Heimkino-Tipp: „Twice Born“ (2012)

Die aktuellen Ereignisse in der Ukraine zeigen nicht zum ersten Mal die Ohnmacht der europäischen Gemeinschaft wenn es darum geht, Konflikte frühzeitig zu erkennen und konstruktiv gegen eine Eskalation vorzugehen. So fielen Mitte der 1990er-Jahre etwa 100.000 Menschen dem Bosnienkrieg zum Opfer, der zwar 1995 offiziell für beendet erklärt wurde, jedoch traurigerweise bis heute seine Nachwirkungen zeigt.

Filmisch wurde dieses beschämende Kapitel der Staatengemeinschaft bereits aus verschiedenen Blickwinkeln thematisiert. Zu den aus meiner Sicht besten Werken zählen diesbezüglich „Welcome to Sarajevo“, „No Man’s Land“, „Das geheime Leben der Worte“, „Hunting Party“, „Sturm“ sowie „Whistleblower“. Gern hätte ich an dieser Stelle Sergio Castellittos „Twice Born“ von 2012 noch ergänzt, leider kann das Liebesdrama mit Penélope Cruz in der Hauptrolle jedoch mit den zuvor genannten Filmen qualitativ nicht ganz mithalten.

Das liegt vor allem an der gewählten Struktur: In mehrere Zeitebenen unterteilt, die meist nur anhand der sich verändernden Frisuren erkennbar sind, erzählt der Film von der turbulenten Beziehung der Italienerin Gemma (Cruz) und dem amerikanischen Fotografen Diego (Emile Hirsch). Sie lernten sich einst Anfang der 1980er-Jahre in Sarajevo kennen und lieben. Vom Traum eines gemeinsamen Lebens ist Gemma nur ihr Sohn Pietro (Pietro Castellitto) geblieben, mit dem sie nun, viele Jahre nach Ende des Krieges, nach Sarajevo zurückreist, um ihm jenen Ort zu zeigen, an dem sie seinen Vater das erste Mal traf. Der Trip weckt in Gemma viele Erinnerungen und führt sie schließlich auch wieder mit jenen Menschen zusammen, die sie seit ihrer Flucht aus der belagerten Stadt nicht mehr gesehen hat. Eine Begegnung mit Folgen.

Basierend auf einem Buch von Margaret Mazzantini, Frau von Regisseur Castellitto und Mutter von Darsteller Pietro, kann „Twice Born“ seine Roman-Herkunft nie ganz ablegen. Ständige Szenen-, Orts- und Zeitwechsel machen es schwer, eine emotionale Bindung zu den Hauptfiguren aufzubauen, verhalten diese sich doch je nach Alter und Lebenserfahrung mal kindisch, mal erwachsen, mal völlig unverständlich. Dabei fällt auf, dass selbst kurze Sequenzen, die nur wenige Sekunden lang sind, opulent ausgestattet sind. Nur ein Indiz für offenbar aus dem Film gelöschte – und nun merklich fehlende – Szenen, was angesichts der mitunter abrupten Übergänge und vieler ‚unfertiger‘ Dialoge noch verstärkt wird.

So pendelt der unübersehbar ambitionierte Film stets ein wenig ungelenk zwischen Romanze und Kriegsdrama und versucht, beide Pole in den letzten 20 Minuten mit einem etwas bemüht wirkenden, zweiten Blickwinkel zusammenzufügen. Dadurch gelingt es zwar, etliche lose Enden zu einem in sich schlüssigen Ende zu bringen. Nur macht diese Storywendung dann ebenso deutlich, dass die vom Regisseur gewählte, zerpflückende Erzählstruktur in diesem Umfang gar nicht nötig gewesen wäre, um die schrecklichen Ereignisse und Folgen des Bosnienkrieges angemessen darzustellen.

Manchmal ist es eben doch nicht ganz verkehrt, die Form dem Inhalt unterzuordnen.

Die DVD/Blu-ray bietet den Film in deutsch synchronisierter und in englischer Originalsprachfassung. Untertitel sind bedauerlicherweise nicht vorhanden, auch nicht für die komplett italienisch gesprochenen Passagen. Als Extra gibt es einen Trailer. „Twice Born“ erscheint bei Maritim Pictures / Ascot Elite und ist seit 15. April erhältlich. (Packshot: © Maritim Pictures)

Heimkino-Tipp: „Casa de mi Padre“ (2012)

„Schräger als Fiktion“ nannte sich 2006 ein Film des US-Amerikaners Will Ferrell. Wäre der Titel nicht schon vergeben, würde er wunderbar zu „Casa de mi Padre“ passen, einem seltsamen, abgefahrenen und bei aller Sonderlichkeit herrlich witzigen Streifen, der für Zuschauer ohne spezielle Vorwarnung wohl nur schwer zu deuten ist.

Aus einer Schnapsidee heraus geboren, ist „Casa de mi Padre“ Ferrells Debüt als spanisch sprechender Schauspieler, das sowohl Huldigung als auch Satire der mexikanischen Telenovelas sein will, dabei aber auch ordentlich amerikanische Vorurteile über die Nachbarn im Süden auf die Schippe nimmt. Ferrell, der nach eigener Aussage lediglich auf sein Schulwissen und ein Uni-Semester Spanisch zurückblicken kann, ließ es sich nicht nehmen, extra für die Rolle seine Sprachkenntnisse aufzufrischen und inmitten von Muttersprachlern einen stolzen, etwas einfältigen, aber herzensguten Farmerssohn zu spielen. Der von ihm dargestellte Armando Alvarez hat seine Erfüllung im Landleben und Kühe hüten gefunden und hofft, eines Tages die große Ranch seines Vaters (Pedro Armendáriz) übernehmen zu können. Als Armandos Bruder Raoul (Diego Luna) überraschend aus Amerika zurückkehrt, ruft das den Drogenbaron Onza (Gael García Bernal) auf den Plan. Denn der mag erstens keine Konkurrenz und erträgt es zweitens nicht, dass Raoul seine Nichte Sonia (Genesis Rodriguez) ehelichen will. Bei der Hochzeit kommt es schließlich zu einem Blutbad. Und so ist es an Armando, die Ehre seiner Familie wieder herzustellen.

Billige Pappkulissen, schlechte Setausleuchtung, Anschlussfehler, sichtbare Filmcrew-Mitarbeiter, vermasselte Szenenabgänge der Darsteller, widerspenstige Requisiten und ein (Plüsch-)Tigerangriff als Standbild: Regisseur Matt Piedmont und sein durchgeknalltes Team ziehen wirklich alle Register, um sich vor ihren Telenovela-Vorbildern zu verbeugen. Ähnlich wie „Black Dynamite“ die Blaxploitation-Werke der 1970er veräppelte (siehe HIER), verschmelzen bei „Casa de mi Padre“ dank des – angeblichen – Dilettantismus der Macher Fantasie- und Realwelt miteinander und lassen das Herz eines jeden Cineasten, der sich ein wenig mit Filmentstehung auskennt, höher schlagen. Mittendrin ein Ferrell, der ganz offensichtlich keine Ahnung hat, was er da überhaupt von sich gibt und in den absurdesten Situationen versucht ernst zu bleiben. Seine Schauspielkollegen haben ebenso sichtlich Spaß an dem Blödsinn und wie im Fall von Gael García Bernal überhaupt keine Hemmungen, ihre eigene TV-Vergangenheit aufs Korn zu nehmen.

Aber damit nicht genug: Sogar die auf der DVD/Blu-ray beigefügten gestrichenen Szenen wirken wie absichtlich aus dem Film geschnitten, erklären sie doch einige wichtige Handlungsdetails. Dazu passt auch das Making of, welches man ebenso nicht ganz ernst nehmen sollte.

So ist „Casa de mi Padre“ als Gesamtkunstwerk eine beeindruckende Leistung mit großem Unterhaltungswert – zumindest für Fans des verqueren Ferrell-Humors und Filmfreaks, die sich über Selbstreferenzielles à la „Grindhouse“ amüsieren können. Für einen perfekten Genuss empfiehlt sich natürlich nur die Originaltonspur in spanisch, da die so gar nicht zu dem hochgewachsenen, bleichen Nicht-Mexikaner Ferrell passen will.

Die DVD/Blu-ray bietet den Film in deutsch synchronisierter und spanisch/englischer Originalsprachfassung sowie deutsche Untertitel. Als Extras sind ein Making of, ein Interview, gestrichene Szenen und Trailer vorhanden. „Casa de mi Padre“ erscheint bei PECOM AG / Elite Film AG (Ascot Elite) und ist seit 18. Februar erhältlich. (Packshot: © Ascot Elite)

Heimkino-Tipp: „Savaged“ (2013)

Schon seit den 1970er-Jahren existiert im Horrorfilmbereich das Subgenre des „Rape-and-Revenge-Movies“. Dabei steht stets die Misshandlung einer meist weiblichen Person im Vordergrund, die sich dann im weiteren Verlauf der Geschichte mit extremer Brutalität an ihren Peinigern rächt. Nachdem der Erfolg dieser Filme ab Mitte der 1980er abnahm, erlebten sie dank Hollywoods Remake-Wahn 20 Jahre später eine Art Wiedergeburt, diesmal jedoch nicht nur als Nischenprodukt, sondern ganz bewusst mit jugendlichen Kinogängern als Zielgruppe. Ironischerweise jedoch um ein Vielfaches derber und blutiger als zuvor, dank sich verändernder Sehgewohnheiten und sehr viel niedrigeren Hemmschwellen bezogen auf die Zeigefreudigkeit.

Persönlich war ich nie ein Fan dieser Art der „Unterhaltung“, appelliert sie doch oftmals an niederste Instinkte und ergötzt sich leider viel zu ausführlich am Leiden der Opfer. „Savaged“ von Michael S. Ojeda ist auf den ersten Blick ebenso diesem Genre zuzuordnen, fügt der anspruchslosen Rachegeschichte jedoch einen Kniff hinzu, der seinen Film herausstechen lässt.

Die taube Zoe (Amanda Adrienne) durchquert auf dem Weg zu ihrem Freund eine Wüste der USA mit ihrem Auto. Dabei wird sie Zeugin, wie eine Gruppe Rednecks zwei Indianer töten. Sie gerät daraufhin selbst in die Gewalt der Männer, die sich an ihr vergehen und nach einigen Tagen töten. Ein Schamane, der ihren leblosen Körper findet, erweckt sie mit allerhand Magie schließlich wieder zum Leben – und ebnet ihr so den Weg zur Rache. Ein Handicap hat die ‚neue‘ Zoe jedoch: Ihr Äußeres verwest mehr und mehr.

„Savaged“ ist ein Film der Extreme: Sowohl inhaltlich als auch inszenatorisch vermischt Regisseur/Autor Ojeda sämtliche Versatzstücke verschiedener Gattungen, zitiert dabei (zufällig?) Klassiker wie das „Texas Chainsaw Massacre“ und kennt keine Hemmungen, was die Gewaltdarstellung angeht. Erfreulicherweise gilt das hauptsächlich für den übersinnlichen zweiten Teil seines Films, während er die Gefangennahme der Frau zu Beginn und die sich daran anschließenden widerwertigen Handlungen der Kerle nur andeutet. Mitunter haben die späteren Aktionen der Untoten sogar komödiantischen Charakter und erinnern ein wenig an Rodriguez’ „Planet Terror“ und „Machete“.

Freilich bleibt auch hier der moralische Unterbau nur Staffage, was zählt ist das Schlachtfest der taffen Blondine. Dies ist trotz des überschaubaren Budgets gut umgesetzt und weit entfernt vom dilettantischen Stil von Eli Roths „Hostel“-Billigware. Okay, einige ‚große‘ Actionszenen wie der Überschlag eines Wagens sind unübersehbar den Pixelwelten entsprungen. Das macht Ojeda jedoch mit anderen Szenen wieder gut, für die er wiederum ausreichend Geld in die Hand nahm, um es möglichst realistisch aussehen zu lassen – sofern das in einem Film mit einem hübschen Zombie überhaupt die richtige Beschreibung ist.

Ergo: Wer blutige Horrorkost mit einem übersinnlichen Touch mag, ist bei „Savaged“ gut aufgehoben.

Hinweis: Der Film erscheint in Deutschland zunächst in zwei verschiedenen Versionen: Ungekürzt mit einem SPIO-Siegel auf der Rückseite, sowie in einer leicht gekürzten Fassung mit einer FSK 18-Freigabe.

Die DVD/Blu-ray bietet den Film in deutsch synchronisierter und englischer Originalsprachfassung sowie deutsche Untertitel. Als Extras sind ein kurzes, aber informatives Making of, animierte Storyboard-Sequenzen, gelöschte Szenen sowie Trailer enthalten. „Savaged“ erscheint bei Elite Film AG (Ascot Elite) und ist ab 15. April erhältlich. (Packshot: © Ascot Elite)

Heimkino-Tipp: „Force of Execution“ (2013)

Vielfilmer Steven Seagal hat offenbar einen neuen besten Freund unter den B-Movie-Regisseuren: Keoni Waxman, mit dem er unter anderem schon das für Seagal’sche Verhältnisse sehr ansehnliche Vehikel „The Keeper“ (2009) und zuletzt „Maximum Conviction“ (2012) verzapfte, bittet den fleißigsten „Schauspieler“ der westlichen Hemisphäre nun ein weiteres Mal vor die Kamera, verpasst ihm ein Stefan Raab-Gedächtnisbärtchen und setzt ihm dabei erneut ein stylisches Kopftuch auf. Junge Junge, so viel Coolness gab es selten bei dem inzwischen 63 Jahre alten Actionstar, der in seiner Freizeit übrigens als echter(!) Polizist Gutes tut.

In „Force of Execution“ gibt Seagal den Gangster Mr. Alexander, der sich vor allem dank seines wendig agierenden, skrupellosen Assistenten Hurst (Bren Foster) seinen Ruf als Chef im Ring erarbeitet hat. Als Hurst einen Auftrag vergeigt, lässt Alexander ihn fallen – sehr zur Freude des gerade aus dem Knast entlassenen Ice Man (Ving Rhames), der nun seine Chance gekommen sieht, Alexander aus dem Geschäft zu drängen. Währenddessen gibt sich Hurst ganz dem Alkohol hin, findet jedoch dank Alexanders Freunden Jimmy (Danny Trejo) und Karen (Jenny Gabrielle) wieder zurück ins Leben. An der Seite von Alexander nimmt er schließlich den Kampf gegen Ice und dessen Bande auf.

Ein Unding aktueller Filme aus dem B-Movie-Bereich ist der oftmals leider klägliche Versuch, eine an sich simple Story mit überflüssigen Wendungen auszuschmücken. Damit gelingt es einerseits zwar, die Laufzeit auf angemessene 90 Minuten zu ziehen, andererseits aber auch den Zuschauer zu verwirren. Das ist insofern ärgerlich, da es schlussendlich nichts zum eigentlichen Plot beiträgt und allzu oft die limitierten darstellerischen Fähigkeiten der körperbetont auftretenden Akteure verdeutlicht. „Force of Execution“ (95 Minuten) ist ein Paradebeispiel dafür, langweilt glücklicherweise jedoch nicht so sehr wie andere Genrevertreter.

Großen Anteil daran hat Rhames’ launiges Auftreten als zupackender Bösewicht sowie Fosters beeindruckende Kampfkunst. Hatte er in „Maximum Conviction“ noch eine kleine Rolle, darf er hier in mehreren Szenen zeigen, was er kampftechnisch drauf hat – und das ist vor allem Tempo. Seagal macht indessen das, was er am besten kann (oder besser: das, was er überhaupt noch kann) und lässt seine Fäuste fliegen, knickt Ärmchen um oder macht es Bud Spencer nach, wenn er seine Gegner Dampfhammermäßig auf die Deckplatte schlägt.

Mögen die vorherigen Zeilen auch etwas sarkastisch wirken, böse gemeint sind sie nicht. Denn das Publikum bekommt mit „Force of Execution“ genau das, was das Cover und die Besetzung versprechen: eindimensionale Charaktere, passable Action und einen mimisch unbeweglichen Seagal, der trotzdem immer noch eine wahnsinnig imposante Präsenz besitzt, die der Rolle sogar zugute kommt.

Ein Film vom Fließband, konzipiert für Fans und ohne Verpackungsschwindel. Mehr kann man(n) von einem Seagal-Streifen nicht erwarten.

Die DVD/Blu-ray bietet den Film in deutsch synchronisierter und englischer Originalsprachfassung sowie deutsche Untertitel. Als Extras sind ein Making of und Trailer vorhanden. „Force of Execution“ erscheint bei PECOM AG / NewKSM / Elite Film AG (Ascot Elite) und ist ab 14. April erhältlich. (Packshot: © KSM)

... im Nachgang: „Grand Budapest Hotel“ (Kinostart: 6. März 2014)

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(Bild: © 2013 Twentieth Century Fox)