... im Nachgang: „In den Gängen“ (Kinostart: 24. Mai 2018)

Clemens Meyer tippt, Thomas Stuber filmt, Peter Kurth spielt: keine schlechte Kombination findet die Redaktion des Kinokalender Dresden. Und auch wenn ich nur den semi-Contra-Teil zu DIESER Rezension beigetragen habe, möchte ich diesen Film wärmstens empfehlen.

(Plakat: © 2018 Zorro Film GmbH)

Heimkino-Tipp: „Die Macht des Bösen“ (2017)

The Man with the Iron Heart

Schon viele Regisseure haben sich an der Thematik des Nazi-Regimes abgearbeitet. Neben Filmen, die dies lediglich als Hintergrund nutzen, um spannende Spionage-und/oder Actionabenteuer zu erzählen (z.B. der Klassiker „Agenten sterben einsam“, 1968), gibt es unzählige ‚ernste‘ Auseinandersetzungen mit dem Dritten Reich bzw. den Ereignissen jener dunklen Zeit. Da erstaunt es schon, dass es auch ca. 80 Jahre später noch immer historisch bedeutsame Personen gibt, die noch nicht im Mittelpunkt eines Films standen. Um falsche Interpretationen auszuschließen: Mit „bedeutsam“ ist in diesem Fall lediglich deren Tun gemeint, das einen traurigen aber wichtigen Wendepunkt der Geschichte darstellt.

Bei dem Nationalsozialisten Reinhard Heydrich war dies vor allem ein Ereignis im Januar 1942: Die von ihm einberufene Wannseekonferenz konkretisierte die „Endlösung der europäischen Judenfrage“ und organisierte den bereits begonnenen Holocaust an den Juden. Was folgte, war die Ermordung von über sechs Millionen Menschen.

Der Film „Die Macht des Bösen“ des französischen Regisseurs Cédric Jimenez („Der Unbestechliche“, 2014) basiert auf dem historischen Roman „HHhH“ seines Landsmanns Laurent Binet aus dem Jahre 2010. Der seltsame Titel des Buchs zitiert eine Formulierung, die angeblich von den Nazis selbst gebraucht wurde: „Himmlers Hirn heißt Heydrich“, was darauf anspielt, dass Heydrich die treibende Kraft hinter Heinrich Himmler, nach Hitler einer der einflussreichsten Nazi-Funktionäre während der braunen Terrorherrschaft, war. Ein Strippenzieher sozusagen, der für das Funktionieren der Diktatur eminent war.

Nun ist der Film jedoch nicht nur ein Porträt des Verbrechers. Der Film ist ebenso die Geschichte seiner Attentäter, den tschechischen Widerstandskämpfern Jozef Gabčik und Jan Kubiš. Während die erste Hälfte des 120-Minüters Heydrichs Aufstieg und Machtausübung beschreibt, fokussiert die Handlung anschließend die Vorbereitung, Durchführung und die Folgen des zunächst scheinbar misslungenen Attentats. Heydrich erlag acht Tage später seinen Verletzungen.

Wenn Jimenez’ Film eines nicht ist, dann zurückhaltend. Ohne Beschönigung und mit nur schwer zu ertragender Deutlichkeit zeigt er das emotionslose Denken, Foltern und Töten von Heydrich und seinen Mitläufern/Untergebenen/Nazi-Schergen. Der Streifen wirkt dabei fast schon wie geschmackloser Torture-Porn, der sich daran labt, eine Scheußlichkeit auf die nächste zu stapeln. Ein wenig Recherche im Internet hat jedoch ergeben, dass einzelne Verhörszenen, die real stattgefunden haben, für den Film sogar noch abgeschwächt wurden, da die von den Nazis verübte Grausamkeit schlicht nicht abbildbar ist. Inhaltlich interessant ist während des ersten Teils die Rolle von Heydrichs Frau Lina: Sie – und auch das ist historisch belegt – brachte ihrem Gatten den Nationalsozialismus erst nahe und war maßgeblich an seiner „Karriere“ beteiligt.

Die dann an späterer Stelle zu sehenden Vorbereitungen von Heyrichs Gegnern sind hingegen geprägt vom spannenden Zusammenspiel von ständiger Bedrohung, dem Wunsch nach Beendigung der deutschen Besatzung und vom Überlebenswillen der Verschwörer, denen sehr wohl die Tragweite ihrer Aktion bewusst ist. Ein Aspekt, den der Film erfreulicherweise angemessen anspricht. Dass die Rache der Nazis an vermeintlichen Mittätern die Befürchtungen noch übertroffen hat, ist ein trauriger historischer Fakt.

Und genau hier findet sich dann doch noch ein Kritikpunkt an diesem ansonsten mit großem Können, großen Budget und großer Schauspielkunst (Jason Clarke, Rosamund Pike, Jack O’Connell, Jack Reynor, Mia Wasikowska) gut umgesetzten Drama: „Die Macht des Bösen“ gibt sich mit einer nüchternen Nacherzählung der Ereignisse zufrieden, lässt das Handeln auf beiden Seiten unkommentiert und bleibt neutral. Das mag im ‚Normalfall‘ lobenswert sein, angesichts der hier noch einmal dokumentierten unmenschlichen Dinge, die weit weit weg vom Normalen sind, wäre eine klarere Haltung gegen den Nationalsozialismus und seinen Unterstützern aber gerngesehen gewesen. Denn die Macht des Bösen, der dunklen Seite, ist verführerisch und – wie der Film über weite Strecken verdeutlicht – leider oftmals von Erfolg gekrönt.

Die DVD/Blu-ray bietet den Film in deutsch synchronisierter und englischer Originalsprachfassung. Deutsche Untertitel sind optional zuschaltbar. Als Extras gibt es ein Making of, eine Bildergalerie, Interviews sowie Trailer. „Die Macht des Bösen – The Man With The Iron Heart“ erscheint bei New KSM Cinema und ist seit 17. Mai 2018 erhältlich. (Packshot + Filmstills: © KSM GmbH)

Heimkino-Tipp: „Der Kurier“ (2018)

Abgestürzt

Das Konzept ist einfach aber effektiv: In Filmen wie „Nicht auflegen!“ (2002), „No turning back“ (2013) und „All is lost“ (2013, Rezi HIER) fokussiert die Handlung jeweils nur eine Figur, die während der gesamten Laufzeit an nur einem Ort ‚gefangen‘ ist und mit Situationen konfrontiert wird, die ihr Leben nachhaltig beeinflussen. „Der Kurier“ nutzt dieses räumlich begrenzte Szenario ebenso, kann aber zu keinem Moment mit den Vorbildern mithalten.

Das ist in diesem Fall aber keineswegs dem Hauptdarsteller anzukreiden: Daniel Radcliffe versucht nach besten Kräften, der simplen Story und weitgehend höhepunktlosen Inszenierung ein paar Momente abzugewinnen, doch wo nichts ist, kann auch nichts erblühen. Er spielt den titelgebenden „Kurier“ Sean, der in einem undankbaren Deal verwickelt ist, bei dem er der Drogenbekämpfungsbehörde (DEA) beim Hochnehmen eines Drogenkartells helfen soll. Dazu muss er eine Kokainlieferung via Flugzeug über die mexikanisch-amerikanische Grenze ‚schmuggeln‘ und so der DEA den Standort der Bösewichte verraten. Den Landeplatz für seine Maschine erfährt Sean erst während des Fluges. Um ihn unter Druck zu setzen, entführen die Bösewichte seine Frau Jen (Grace Gummer, Tochter von Meryl Streep) – und natürlich verläuft nichts nach Plan.

Mag die Idee eines unfreiwilligen Drogenkuriers, der sich aus persönlichen Gründen zu solch einer gefährlichen Aufgabe überreden lässt – in diesem Fall ist es die kostenintensive Krebsbehandlung seiner Liebsten – nachvollziehbar sein, Spannung kann Regisseur Jesper Ganslandt daraus leider nicht generieren. Auch wenn das Budget ganz offensichtlich begrenzt war, hätte dem Film ein wenig mehr Kreativität bei der Umsetzung gutgetan. Ganslandt verfrachtet sein Publikum von Minute eins an in den Flieger an die Seite seines Protagonisten, lässt ihn mit unterschiedlichen Personen telefonieren und zwischendrin immer wieder verzweifelt auf seine Armaturen schauen. Als nichts wissender Zuschauer verwirrt und langweilt das alles schnell, zumal den ganzen Film über sogar während einer Unterhaltung unangenehm lange Gesprächspausen zwischen den Kommunizierenden herrschen. Absicht? Stilmittel? Oder der amateurhafte Versuch, Suspense zu erschaffen?

Erst nach und nach, zunächst mit Rückblenden, später mit einer parallel stattfindenden Handlung, bricht der Film aus dem Cockpit aus, um auf einen unvermeidlichen Showdown hinzuarbeiten, der dann aber leider ebenso unspektakulär ist wie der Rest zuvor.

Im Nachhinein betrachtet hätte Ganslandt vielleicht einfach auf eine chronologische Szenenabfolge vertrauen sollen. Mit dem (Vor-)Wissen, was für Sean auf dem Spiel steht, wenn er das Flugzeug besteigt, wäre das Interesse an seiner Person und seiner Mission zumindest von meiner Seite aus sehr viel größer gewesen. Ein etwas zackigerer Schnitt und etwa 20 Minuten weniger Laufzeit, und „Der Kurier“ wäre als ordentlicher 70Minüter in Daniel Radcliffes bisher ordentliche Filmografie eingegangen. So aber ist es ein cineastischer Totalausfall.

Die DVD/Blu-ray bietet den Film in deutsch synchronisierter und englischer Originalsprachfassung sowie deutsche Untertitel. Als Extras gibt es Interviews und Trailer. „Der Kurier – In den Fängen des Kartells“ erscheint bei Elite Film AG (Ascot Elite Entertainment) und ist seit 11. Mai 2018 erhältlich. (Packshot + Filmstills: © Ascot Elite)