... im Nachgang: „Stereo“ (Kinostart: 15. Mai 2014)

Was für ein Doppelpack: Jürgen Vogel und Moritz Bleibtreu hat man bisher nur selten zusammen vor der Kamera gesehen. Ob es auch genügt, um „Stereo“ zu einem guten Film zu machen? Meine Antwort darauf findet sich HIER (Abschnitt semi-contra).

(Bild: © 2014 Wild Bunch Germany)

Heimkino-Tipp: „All is Lost“ (2013)

Einzigartig oder belanglose Schlaftablette? Tiefgründig oder nichtssagend? „All is Lost“ ist ein Paradebeispiel dafür, wie sehr die Bewertung eines Films immer auch vom Befinden des Publikums während des Schauens abhängt. Denn wenn über 100 Minuten lediglich ein alter Mann auf einem Boot zu sehen ist, kann das für die einen beeindruckend und metaphorisch sein, für andere hingegen schlicht langweilig und substanzlos. Um es der Rezension gleich voranzustellen: Wer sich auf Ersteres einlässt, erlebt mit „All is Lost“ einen der intensivsten Filmtrips der jüngeren Kinogeschichte.

Nach einem kurzen Prolog, vorgetragen aus dem Off von der namenlosen Hauptfigur (Robert Redford), wird er ebenso wie der Zuschauer sogleich vor die Fakten gestellt: eine Segelyacht, einsamer, scheinbar unendlicher Ozean, ein umhertreibender Frachtcontainer, der sich in den Schiffsrumpf rammt. Statt in Panik zu verfallen, begutachtet der Mann den Schaden in Ruhe, handelt überlegt und schafft es schließlich, das Boot wieder fahrtüchtig zu machen. Das entstandene Loch flickt er in den kommenden Tagen notdürftig zusammen und versucht gleichzeitig, Kontakt mit dem Festland aufzunehmen, um Hilfe herbeizurufen. Trotz aller Routine beunruhigt ihn jedoch ein Umstand zunehmend: der herannahende, gewaltige Sturm.

Das Konzept von Regisseur und Autor J.C. Chandor („Margin Call – Der große Crash“) ist gewagt, aber nicht neu. So schickte Gus Van Sant 2002 in „Gerry“ bereits Matt Damon und Casey Affleck allein in die Wüste und setzte Robert Zemeckis in „Cast Away“ Tom Hanks 2000 auf einer menschenleeren Insel aus. Im Gegensatz zu letzterem Beispiel verzichtet „All is Lost“ jedoch auf ein nicht unbedeutendes Detail: die Sprache. Vom gelegentlichen Fluchen und dem missglückten Hilferuf via Funk abgesehen, bleibt Redford in seiner Rolle stumm und zwingt sein Publikum somit dazu, sich komplett auf seine Gestik und Mimik zu konzentrieren. Bei einem weniger erfahrenen und vor allem weniger talentierten Schauspieler hätte dies „All is Lost“ sicherlich den Todesstoß verpasst. Im Falle von Redford hingegen ist es ein zwar minimalistischer, aber wuchtiger Seelenstriptease, der allerhöchsten Respekt verdient.

Die Tatsache, dass dem Protagonisten eine Vorgeschichte vorenthalten wird, ist dabei nur bedingt verwirrend. Denn es sind kleine Hinweise, versteckt an Körper und im Schiffsinneren, die manche Dinge erahnen lassen und dem Mann eine Geschichte geben: So trägt er beispielsweise einen Ring, legt beim Auspacken einer Schatulle ganz offensichtlich eine persönliche Nachricht ungelesen beiseite und ist angesichts der Ausstattung seines Bootes ein wohlhabender Mensch, der zudem nicht das erste Mal in Seenot gerät. So lässt sich viel spekulieren über den Grund seiner einsamen Reise, seine Hintergrundgeschichte und seinen Charakter. Abseits davon kann natürlich auch die „Handlung“ an sich als wunderbare Metapher für so vieles stehen, ganz eindeutig aber für das Leben an sich und dessen Katastrophen, Höhepunkte und Herausforderungen.

Ein toll umgesetzter, mutiger und schöner Film, der unter seiner Oberfläche viel Diskussionsstoff bietet – wenn es denn beim Zuschauer gewollt ist.

Die DVD/Blu-ray bietet den Film in deutsch synchronisierter und englischer Originalsprachfassung sowie optionale deutsche Untertitel für Hörgeschädigte. Als Bonusmaterial gibt es ein paar kurze Featurettes zu verschiedenen Aspekten der Produktion, Interviews sowie Trailer. „All is Lost“ erscheint bei Universum Film und ist seit 23. Mai erhältlich. (Packshot + Filmstills: © SquareOne/Universum)

Heimkino-Tipp: „Zwei vom alten Schlag“ (2013)

Es spricht nicht unbedingt für die Qualität einer Komödie, wenn der beste Gag des Films quasi nebenher im Abspann verballert wird. Wenn der dann auch noch in Abwesenheit der Hauptcharaktere präsentiert wird, sollte jeder Regisseur nochmal das Drehbuch zur Hand nehmen und auf Witzigkeit überprüfen. Hat Regisseur Peter Segal ganz offenbar versäumt, was angesichts der Besetzung seines „Grudge Match“ – so der Originaltitel von „Zwei vom alten Schlag“ – aber kaum verwundert. Denn wer Sylvester Stallone alias Rocky Balboa und Robert De Niro alias Jack La Motta für einen Boxerfilm vor die Kamera locken kann, braucht sich um ein gelungenes Ergebnis keine Sorgen zu machen. Eigentlich.

Denn was Segal hier auf 113 viel zu langen Minuten präsentiert, wird der Bedeutung der beiden Stars für die Kinogeschichte kaum gerecht. Oberflächliche Charakterzeichnung, lahme Witzchen und uninspiriert eingeworfene Zitate, die auf „Rocky“ bzw. „Wie ein wilder Stier“ verweisen sollen, bremsen die schwache Story immer wieder aus und sorgen nur gelegentlich für vereinzelte Schmunzler. Schlimmer noch: Ohne Stallone und De Niro gäbe es für diesen Film wohl keine Daseinsberechtigung.

Angelehnt an ihre legendären Boxklassiker von 1976 und 1980, sind sie hier nun als ältere Versionen ihrer einstigen Rollen zu sehen und werden als ewige Kontrahenten eingeführt, die sich im Ring zweimal gegenüber standen, dabei aber nie einen eindeutigen Sieger ausmachen konnten. Nun sollen sie für die Entwicklung eines Videospiels noch einmal die virtuellen Boxhandschuhe überstülpen, kriegen sich dabei einmal mehr in die Haare und werden dank eines mitfilmenden Kameraassistenten plötzlich zu „YouTube“-Stars. Für den Promoter Dante (Kevin Hart) der beste Beweis dafür, dass ein realer Kampf die Kassen ordentlich klingeln lassen würde. Also organisiert er einen Revanchefight im großen Stil und die alten Herren sind gezwungen, ihre müden Körper wieder in Form zu bringen.

Bis es soweit ist, durchlaufen Henry ‚Razor‘ Sharp (Stallone) und Billy ‚The Kid‘ McDonnen (De Niro) noch etliche persönliche Dramen, werden mit alten Liebschaften (Kim Basinger) und neuem Nachwuchs (Jon Bernthal) überrascht und müssen unangenehme Fitnesstests über sich ergehen lassen. Letzteres nutzt das langweilige Skript von Tim Kelleher und Rodney Rothman dann gleich für eine ausführliche Darstellung einer Prostatauntersuchung Sharps. Lustig geht anders. Was das Drehbuch ohnehin nicht schon in den Sand setzt, schafft schließlich der Schnitt: Wie in einem der Specials auf der Blu-ray zu erfahren ist, improvisierten Sly & Bobby einige Dialoge spontan am Drehort. Blöd nur, dass eine von Stallones besten Punchlines es nicht in den fertigen Film geschafft hat.

Zumindest kann man den beiden Hauptdarstellern nicht vorwerfen, kein Engagement zu zeigen. Vor allem De Niro ist der Spaß an dem Blödsinn anzusehen, allerdings hat er selbstironische Auftritte wie diesen in den vergangenen Jahren schon zur Genüge abgeliefert und letztendlich schon zu oft gespielt, um noch witzig zu wirken. Sein Gegenüber hingegen wiederholt ohne große Anstrengung schlicht seine Darstellung aus „Rocky Balboa“ (2006), schlürft selbstzweifelnd durch die Straßen und kümmert sich lieber um seinen grantelnden Ex-Trainer Trainer (Alan Arkin, unübersehbar angelehnt an Rockys Trainer „Mickey“).

Ergo: „Zwei vom alten Schlag“ verlässt sich voll und ganz auf seine routiniert auftretenden, zahlreichen Stars, hat inhaltlich aber rein gar nichts Neues anzubieten. Die Chance, zwei Ikonen der Filmgeschichte und ihren bekanntesten Rollen ein würdiges filmisches Denkmal zu setzen, wird zugunsten zotiger Kindergarten-Gags und einer hemdsärmeligen Dramaturgie verschenkt, wobei lediglich ein paar gelungene Selbstreferenzen sowie die Präsenz von Stallone und De Niro den Film vor einer kompletten Bruchlandung bewahren.

Vor allem für Fans beider Darsteller, zu denen auch ich mich seit vielen Jahren zähle, eine Enttäuschung.

Die DVD/Blu-ray bietet den Film in deutsch synchronisierter und englischer Originalsprachfassung sowie diverse Untertitelspuren. Während die DVD lediglich gelöschte Szenen als Extra bietet, gibt es auf der blauen Scheibe zusätzlich noch einen alternativen Anfang, zwei alternative Enden, einige kurze Promo-Schnipsel zu den Gaststars im Film sowie einen etwas längeren, halbwegs informativen Drehbericht. „Zwei vom alten Schlag“ erscheint bei Warner Bros. und ist seit 22. Mai erhältlich. (Packshot: © Warner Bros.)

Heimkino-Tipp: „Jackie“ (2012)

Das kann die Niederländerin Sofie (Carice van Houten) gerade gar nicht gebrauchen: Die disziplinierte Redakteurin steht kurz vor einer wichtigen Präsentation, als sie einen Anruf aus dem weit entfernten Amerika erhält: Ihre Mutter Jackie (Holly Hunter) hat sich einen komplizierten Beinbruch zugezogen und muss nun zeitnah in eine Reha-Klinik gebracht werden. Da sie offenbar allein lebt, wählten die Ärzte in ihrer Not die einzige Telefonnummer, die sie in Jackies Taschen fanden. Das Problem: Weder Sofie noch ihre Zwillingsschwester Daan (Jelka van Houten) haben Jackie jemals kennengelernt. Sie fungierte lediglich als Leihmutter für das schwule Elternpaar der Mädels, bei denen Sofie und Daan aufgewachsen sind. Vom Enthusiasmus ihrer Schwester überrumpelt, reist Sofie zähneknirschend mit in die USA. Ihre anschließende gemeinsame Reise mit der unbekannten, schweigsamen Jackie in einem klapprigen Wohnmobil entwickelt sich für die Mädels erwartungsgemäß zu einem gleichsam abenteuerlichen wie erhellenden Trip quer durchs Land.

Es hat stets eine sonderbare Dynamik, wenn Geschwister gemeinsam vor der Kamera agieren. So auch bei den beiden Hauptdarstellerinnen von „Jackie“, Carice und Jelka van Houten, deren Spiel wunderbar leichtfüßig, vertraut und ungekünstelt wirkt. Zwar blicken ihre Figuren auf ganz unterschiedliche Weise auf das Leben und ihr privates Glück, doch ihre Gegensätzlichkeit hilft ihnen auch immer wieder, der jeweils anderen in Konfliktsituationen die Augen zu öffnen. In solchen Szenen zeigt das Drehbuch von Marnie Blok und Karen van Holst Pellekaan seine ganze Stärke, selbst wenn die Handlung an sich zunächst nur wenige Überraschungen bereit hält: Akkuausfall, wilde Tiere und notgeile Cowboys sind nur einige Etappen, die den drei Frauen bevorstehen.

Dass die mit fortschreitender Laufzeit entstehende Annäherung an die sonderbare Jackie trotzdem interessant bleibt, ist neben der unaufgeregten Regie von Antoinette Beumer und den van Houten-Girls natürlich vor allem Holly Hunter alias Jackie zu verdanken, die Worte lieber durch Taten ersetzt und nicht nur mit ihrem gesamten Lebensstil einen völligen Gegensatz zu ihren Töchtern bildet. Ein wilde Kombi also, deren Odyssee am Ende eine angenehm unerwartete Wendung nimmt, die die Frage nach der Identität eines Menschen und der Prägung seines Charakters gekonnt auf den Zuschauer zurückwirft.

Ein tragikomisches, filmisch einwandfreies Vergnügen.

„Jackie – Wer braucht schon eine Mutter“ erscheint zunächst nur auf DVD. Diese bietet den Film in der Originalsprachfassung niederländisch/englisch sowie in einer teilweise synchronisierten Fassung deutsch/englisch. Untertitel sind in beiden Versionen lediglich für die (in Amerika spielenden) englischsprachigen Szenen vorhanden. Als Bonus befinden sich Trailer, ein Making of*, gelöschte Szenen* sowie Outtakes* auf der DVD (*nur mit niederländischem O-Ton). „Jackie – Wer braucht schon eine Mutter“ erscheint bei good movies/indigo/Schwarz-Weiss Filmverleih und ist seit 16. Mai erhältlich. (Packshot: Schwarz Weiss Filmverleih)

Heimkino-Tipp: „Mud“ (2012)

Beginnend mit dem hervorragenden „Killer Joe“ und dem passablen „Der Mandant“ (beide 2011), arbeitete Matthew McConaughey in den drei vergangenen Jahren kontinuierlich an seiner Rückkehr ins Charakterfach, das er Ende der 1990er nach solch wunderbaren Werken wie „Lone Star“, „Die Jury“ oder „Contact“ verlassen hatte. Es folgte eine anspruchslose und vornehmlich Oberkörper-freie Phase mit mittelmäßigen Romantik-Komödien, die dem diesjährigen Oscar-Gewinner scheinbar irgendwann selbst zu langweilig wurden. Im Zuge seiner ‚Rehabilitation‘ als Charaktermime entstand 2012 unter der Regie von Jeff Nichols („Take Shelter“) auch das Drama „Mud“ – eine Art modernisierte Huck Finn-Geschichte, die es in Deutschland leider nicht in die Lichtspielhäuser geschafft hat, was nicht nur angesichts der fabelhaften Kameraarbeit von Adam Stone bedauernswert ist.

Die beiden 14-jährigen Jungs Ellis (Tye Sheridan) und Neckbone (Jacob Lofland) leben in einer Kleinstadt am Mississippi und erkunden mit ihrem Motorboot gern die umliegende Gegend. Eines Tages entdecken sie auf einer Insel ein anderes Boot, das offenbar während des letzten Sturms auf einem Baum gelandet ist. Dort treffen sie auf einen Mann, der sich als Mud (McConaughey) vorstellt und ganz offensichtlich vor der Polizei versteckt. Er erzählt den Kids, er habe einen Mann getötet, um seine große Liebe Juniper (Reese Witherspoon) zu beschützen. Obwohl zunächst unsicher, was es mit der Geschichte und dem Fremden auf sich hat, helfen Ellis und Neckbone Mud in den kommenden Tagen, das Boot fahrtüchtig zu machen und mit seiner Juniper, die in der Stadt auf ein Lebenszeichen vom ihm wartet, wieder zusammenzubringen.

Spannender Abenteuerfilm, glaubhaftes Adoleszenz-Drama, tragische Liebesgeschichte: Jeff Nichols’ „Mud“ ist ein außergewöhnliches Stück Kinomagie! Sein Drehbuch funktioniert auf so vielen Ebenen, dass es schwer zu sagen ist, was es so herausragend macht. So fängt er unter anderem die Versuchung der Gefahr – der sich Ellis und Neckbone bewusst aussetzen – ebenso glaubhaft ein wie die Unsicherheit eines Teenagers in der Pubertät, in der sich vor allem Ellis befindet. Er trägt sein Herz auf der Zunge, kann seine Emotionen selten zügeln und handelt immer wieder impulsiv, ohne sich die möglichen Konsequenzen vor Augen zu führen. Das führt zwangsläufig zu blauen Flecken und gefährlichen Situationen, die im Kontext der polizeilichen Jagd nach Mud schnell eine bedrohliche Note bekommen.

Gleichzeitig steht Ellis, selbst gerade in eine Mitschülerin verliebt, zwischen der überhöhten und idealisierten Liebe, die Mud für seine Juniper empfindet, und dem Eheaus seiner Eltern. Er erfährt somit gleich beide Seiten der Liebe hautnah mit.

Wie Nichols das alles ohne unnötige Story-Verschwurbelungen in die Krimihandlung um den von Polizei und brutal agierenden Kopfgeldjägern gesuchten Mud einbindet, ist schlicht großartig. Hinzu gesellt sich während des Verlaufs unterschwellig noch eine mystische Komponente, die die ganze Erzählung etwas der Realität entrückt: So begründet Mud viele seiner Handlungen mit dem Glauben an unsichtbare Kräfte und bezeichnet seinen Jäger an einer Stelle gar als „den Teufel persönlich“, während er von einem alten Weggefährten (Sam Shepard) selbst als Mann ohne Eltern bezeichnet wird und auf wundersame Weise einen tödlichen Schlangenbiss überlebt hat. Also wer ist Mud? Ist er real? Oder nur eine Fantasiegestalt zweier abenteuerlustiger Kids?

Natürlich ist dies alles Interpretationssache. Doch allein die Möglichkeit einer solchen Vermutung zeigt, wie vielschichtig und intelligent Nichols sein Werk konzipiert und umgesetzt hat. Das macht „Mud“ nicht nur unterhaltsam und fesselnd, sondern auch nachdenklich und außergewöhnlich.

Die DVD/Blu-ray bietet den Film in deutsch synchronisierter und englischer Originalsprachfassung sowie deutsche Untertitel. Als Extras sind ein Making of, ein Interview sowie Trailer vorhanden. Die Blu-ray bietet zudem noch zusätzliche Aufnahmen von den Dreharbeiten. „Mud“ erscheint bei Elite Film AG (Ascot Elite) und ist seit 13. Mai erhältlich. (Packshot + Filmstills: © Ascot Elite)

Heimkino-Tipp: „Tokarev“ (2014)

Prinzipiell ist es eine erfreuliche Entwicklung: Dank niedrigerer Kosten und kompakterer Größe kommt die Digitalkamera „Red One“ in Hollywood immer häufiger zum Einsatz. Neben Großproduktionen wie „Prometheus“ oder „Der Hobbit“ profitiert davon vor allem der B-Movie-Sektor, dessen Filme hauptsächlich für den Videomarkt bestimmt sind. Diese neue (finanzielle) Freiheit motiviert die Studios offenbar ebenso dazu, junge Nachwuchsregisseure viel häufiger als noch vor ein paar Jahren für Regieposten zu engagieren, auch wenn ihr Portfolio bis dato eher bescheiden ausfällt.

Der 1978 geborene, spanische Filmemacher Paco Cabezas scheint nicht in diese Kategorie zu fallen – zumindest in den Augen der 13(!) Produzenten, den sein erstes US-Werk „Tokarev“ vorweisen kann. In seiner Heimat bereits mehrfach ausgezeichnet, lässt sein Einstand auf dem amerikanischen Markt jedoch sowohl inszenatorische Finesse als auch Timing und Schauspielführung vermissen. Kommt dann noch ein so durchschnittliches Skript wie das von Jim Agnew und Sean Keller hinzu, scheint es kaum vorstellbar, dass zu Beginn der Produktion angeblich Antoine Fuqua („Training Day“) als möglicher Regisseur für „Tokarev“ gehandelt wurde.

In den ersten zwei Dritteln seiner knapp 100 Minuten Laufzeit verläuft der Streifen stur nach Schema F: Ex-Gangster Paul Maguire (Nicolas Cage) ist gerade auf Geschäftstermin, als seine Teenagertochter Caitlin (Aubrey Peeples), die den Abend mit zwei Freunden Zuhause verbringt, überfallen, entführt und kurz darauf sogar getötet wird. Den gemächlichen Ermittlungen von Detective St. John (Danny Glover) nicht trauend, trommelt Maguire seine einstigen Kumpel zusammen und macht sich selbst daran, die Verantwortlichen zu bestrafen. Wenn er nur wüsste, wer das sein soll?

Sympathischer Familienmensch erleidet einen Verlust und besinnt sich auf „ganz spezielle Fähigkeiten“, um sich Genugtuung zu verschaffen. Nicht erst seit Liam Neesons „Taken“ ( = „96 Hours“) gehört diese Storyline zum Standardrepertoire diverser Actionfilme. Geschenkt. Ohne sich groß anstrengen zu müssen, gelingt auch Cage die (Rück-)Wandlung zum rachsüchtigen, von Trauer zerfressenen Vater mühelos und glaubhaft. Beinahe wirkt es jedoch so, als wolle Regisseur Cabezas seinen Hauptdarsteller dabei absichtlich ausbremsen. Anders sind die etlichen Mängel in der Umsetzung wohl kaum zu rechtfertigen: Seltsam gewählte Bildausschnitte, ein holpriger Schnitt und das oben bereits erwähnte fehlende Gefühl für Timing sind nur ein paar Beispiele für reichlich vorhandene Uwe-Boll-Momente. Völlig amateurhaft handelnde Charaktere negieren zudem die Behauptung des Drehbuchs, das Maguires Begleiter vor langer Zeit einmal selbst professionelle Gangster waren. Oder anders: Wer sich in der Öffentlichkeit derart auffällig verhält, ist gewöhnlich nach einem Tag im Knast – oder tot.

Für den finalen Schlussakkord hat sich das Autorenteam dann aber doch noch etwas Besonderes ausgedacht, das die zuvor gezeigten Ereignisse in einem neuen Licht erscheinen lässt. Zwar ist auch das inzwischen bei jedem zweiten Drehbuch Standard, die hier versteckte „Message“ lässt aber zumindest erahnen, welche gar nicht mal schlechte Idee „Tokarev“ in einer frühen Produktionsphase womöglich einmal zugrunde lag. Cage selbst nimmt in einem der beigefügten Interviews indirekt dazu Stellung, scheint sich allerdings am qualitativ durchschnittlichen Endprodukt wenig zu stören.

Was das alles mit der Verwendung der „Red One“-Kamera zu tun hat? Mit klassischem, für jede Szene aufwendig einzurichtenden Film-Equipment hätten sich die Macher möglicherweise ein wenig mehr Zeit für die Entwicklung und insbesondere die Umsetzung von „Tokarev“ genommen (bzw. nehmen müssen). Nicht nur Cages Karriere wäre dies zugute gekommen.

Die DVD/Blu-ray bietet den Film in deutsch synchronisierter und englischer Originalsprachfassung sowie deutsche Untertitel. Als Extras sind ein Audiokommentar, Cast & Crew-Interviews, ein (minmal) alternatives Ende sowie Trailer vorhanden. Die Blu-ray bietet zudem noch weitere gelöschte Szenen und unkommentierte Impressionen vom Dreh. „Tokarev“ erscheint bei Elite Film AG (Ascot Elite) und ist seit 13. Mai erhältlich. (Packshot: © Ascot Elite)

... im Nachgang: „The Return of the First Avenger“ (Kinostart: 27. März 2014)

Der Superheld, der in Deutschland nicht „Captain America“ genannt werden soll, bestreitet seinen zweiten Soloauftritt unter dem Marvel-Banner – und überzeugt abermals. Meine ausführliche Kritik zum Film findet sich HIER.

(Bild: © 2014 Walt Disney Studios Motion Pictures Germany)