Heimkino-Tipp: „Blood“ (2022)

Red Red Wine

Wer selbst Kinder hat, kennt das sicherlich nur zu gut: Der Nachwuchs benötigt konstant Aufmerksamkeit, Fürsorge und Zuneigung und fordert diese auch – zu Recht – jederzeit ein. Das Benehmen ist oftmals eigenwillig, die Geduld gering und der Hunger mitunter groß. Für Eltern eine tägliche Herausforderung, besonders dann, wenn man/frau alleinerziehend ist und den Alltag mit den Kids solo meistern muss.

Regisseur Brad Anderson („Der Maschinist“, „The Call – Leg nicht auf!“) und sein Drehbuchautor Will Honley haben dieses Elterndasein mit „Blood“ in ein wunderbares filmisches Gleichnis übertragen, das sich packend und unterhaltsam das Vampir-Genre zunutze macht.

Die getrennt lebende Krankenschwester Jess (Michelle Monaghan) zieht mit ihren beiden Kindern zurück in ihr vereinsamtes Elternhaus auf dem Land. Während ihre Teenagertochter Tyler (Skylar Morgan Jones) mit dem neuen Umfeld hadert, begibt sich ihr jüngerer Bruder Owen (Finlay Wojtak-Hissong) zusammen mit seinem Hund auf Entdeckertour auf dem umliegenden Gelände. Als das Tier jedoch eines Nachts ausbüxt und Tage später erst zurückkehrt, nimmt das Unheil seinen Lauf: Der Hund fällt Owen an, dieser muss mit einer schlimmen Bisswunde ins Krankenhaus – und ist fortan nicht mehr derselbe. Denn scheinbar hilft ihm nur eine ‚Medizin‘: frisches Blut.

Wer nun einen deftigen Vampirhorrorstreifen erwartet, wird womöglich enttäuscht werden. Denn Regisseur Anderson interessiert sich nur beiläufig für die Jagd nach dem Lebenssaft und fokussiert in seinem Film vielmehr die Auswirkungen des Blutdursts auf Mutter Jess und ihr Handeln. Sie ist zunächst die Einzige, die das unheimliche Verlangen ihres Sohnes wahrnimmt und versucht mittels geklauter Blutkonserven, das Problem im Zaum zu halten. Eine Scheinlösung, da Owens Durst einerseits immer größer wird, Jess andererseits schnell andere Mittel und Wege finden muss, da ihr der Zugang zu den sensiblen Räumen im Krankenhaus aus Sicherheitsgründen verwehrt wird.

Womit Jess’ Kernkonflikt zutage tritt: Wie weit würde sie als Mutter gehen, um ihr Kind zu retten? Zu welchen Maßnahmen wäre sie fähig? Inhaltlich spannender wird dieser Konflikt auch dadurch, dass ihr mit ihrem (unwissenden) Ex-Mann Patrick (Skeet Ulrich) eine Person gegenübersteht, die ebenfalls bereit ist, zu allen (rechtlichen) Mitteln zu greifen, um seine Kinder zu schützen. Somit wird „Blood“ mehr und mehr zu einem Beziehungsdrama, das zwei sehr unterschiedliche Wege darstellt, um das ‚eigene Fleisch und Blut‘ zu retten.

Inszeniert ist das Ganze relativ unspektakulär, was keineswegs negativ gemeint ist, da so der Fokus komplett auf der inhaltlichen Ebene verweilt. Auch verzichtet „Blood“ auf witzige Momente und vermeidet Überzeichnungen ebenso wie übernatürliche Szenen, was der Glaubhaftigkeit der Erzählung zugutekommt.

Natürlich funktioniert „Blood“ auch ohne diesen psychologischen Überbau ganz hervorragend. Wer jedoch die oben benannte Gleichnis-These akzeptiert, wird vom Ende des Films sicherlich überrascht sein. Oder anders formuliert: Ein solches Finale ist mutig. Respekt!

Fazit: Ein schönes kleines filmisches Schmankerl, das zwar nicht außergewöhnlich ist, aber doch weit mehr als das übliche Vampirgeschichtchen zu bieten hat und spannend unterhält.

Die DVD/Blu-ray bietet den Film in englischer Original- sowie deutscher Synchronsprachfassung. Deutsche Untertitel sind optional zuschaltbar. Als Bonus gibt es Trailer. „Blood“ erscheint bei Square One Entertainment im Vertrieb von Leonine und ist seit 27. Oktober 2023 auch digital erhältlich. (Packshot + stills: © LEONINE Studios)

Heimkino-Tipp: „Die Zeit nach Mitternacht“ (1985)

After Hours

Während es im Kino gerade Martin Scorseses neuestes Werk „Killers of the Flower Moon“ zu bestaunen gibt, erscheint fürs Heimkino eine seiner etwas unbekannteren Arbeiten aus den 1980ern erstmals auf Blu-ray: „Die Zeit nach Mitternacht“. Wobei die Formulierung ‚etwas unbekannter‘ vielleicht etwas überspitzt ist, denn ein Scorsese-Film hat auch schon damals, im dritten Jahrzehnt seiner Karriere, für Aufmerksamkeit gesorgt. Im Gesamtœuvre aber, das von Klassikern wie „Taxi Driver“, „Wie ein wilder Stier“, „Goodfellas“, „Gangs of New York“ oder „The Departed“ nur so überquillt, ist die 1985 erschienene Komödie allerdings schon etwas versteckt.

Sie erzählt die Geschichte des alleinstehenden Texters Paul (Griffin Dunne), der nach Feierabend in einem Café die attraktive Marcy (Rosanna Arquette) kennenlernt. Ein sympathisches Gespräch und ein einladendes Telefonat später ist Paul bereits auf dem Weg in ihr Appartement, wo er auf ihre eigensinnige Mitbewohnerin, die Künstlerin Kiki (Linda Fiorentino) trifft. Von da an entwickelt sich Pauls Nacht zu einem unvorhersehbaren Abenteuer, das ihn dank vieler seltsamer Situationen und Personen beständig davon abhalten wird, wieder in sein sicheres Zuhause zu kommen.

Gewöhnlich reagiere ich stets etwas skeptisch, wenn mir ein Drehbuch erzählen will, dass unscheinbare, stille und nicht übermäßig sexy erscheinende Männer ganz spontan von sehr hübschen, witzigen und scheinbar Partnerlosen Damen angesprochen werden. Auch in diesem Film kommt die Handlung erst durch so eine ‚göttliche‘ Fügung ins Rollen, zum Glück wird in diesem Fall jedoch sehr schnell deutlich, dass nicht alles mit rechten Dingen zugeht oder zufällig geschieht. Oder doch?

Ganz ähnlich dem Gefühl, das mensch bei großer Müdigkeit und zu wenig Schlaf mitten in der Nacht überkommt, schlägt das Skript von Joseph Minion und Scorsese im Verlauf so viele Haken, dass es zunehmend schwerfällt, das Gezeigte als glaubhafte (Film-)Realität zu akzeptieren. Figuren handeln seltsam, Dialoge verwirren, viel zu viele Personen sind viel zu wach zu nachtschlafender Zeit.

Dieses an sich amüsante Konzept hat jedoch zwei kleine Schwächen: Es ist nur leidlich spannend und leider selten wirklich komisch. Hinzu kommen irrationale Entscheidungen der Hauptfigur, die es schwer machen, ihr als ZuschauerIn zu folgen oder zumindest mit ihr zu sympathisieren. Die Welt in „Die Zeit nach Mitternacht“ ist überfüllt von sehr eigenwilligen Charakteren, ‚Normalos‘ scheint es nachts in New York nicht zu geben.

Ist es genau das, was der Film erzählen will? New York als Schmelztiegel verrückter Menschen, in denen ein langweiliger Bürohengst selbst erst verrückt werden muss, um zu Überleben? Fast schon ein Kompliment für diese Millionenstadt. Bezüglich Scorseses Schaffen gibt‘s meine Komplimente aber eher für seine anderen Werke.

Die Blu-ray/DVD-Disc bietet den Film in englischer Original- und deutsch synchronisierter Sprachfassung. Deutsche und englische Untertitel sind optional vorhanden. Als Bonus gibt es einen Audiokommentar, ein Making of, entfallene Szenen, Trailer und ein Booklet von Stefan Jung. „Die Zeit nach Mitternacht“ erscheint im Mediabook (Blu-ray/DVD) bei Plaion Pictures und ist seit 26. Oktober 2023 auch digital erhältlich. (Packshot + stills: © Plaion Pictures)