Heimkino-Tipp: „Anon“ (2018)

Eye See You
Eine Frage, die immer mal wieder in Gesprächen mit Freunden auftaucht, ist die nach der Zukunft des Menschen: Was wird die nächste Evolutionsstufe sein? Sind Mensch-Maschinen-Hybriden unsere Nachfolger? Überflügelt Künstliche Intelligenz schon bald unser Denken? Oder bleiben technische Hilfsmittel wie künstliche Gelenke, Hörgeräte, Implantate etc. pp. weiterhin nur Assistenten, die das menschliche Dasein erleichtern sollen?

Den Regisseur und Drehbuchautor Andrew Niccol scheinen ähnliche Themen zu beschäftigen. Zumindest legt ein Blick auf seine Filmografie diese These nahe, hat er sich doch u.a. bereits mit genetischer Manipulation („Gattaca“), virtuell erschaffenen Promis („S1m0ne“) und der High-Tech-Kriegsführung („Good Kill“, Rezi HIER) befasst. In „Anon“, nach „In Time“ seine zweite Zusammenarbeit mit Darstellerin Amanda Seyfried, blickt er nun ebenfalls wieder in eine Zukunft, die sich von unserer Gegenwart nur minimal unterscheidet. Minimal deshalb, da in seiner Geschichte alle Menschen komplett transparent sind. Es gibt keinerlei Geheimnisse mehr, alle Dinge, die es über den Nachbarn/Kollegen/Fremden zu wissen gibt, sind jedermann zugänglich. Klingt vertraut? Ist es auch, dank diverser sozialer Netzwerke, Ortungsdienste und behördlicher Daten, die schon heute problemlos einsehbar sind. Insofern ist die Idee aus „Anon“, in der Augenimplantate diese Aufgabe übernehmen, keine plumpe Fantasie: Sie ermöglichen dem Träger, sämtliche Informationen über sein Gegenüber in jenem Moment zu erhalten, in dem man einander erblickt. Auch Erlebtes kann – so die Dystopie im Film – zu einem späteren Zeitpunkt noch einmal angeschaut werden, zu lügen ohne ertappt zu werden ist faktisch unmöglich.

Der Polizist Sal (Clive Owen) hat somit eigentlich kaum beruflich etwas auszustehen. Bis eine Mordserie auf seinem Schreibtisch landet, bei dem der Täter scheinbar unsichtbar ist. Die Erklärung: Ein Hacker muss die aufgezeichneten Daten nachträglich manipuliert haben, um so jede Spur zu verwischen. Seine Recherchen führen Sal zu einer mysteriösen Frau (Seyfried), die solche verbotenen Hackerjobs gegen Bezahlung umsetzt. Aber führt sie ihn auch zu den Hintermännern?

Einmal mehr beweist Filmemacher Niccol, dass „reale SciFi“ unterhaltsam und kritisch zugleich sein kann. Er kreiert eine glaubhafte, nicht allzu ferne Zukunftsvision, die mit aktuellen Verweisen (oder sind es Warnungen?) gespickt ist und bettet darin einen spannenden Krimiplot ein, der bis auf ein paar technische Spielereien im Grunde einem klassischen Thriller aus der Jetztzeit ähnelt. Ergänzt mit einem fabelhaft aufspielenden Cast, sind genau das die Gründe, die Niccol-Werke immer wieder so sehenswert machen. So auch „Anon“, der viel Diskussionsstoff (an)bietet – sei es aufgrund der Handlung oder dem faszinierenden Blick in eine mögliche Zukunft.

Die DVD/Blu-ray bietet den Film in deutsch synchronisierter und englischer Originalsprachfassung sowie deutsche Untertitel. Als Bonus gibt es ein Special über die Präsentation des Films beim Filmfest München 2018, Interviews sowie Trailer. „Anon“ erscheint (auch als Steelbook) bei Koch Media und ist seit 25. Oktober 2018 erhältlich. (Packshot + stills: © Koch Media GmbH)

Lust auf ein wenig „popkulturelles Gerümpel“? Dann gerne HIER entlang, zum Podcast meines lieben Freundes Steve Buchta. Dort durfte ich einen kleinen Gastbeitrag einsprechen zum Film „The Killing - Die Rechnung ging nicht auf“ von Stanley Kubrick. Viel Spaß!

Heimkino-Tipp: „Lucky Luke“ (1991/1992)

Schneller als sein Schatten
Iiieeecks! Eine Comicverfilmung! Wer der unzähligen Leinwandabenteuer diverser Superhelden überdrüssig ist, mag möglicherweise nicht erfreut sein, dass nun auch auf diesem Blog eine Realfilm-Adaption einer beliebten Comicfigur besprochen wird. Doch halt! Bei „Lucky Luke“ handelt es sich nicht um ein Produkt der 2010er-Jahre, sondern um ein Werk aus den 90ern. Aus einer Zeit also, in der es – abgesehen von Ausnahmeproduktionen wie Tim Burtons „Batman“ – nicht unbedingt üblich war, seriös an so ein Projekt ranzugehen. Slapstick und Gags standen meist im Mittelpunkt, tiefgründige Charakterstudien à la „The Dark Knight“ waren nicht das primäre Ziel. Ein treffendes Beispiel dafür liefert Terence Hills „Lucky Luke“, basierend auf den gleichnamigen Kultcomics von Maurice de Bevere alias Morris und René Goscinny („Asterix“).

Der Cowboy Lucky Luke (Hill) zieht zusammen mit seinem besten Kumpel, dem Pferd Jolly Jumper, durch den Wilden Westen und sorgt dort für Recht und Ordnung. Als er in das neugegründete Städtchen Daisy Town kommt, bitten ihn die Bewohner, den Posten des Sheriffs zu übernehmen. Zunächst hat Luke damit ordentlich zu tun, was vor allem an den Dalton-Brüdern liegt, kriminellen Geschwistern, deren liebste Beschäftigung Überfälle sind. Die versuchen schließlich, die ansässigen Indianer gegen die neuen Siedler aufzubringen und einen Krieg vom Zaun zu brechen. Keine leichte Aufgabe für Luke, den Frieden zu bewahren.

Ob mit (z.B. „Vier Fäuste für ein Halleluja“) oder ohne („Mein Name ist Nobody“) seinem langjährigen Freund und Schauspielkollegen Bud Spencer, Terence Hill hat schon etliche unterhaltsame Abenteuer als Westernheld bestanden. Insofern war der blauäugige Charmebolzen eigentlich eine Idealbesetzung für das „Lucky Luke“-Filmprojekt. Zusammen mit seiner Frau Lori verfasste Hill das Drehbuch und fokussierte dabei wenig überraschend die Humorkomponente der Vorlage. Entstanden ist ein – im positiven Sinne – belangloser Spaß-Western, der ganz klar auf ein jüngeres Publikum zugeschnitten ist. So durchbricht die Handlung hier und da die sogenannte vierte Wand, wenn beispielsweise das Bild eingefroren und eine witzige Bemerkung eingeblendet wird. Ganz wie in den Comics kann Jolly Jumper auch hier seine Gedanken artikulieren und überhaupt kommt das ganze ziemlich harmlos daher. Sogar die Hill-typischen Prügeleien sind auf ein Minimum reduziert. Mitunter wirkt der Film wie eine Nummernrevue, bei der bekannte Szenen und Figuren der Vorlage kurz präsentiert werden, ohne eine wirklich stringente Handlung samt Spannungskurve zu kreieren. Doch im Hinblick auf das Zielpublikum keine schlechte Entscheidung.

Letztendlich ist es Hill, der mit seinem verschmitzten Auftreten den Film trägt und über die 90-Minuten-Marke rettet. Bemerkenswert sind ebenso die Pferdestunts, wobei ich mir nicht ganz sicher bin, ob dabei den Tieren nicht Schaden zugefügt wurde.

Vom Erfolg des Films beflügelt, entstanden 1992 noch acht TV-Episoden mit einer Länge von je ca. 50 Minuten, deren Handlung an „Der neue Mann in Daisy Town“ anschließt. Inhaltlich und inszenatorisch auf ähnlichem Niveau, betonen sie mit dem Overacting einzelner Darsteller noch mehr das komödiantische Ansinnen der Macher.

„Lucky Luke“ ist sicherlich kein Meilenstein, unterhaltsam sind Film + Serie jedoch allemal. Mein Empfehlung: Wer seine Kids an Hill/Spencer heranführen will, macht hiermit nichts falsch. Für ein gereifteres Publikum ist’s dann aber doch zu kindisch.

Erstmalig komplett ungeschnitten, erscheint „Lucky Luke“ als Blu-ray/DVD-Komplettpaket mit Film sowie allen acht Episoden der TV-Serie. Bislang fehlende Szenen wurden mit dem legendären Hill-Synchronsprecher Thomas Danneberg nachsynchronisiert. Der Ton liegt in deutsch und englisch (nur Film) vor, deutsche Untertitel gibt es ebenfalls nur beim Film. „Lucky Luke“ erscheint bei Phoenix Media Ruhr GmbH & Co. KG / 3L Vertriebs GmbH & Co. KG und ist seit 12. Oktober 2018 erhältlich. (Packshot: © 3L)

Heimkino-Tipp: „Tully“ (2018)

Was hat sie bloß so ruiniert?
Reitman/Cody, die Dritte: Nach den wunderbaren Tragikomödien „Juno“ (2007) und „Young Adult“ (2011) machen Regisseur Jason Reitman und Drehbuchautorin Diablo Cody mit „Tully“ nun das Triple komplett. Denn ihr neues gemeinsames Werk ist ebenso wie die beiden vorherigen Streifen ein Volltreffer – inhaltlich, schauspielerisch, filmisch. Im Mittelpunkt: Eine dreifache Mutter namens Marlo, bemerkenswert nuanciert dargestellt von Guckschatz Charlize Theron.

Die machte für ihre Rolle das volle Robert De Niro-‚Wie-ein-wilder-Stier‘-Programm und mampfte sich im Vorfeld der Dreharbeiten ein paar Extrapfunde an, um auch körperlich in ihrer Rolle zu überzeugen (als ob das bei ihrem herausragenden Talent nötig wäre!). Denn ihre Marlo erwartet zum dritten Mal Nachwuchs und steht kurz vor einem Nervenzusammenbruch. Es ist einfach zuviel: Gatte Drew (Ron Livingston) beruflich oft unterwegs, Bruder Craig (Mark Duplass) und seine Frau das scheinbar perfekte Elternpaar ohne Makel, und Sohnemann Jonah (Asher Miles Fallica) nicht ganz einfach zu handhaben. Craig will dem Wahnsinn Einhalt gebieten und empfiehlt Marlo, es doch mal mit einer Nacht-Nanny zu probieren. So könnte sie endlich mal wieder durchschlafen, während ihr Neugeborenes Beschäftigung hat. Marlo lässt sich darauf ein – und lernt mit Tully (Mackenzie Davis) eine junge Frau kennen, die ihr (Familien-)Leben verändern wird.

Mit einer wohldosierten Mischung aus Humor, Sarkasmus, Tragik und bitteren Wahrheiten widmet sich „Tully“ einer Thematik, die bisher nur selten im Fokus eines Hollywood-Films stand: der postnatalen Depression. Konkret ausgesprochen wird es zwar nie, die Verhaltensweisen, die Marlo hier an den Tag legt, gehen jedoch über eine gelegentliche Müdigkeit hinaus. Ein deprimierender Film ist „Tully“ dadurch aber noch lange nicht. Vielmehr umkreisen Reitman/Cody das Thema leichtfüßig, huldigen dabei die alltäglichen Heldentaten von Müttern und verdeutlichen ohne viel Dramatik die Schwierigkeit, sich trotz aller Hürden nicht vom geliebten Partner zu entfremden. Eine konstante Gratwanderung, die vor allem Hauptdarstellerin Theron bravourös meistert.

Und obwohl „Juno“, „Young Adult“ sowie „Tully“ inhaltlich nichts miteinander zu tun haben, könnten sie so etwas wie das Gegenstück von Richard Linklaters „Boyhood“-Projekt sein: Das Leben einer Frau, beginnend im Teenager-Alter, über die rebellische Mitte-20-Phase, bis hin zum Dasein als verheiratete Mehrfachmutter. Mal sehen, ob es in zehn Jahren eine inoffizielle Fortsetzung gibt. Dann vielleicht mit einer Frührentnerin/Großmutter im Fokus der Erzählung? Wenn Film Nummer vier an die Qualität von „Tully“ anknüpft, würde sicherlich nicht nur ich mich darüber freuen.

P.S.: Eine ähnlich gute Kombination aus Witz und Tragik bietet der österreichische Film „Was hat uns bloß so ruiniert“ (2016) von Marie Kreutzer. Hier sind es gleich mehrere Paare, die mit dem Elternwerden hadern und mit aller Kraft versuchen, alles anders und cooler zu machen als ‚der Rest‘. Ein mitunter bitterböser Spaß, besonders für (noch?) kinderlose Zuschauer!

Die DVD/Blu-ray bietet den Film in deutsch synchronisierter und englischer Originalsprachfassung sowie deutsche Untertitel. Als Bonusmaterial gibt es ein sympathisches Making of sowie Trailer. „Tully“ erscheint bei DCM Film Distribution GmbH/Universum Film und ist seit 12. Oktober 2018 erhältlich. (Packshot + stills: © DCM)

Heimkino-Tipp: „Prom Night“-Collection (1980-1992)

School’s Out forever
Nachdem John Carpenter mit „Halloween“ (1978) eindrucksvoll gezeigt hatte, wie man mit wenig Mitteln aber viel Finesse einen richtig guten Horrorfilm kreiert, folgten in den Jahren darauf unzählige Streifen nach ähnlichem Muster – billig, blutig, belanglos. Einige davon waren qualitativ zwar unter aller Sau (siehe „Freitag, der 13.“), der Erfolg vor allem beim jungen Publikum lieferte den Machern jedoch genug finanzielle Argumente, um gleich ganze Filmreihen daraus zu basteln. Auch „Prom Night“ fällt in diese Nachahmer-Kategorie, hatte allerdings einen bedeutenden Vorteil: Jamie Lee Curtis, mit „Halloween“ zum Star avanciert, spielte auch hier die Hauptrolle. Grund genug, sich dieses Werk also ein wenig genauer anzuschauen.

Wirklich viel Geld dürfte auch der erste „Prom Night“ nicht gekostet haben – das zumindest machen Umsetzung und Filmsets schnell deutlich. Im Gegensatz zur Konkurrenz scheint Regisseur Paul Lynch aber hochmotiviert gewesen zu sein. Seine Arbeit lässt sich wohl am besten als nicht ganz ausgereifter Mix aus „Carrie“, „Der Exorzist“ und eben „Halloween“ beschreiben – alles drei prominente Vertreter des Genres, von denen inhaltliche Versatzstücke in „Prom Night“ wiederzufinden sind.

Kim (Curtis) ist Schülerin an der Hamilton High School und freut sich wie so viele andere auf den anstehenden Abschlussball. Eifersüchteleien, Zickenkriege und der Wunsch nach dem „ersten Mal“ sind allgegenwärtig – wie auch ein maskierter Killer, der ein paar bestimmte Schüler auf seiner Todesliste hat und diese nun gedenkt abzuarbeiten. Denn die Gören haben einst ein Mädchen beim Spielen so sehr verängstigt, dass es aus dem Fenster fiel und starb. Zeit für Rache, Zeit für blutige Vergeltung.

Bis es soweit ist, dürfen sich die Zuschauer auf einige grenzwertige Tanzeinlagen und einen ernsthaften Leslie Nielsen in der Rolle des Schuldirektors freuen. Wenn das Metzelfest dann nach ca. einer Stunde beginnt, überrascht vor allem die Schnelligkeit des Mörders, der zwar nicht sehr helle, aber dafür ungemein effektiv agiert.

Sieben Jahre später gab es mit „Hello Mary Lou: Prom Night II“ (1987) eine quasi Fortsetzung, die, bis auf den Ort des Geschehens, kaum etwas mit dem Vorgängerfilm zu tun hat. Kaum verwunderlich, wurde „Mary Lou“ doch erst nachträglich zu einem Teil der Reihe ernannt, obwohl ursprünglich als eigenständiges Drehbuch mit einem anderen Titel eingereicht. Selbiges trifft übrigens ebenso auf „Prom Night 3 – Das letzte Kapitel“ (1990) zu. In beiden Filmen ist es der Geist einer getöteten Schülerin, der sich an ehemaligen Klassenkamerden rächen will. Das läuft in Teil 2 vornehmlich nach Schema F ab. Teil 3 aber spickt das Ganze mit großartigem Gaga-Humor, nimmt sich selbst überhaupt nicht ernst und ist tatsächlich das witzige Highlight der Reihe. „Prom Night IV – Evil of Darkness“ (1992) geht dann den entgegengesetzten Weg und lässt einen Gottesfürchtigen Mann zwei Teenie-Paare dezimieren, die sich für ein romantisches Wochenende in ein abgelegenes Haus zurückgezogen haben.

Im Rückblick sind die „Prom Night“-Filme zwar keine Genre-Meilensteine, können aber hier und da mit einigen gut gemachten Schockmomenten punkten. Natürlich sollten sie nicht mit modernen Slashern verglichen werden, für Fans von 80er-Jahre-Horrorstreifen sind sie dennoch einen Blick wert. Mein Favorit: Teil 3, der mitunter schon „Tanz der Teufel 2“-Humorqualitäten aufweist.

Noch eine Anmerkung zu dieser Neuveröffentlichung: Der erste und bekannteste Film der Reihe erscheint auch einzeln im Mediabook mit umfangreicher Bonus-Disc. Wer sich für die komplette „Quadrilogy“ (nein, das ist eigentlich kein existierendes Wort), also alle vier Filme im Set entscheidet, erhält zu Teil 2 und 3 noch alternative Filmfassungen als Extras. Alle Filme liegen im englischen Originalton sowie in deutsch synchronisierter Fassung vor. Untertitel in deutsch und englisch sind ebenso vorhanden.

„Prom Night“ und „Prom Night Quadrilogy“ erscheinen bei Koch Media und sind seit 11. Oktober 2018 erhältlich. (Packshot + stills: © Koch Media GmbH)

... im Nachgang: „Das schönste Mädchen der Welt“ (Kinostart: 6. September 2018)

Jugendsprech anno 2018 ist gar nicht so leicht. Habe mich passend zum Film trotzdem dran versucht. Das Ergebnis lest ihr HIER (von mir stammt der Pro-Teil des Textes).

(Plakat: © 2018 Tobis Film GmbH)