der Großstadt gegönnt und bezieht mit seinen beiden Kids Ellie (Jeté Laurence) und Gage (Hugo und Lucas Lavoie) ein schniekes Häuschen im Grünen. Einziges Manko: Es ist an einer Landstraße gelegen, die von Truckern gern sehr schnell befahren wird. Schließlich geschieht das Unvermeidliche: Die Katze der Familie wird überfahren. Doch der sympathische alte Mann (John Lithgow) vom Haus gegenüber weiß Rat: Er empfiehlt die Beerdigung an einer Stelle, die einst auch den Ureinwohnern als letzte Ruhestätte ihrer Angehörigen diente. Kurze Zeit später steht Kater Church wieder quicklebendig vor der Tür. Allerdings mit kleinen Verhaltensauffälligkeiten. Er soll nicht der Letzte aus der Familie bleiben, dem diese Erfahrung widerfährt.

Muss sich eine Adaption stets sklavisch an seine Vorlage halten? Über diese Frage ließe sich in Zusammenhang mit „Friedhof der Kuscheltiere 2019“ trefflich diskutieren. Einzige Bedingung, die meiner Meinung nach erfüllt sein sollte, wenn das Ausgangsmaterial verändert wird: Die neue Storyline sollte qualitativ gleichwertig daherkommen. Und genau an dieser Stelle hapert es beim Remake ein wenig: Ja, es macht Sinn, einzelne Aspekte zu modernisieren und den heutigen Sehgewohnheiten anzupassen, um neues, jüngeres Publikum anzulocken. Bedauerlicherweise bedienen sich die beiden Regisseure Kölsch und Widmyer dazu jedoch üblichen Genre-Versatzstücken, die es in anderen Horrorstreifen schon zur Genüge gibt. Das mag hip aussehen, kreativ ist es allerdings kaum. Andererseits: Vielleicht beweist meine leichte Unzufriedenheit ja, dass es eine gelungene Neuverfilmung ist? Als Ende-30-Jähriger bin ich eben nicht mehr Zielgruppe.

Nichtsdestotrotz ist schon ein wenig verschenktes Potenzial zu erkennen. Gerade die zu Beginn sorgsam präsentierte Charakterzeichnung tritt mit zunehmender Laufzeit mehr und mehr in den Hintergrund und wird lediglich als „Beiwerk“ mitgeschleppt, während die persönlichen Schicksale der Figuren in der 1989er Version noch essenziell für deren Verhalten (und Glaubhaftigkeit) waren. Mit Blick auf die zahlreichen gelöschten Szenen (die sowohl der DVD als auch Blu-ray beigefügt sind) zeigt sich, dass 2019 offenbar jeglicher Nebenstrang als vermeintlicher Ballast entfernt und der Fokus auf Schreckmomente gelegt wurde.

Schauspielerisch über jeden Zweifel erhaben, hinterlässt „Friedhof der Kuscheltiere“ in der aktualisierten Version einen zwiegespaltenen Eindruck: Freude über den Mut, der Geschichte eine neue Perspektive geben zu wollen. Enttäuschung darüber, dass diese Perspektive dann doch nur auf bekannte Versatzstücke des Genres zurückgreift.

Die DVD-/Blu-ray-Disc bietet den Film u.a. in deutsch synchronisierter und englischer Originalsprachfassung sowie diverse Untertitel. Als Extras gibt es gelöschte Szenen (inkl. alternativem Ende), Werbeclips und einen dreiminütigen Kurzfilm, der von einer im Film ignorierten Figur erzählt (also quasi ebenso eine Deleted Scene). Die Blu-ray hat zudem noch ein ausführliches Making of zu bieten. „Friedhof der Kuscheltiere“ (2019) erscheint bei Universal Pictures Germany GmbH/Paramount und ist seit 15. August 2019 erhältlich. (Packshot + stills: © Universal Pictures/Paramount)

Heimkino-Tipp: „Five Fingers for Marseilles“ (2017)

Todesmelodie

Ein südafrikanischer Western? Klingt seltsam, macht jedoch bei näherem Hinsehen durchaus Sinn. Denn mit Blick auf die Steppen und sonnendurchfluteten Orte, an denen einst Sergio Leone seine filmischen Großtaten ins richtige Bild setzte, hat Afrika auch einiges an Schauwerten zu bieten. Und das wissen Kameramann Shaun Harley Lee und sein Regisseur Michael Matthews für „Five Fingers for Marseilles“ zu nutzen.

Die Handlung ihres Films erinnert ebenso an manche Klassiker: Der Einzelgänger Tau (Vuyo Dabula) kehrt nach 20 Jahren in seine südafrikanische Heimatstadt Marseilles zurück, wo sein Auftauchen sogleich für Aufsehen sorgt – bei seinen einstigen Freunden, mit denen er in seiner Kindheit als die „Five Fingers“-Bande umherzog, und bei den ortsansässigen Bösewichtern, deren Einfluss bis zu den Entscheidungsträgern im Ort reicht. Ungewollt gerät Tau zwischen die Fronten und wird zum Handeln gezwungen – mit blutigen Folgen auf allen Seiten.

Man sieht den Machern des Streifens an, welche legendären Italo-Western ihnen als Vorbild dienten. Ob wortkarge Protagonisten, ungewöhnliche Bleiduelle oder beeindruckende Panorama-Aufnahmen der Landschaft: dieser Neo-Western hat eigentlich alles, was es zum Begeistern seines Publikums braucht. Eigentlich.

Denn bei beinahe zwei Stunden Laufzeit reicht es leider nicht, andere Werke zu zitieren und darauf zu hoffen, dass der Drehort Afrika und die fast ausschließlich aus Schwarzen bestehende Besetzung genügen, um dem Genre etwas Neues abzugewinnen. Mitunter träge schleppt sich die dünne Story voran, kaschiert durch eine – vor allem zu Beginn – wirre Szenenabfolge, in der mehrere Zeitebenen präsentiert werden. Was jedoch nicht nur verwundert sondern regelrecht fehlt ist eine Musikuntermalung. Zwar gibt es einzelne Momente mit einen Score. Hier und da aber häufiger eingesetzt, wäre definitiv mehr Spannung entstanden!

Sieht man von diesen inszenatorischen Schwächen ab, funktioniert „Five Fingers for Marseilles“ andererseits aber ziemlich gut als Gleichnis bzw. Kommentar zum Zustand des ‚schwarzen Kontinents‘: Korrupte Politiker, Clan-Gewalt, Armut und Rassismus, vermengt mit Großmachtfantasien irgendwelcher Warlords schaffen ein Klima der Trost- und Hilflosigkeit, wodurch selbst einst blühende Städte wie Marseilles verrohen und verdorren. Eine bittere Momentaufnahme.

Die DVD/Blu-ray bietet den Film in deutsch synchronisierter und mehrsprachiger, afrikanischer Originalsprachfassung sowie deutsche Untertitel. Als Bonus sind kurze Making of-Clips und Trailer beigefügt. „Five Fingers for Marseilles“ erscheint bei donau film im Vertrieb von AL!VE AG und ist seit 2. August 2019 erhältlich. (Packshot: © Donau Film e.k./AL!VE AG)