Heimkino-Tipp: „Honeymoon“ (2014)

Das Versprechen „In guten wie in schlechten Zeiten“ ertönt häufig bei Hochzeiten. Auch Paul (Harry Treadaway) hat dieses Ehegelübde gegeben, als er seine Bea (Rose Leslie) zur Frau nahm. Nur hat er wahrscheinlich nicht damit gerechnet, dass jene ‚schlechten Zeiten‘ so bald beginnen würden. Die Flitterwochen des Paares in einem abgelegenen Haus mitten in der Wildnis dauern noch keine zwei Tage, da macht Paul eine beunruhigende Entdeckung: Bea steht mitten in der Nacht ohne Kleidungsstück am Leib im dichten Wald und weiß kurz darauf nicht mehr, wie sie dahin gekommen ist. Beide trösten sich mit der Begründung, dass sie wohl schlafgewandelt sei. Als sich Beas Benehmen in den folgenden Tagen jedoch zunehmend verändert und Paul zudem seltsame Wunden an ihren Füßen entdeckt, ist es mit der romantischen Stimmung vorbei.

Junge Menschen im Hormonrausch in einer Hütte im Nirgendwo: Keine Zutaten scheinen in Horrorfilmen häufiger Verwendung zu finden wie diese. Doch aufgepasst! „Honeymoon“ weiß die Genreüblichen Klischees bravourös zu nutzen, um daraus einen wahrlich beängstigenden 90-Minüter zu basteln. Was Regiedebütantin und Co-Autorin Leigh Janiak hier präsentiert, ist Gruselkino der klassischen Art, bei dem sich die Bedrohung langsam aber stetig mit jeder Szene steigert. Unwohlsein macht sich sowohl beim unwissenden Ehemann als auch beim Zuschauer breit, wenn sich die soeben noch so natürlich und unverkrampft agierende Braut plötzlich verschlossen und seltsam gibt, ungewohnte Verhaltensweisen an den Tag legt und nachts die Fenster von Lichtkegeln durchflutet werden.

Janiaks großer Trumpf in der augenscheinlich nicht übermäßig teuren Produktion sind die Darsteller, deren intensives und glaubhaftes Spiel sämtliche Knall- und Schockeffekte (zunächst) überflüssig machen, stattdessen den bösen Traum eines jeden Bräutigams zum Leben erwecken: Gibt es Dinge und Erlebnisse im Leben meiner Frau, von denen ich nichts weiß? Verschweigt sie mir eine Seite ihrer Persönlichkeit? Und was verbindet sie mit dem Typen aus dem Restaurant, der sie so herzlich umarmte? So ist „Honeymoon“ in den ersten zwei Dritteln seiner Laufzeit vor allem ein psychologischer Thriller, bevor der Terror beginnt. Wie Regisseurin Janiak die Auflösung immer weiter hinauszögert, ist schlicht herausragend inszeniert und dürfte für einige zerkratzte Sofalehnen sorgen.

Klein, filmisch versiert und richtig gut gespielt: „Honeymoon“ eignet sich perfekt für ein grimmiges Double-Feature mit Finchers „Gone Girl“ (Rezension siehe HIER).

P.S.: Nicht vom Cover irritieren lassen – es handelt sich dabei um ein reines Fantasieprodukt.

Die DVD/Blu-ray bietet den Film in deutsch synchronisierter und englischer Originalsprachfassung. Untertitel sind leider keine vorhanden, als Bonus gibt es lediglich Trailer. „Honeymoon“ erscheint bei Mad Dimension/AL!VE AG und ist seit 30. Januar erhältlich. (Packshot: © Mad Dimension/AL!VE AG)

... im Nachgang: „Wild Tales“ (Kinostart: 8. Januar 2015)

„Jeder dreht mal durch!“ lautet der Untertitel des Argentinischen Oscar-Kandidaten. Ein fesches Pro/Contra dazu gibt es HIER.

(Plakat: © 2014 Prokino Filmverleih GmbH)

Heimkino-Tipp: „Whale Rider“ (2002)

Spätestens seit Peter Jackson der eindrucksvollen Landschaft seiner Heimat Neuseeland mit „Der Herr der Ringe“ ein filmisches Denkmal gesetzt hat, ist die Schönheit des Inselstaates weltweit bekannt. Auch seine „Landsmännin“ Niki Caro wusste diese einzigartige Natur für ihre Arbeit zu nutzen, als sie 2002 „Whale Rider“ inszenierte, der zwei Jahre später bei der Oscar-Verleihung ironischerweise auf Jacksons „Die Rückkehr des Königs“ traf. Die nominierte Hauptdarstellerin Keisha Castle-Hughes, damals gerade 13 Jahre alt, musste sich Charlize Theron (für „Monster“) geschlagen geben. Verdient hätte die Nachwuchsaktrice den Goldmann aber ebenso. Ihre Darstellung der willensstarken Paikea zählt zu den erinnerungswürdigsten Auftritten einer Kinderdarstellerin der vergangenen Dekade.

„Es herrschte keine Freude als ich geboren wurde“ berichtet sie gleich zu Beginn ihrer Geschichte, und gibt so die melancholische Stimmung vor, die den Film bis zum Ende durchzieht. Paikeas Mutter und Zwillingsbruder sterben, als sie zur Welt kommt. Noch im Krankenhaus überwirft sich ihr Papa Porourangi (Cliff Curtis) mit seinem Vater Koro (Rawiri Paratene), der so sehr auf einen männlichen Nachfolger gehofft hatte und nun die Zukunft seines Stammes, der Maori, in Gefahr sieht. Während Porourangi in den folgenden Jahren als Künstler die Welt bereist und nur selten daheim ist, wächst Paikea bei ihren Großeltern auf und lernt so viel über die Geschichte, Tänze und Kampfkünste ihrer Vorfahren. Obwohl sie dabei viel Talent zeigt, weist sie Koro immer wieder streng in ihre Schranken, da sie als Mädchen in seinen Augen der Stammesführung nicht würdig sei. Mit Hilfe ihres Onkels (Grant Roa) und ihrer Großmutter (Vicky Haughton) lässt sich Paikea jedoch nicht davon abbringen und trainiert heimlich weiter.

Niki Caro gelingt in ihrem wunderbar fotografierten „Whale Rider“ (Kamera: Leon Narbey) das Kunststück, die Bedeutung von Traditionen in einer modernen Welt kitschfrei und zugänglich zu erzählen. Mit dem neugierigen Blick eines Außenstehenden, der wie wohl die meisten Zuschauer wenig über die historische Herkunft der Neuseeländer weiß, begleitet sie die beinahe verzweifelten Versuche des Stammesältesten, einen geeigneten Nachfolger für seine Aufgaben zu finden, von denen viele junge Bewohner seines Ortes zunächst nichts wissen wollen. Gleichsam erzählt der Film vom Heranwachsen eines Mädchens, das nicht nur mit einer zerrissenen Familie, sondern ebenso mit der Engstirnigkeit ihres sie liebenden Großvaters zu kämpfen hat und daran fast zerbricht.

Es mag vielleicht nach „schwerer Programmkinokost“ klingen, die mit dem Hier und Heute wenig zu tun hat. Das Gegenteil ist jedoch der Fall, denn „Whale Rider“ ist eine bewegende Geschichte über Emanzipation, Gleichberechtigung, Vergebung und die Überwindung von Vorurteilen, verpackt in ein modernes Gewand, das optisch eine Wucht und erzählerisch ein cineastischer Genuss ist.

Die DVD/Blu-ray bietet den Film in original englischer sowie in deutsch synchronisierter Sprachfassung. Deutsche Untertitel sind optional zuschaltbar. Als Bonus sind ein Audiokommentar der Regisseurin, geschnittene Szenen, informative „Hinter-den-Kulissen“-Dokus und Trailer enthalten. Die Neuauflage von „Whale Rider“ erscheint bei Pandora Film GmbH & Co. Verleih KG/Alive und ist ab 30. Januar erhältlich. (Packshot + Filmstills: © Pandora Film GmbH & Co. Verleih KG)

Heimkino-Tipp: „The Captive“ (2014)

Kindesentführung und – misshandlung zählen zweifellos zu den scheußlichsten Verbrechen, zu denen der Mensch fähig ist. Extrembeispiele wie die Causa Kampusch (im Alter von zehn entführt, wurde sie mehr als acht Jahre von einem fremden Mann gefangen gehalten) sind inzwischen leider keine Einzelfälle mehr, gleichzeitig scheint in einer beinahe unbegrenzt vernetzten Welt die Hemmschwelle für Verbrechen solcher Art immer weiter zu sinken.

Dieser heikle Themenkomplex ist in den vergangenen Jahren vermehrt auch von Filmemachern aufgegriffen worden. Als künstlerisch herausragend ist dabei Denis Villeneuves „Prisoners“ (2013) zu nennen, der eindrucksvoll aufzeigt, zu welch Handlungen verzweifelte Eltern in der Lage sind, um ihr entführtes Kind wiederzufinden. Ähnlich nähert sich Atom Egoyan („Das süße Jenseits“, „Chloe“) in „The Captive“ einer Kidnapping-Geschichte an, in der Ryan Reynolds und Mireille Enos das Verschwinden ihrer neunjährigen Tochter Cassandra verarbeiten müssen.

Auf dem Heimweg von Eislauf-Training hält Familienvater Matthew (Reynolds) kurz an einem Diner, um etwas zu Essen zu besorgen. Schließlich ist seine Frau Tina (Enos) heute Abend nicht zu Haus und so darf sich Töchterchen Cassandra (Peyton Kennedy) auf eine Extraportion Süßkram freuen. Als Matthew zum Wagen zurückkehrt, fehlt von Cass jede Spur. Schlimmer noch: Die ermittelnden Polizisten (Rosario Dawson, Scott Speedman) machen keinen Hehl daraus, dass auch Matthew zu den Verdächtigen zählt. Immerhin ist seine Firma fast pleite und ein Lösegeld, von wem auch immer gezahlt, eine günstige Möglichkeit, schnell wieder an Bares zu kommen. Doch es sollen acht quälend lange Jahre vergehen, bevor es endlich eine heiße Spur gibt.

Das Drehbuch von Egoyan und David Fraser verrät dem Publikum schon früh, was mit dem entführten Kind geschehen ist. So rückt weniger die Frage nach dem Verbleib des Mädchens in den Mittelpunkt als vielmehr die Verzweiflung und die Beziehung seiner Eltern, sowie die Ermittlungsarbeit. Leider erreicht „The Captive“ dabei nie die Dichte und emotionale Fallhöhe des oben erwähnten „Prisoners“. Das liegt weniger an den hervorragenden Darstellern als vielmehr an der seltsamen Entscheidung, die Handlung non-linear zu erzählen. Ständig zwischen Ereignissen kurz nach der Entführung und Zwistigkeiten, die Jahre später geschehen, hin und her wechselnd, fällt es schwer, sich in die Charaktere hineinzuversetzen.

Parallel dazu gibt es einen weiteren Handlungsstrang auf das Kind und seinen Kidnapper (Kevin Durand) bezogen: Dieser lässt Cassandra mittels versteckter Kamera miterleben, wie ihre Eltern sukzessive zerbrechen ob der Ungewissheit, was ihrem Nachwuchs zugestoßen ist. Hier verschenkt „The Captive“ viel Potenzial für eine packende Psychothriller-Story, die zwar angedeutet, aber nie schlüssig zu Ende gebracht wird. Ähnlich verhält es sich mit etlichen Nebencharakteren, die mit zunehmender Laufzeit schlicht „vergessen“ werden.

Weniger Handlungsspeck, eine stringente Erzählweise und mehr Mut zu den psychologisch starken Momenten hätten „The Captive“ zu einem Genreschmankerl machen können. In der vorliegenden Form ist es jedoch lediglich ein klasse gespielter, etwas seltsam zusammengeschnittener Thriller. Mr. Egoyan, das können Sie besser!

Die DVD/Blu-ray bietet den Film in deutsch synchronisierter und englischer Originalsprachfassung sowie deutsche Untertitel. Als Extras befinden sich Interviews und Trailer auf den Discs. „The Captive“ erscheint bei Elite Film AG (Ascot Elite) und ist seit 27. Januar erhältlich. (Packshot + Filmstills: © Ascot Elite)

Heimkino-Tipp: „Guardians of the Galaxy“ (2014)

Iron Man 2.0

Eigentlich bin ich ja ein ‚The Beatles‘-Fan. Die beeindruckende Langlebigkeit der ‚Rolling Stones‘ hin oder her, die Fab Four waren stets meine erste Wahl bei der Beantwortung der Gretchen-Frage „Beatles oder Stones?“ Umso erstaunter nun die Aussage von James Gunn, dem Regisseur des international mega-erfolgreichen „Guardians of the Galaxy“: „The Avengers are like the Beatles, but the Guardians are like the Rolling Stones!“. Bäh!

Ich widerspreche heftigst! Denn von all den Qualitäten, die sein Werk sowohl filmisch als auch inhaltlich bietet, ist der überraschungsarme „Avengers“ Lichtjahre entfernt. Während dieser nämlich in vielen Szenen dem üblichen Superhelden-Blockbuster-Quatsch folgt (als Beispiel sei hier die erste Szene von Scarlett Johansson alias Black Widow genannt), wagt „Guardians“ das ironische Spiel mit den Genrekonventionen, lässt seine Protagonisten über ihre eigene Coolness stolpern und überrascht mit kindlichem Humor, der weder aufgesetzt noch erzwungen wirkt. Kurz: ein großer Spaß, selbst für Cineasten wie mich, die gewöhnlich nicht für Comicverfilmungen ins Kino rennen.

Im Mittelpunkt steht der Walkman- und Popmusik-Fan Peter Quill (Chris Pratt), der die Galaxie auf der Suche nach wertvollen Fundstücken durchstreift, die er gewinnbringend vertickt. Seine neueste Entdeckung scheint jedoch besondere Bedeutung zu haben: „The Orb“, eine metallene Kugel, verwickelt ihn in ein Abenteuer, das ihn nicht nur zum unfreiwilligen Retter des Universums verdammt, sondern ebenso zu neuen Partnern verhilft, zu denen neben einem sprechenden Waschbären und dessen baumartigen Freund auch die Außerirdische Gamora (Zoë Saldaña) und das Muskelpaket Drax (Dave Bautista) zählen.

Auch ohne viel Kenntnis des Marvel-Universums, aus dem „Guardians of the Galaxy“ stammt, ist es problemlos möglich, der geradlinigen Handlung zu folgen. Ein weiterer Vorteil gegenüber den „Avengers“, zumal Regisseur Gunn und seine Co-Autorin Nicole Perlman so sehr viel mehr Zeit bleibt, ihre Figuren nicht nur sympathisch sondern ebenso ‚real‘ erscheinen zu lassen. Echte Charaktere, die alle ihr Päckchen zu tragen haben und mehr sind als die Waffen und Fähigkeiten, die sie nutzen (nimm dies, „Avengers“!). Am eindrucksvollsten gelingt dies wohl bei dem von Vin Diesel (in der Originalfassung) synchronisierten Groot, dem sprachlich etwas beschränkten Baumwesen. Klar kann auch „Guardians“ nicht ganz auf einen eindimensionalen Bösewicht und ein Effekte-Gewitter mit Reminiszenzen an „Star Wars“ und „Independence Day“ verzichten. Doch wer glaubt, dass die fünf Außenseiter ihre Gegner nach Schema F zusammenfalten, wird sich erstaunt und grinsend die Augen reiben.

Ein unterhaltsamer und witziger Streifen, der formal alle Kriterien eines gelungenen Blockbusters erfüllt, inhaltlich jedoch frech und mutig genug ist, dem inzwischen ermüdenden Genre der Comic-Verfilmungen ein paar neue Seiten hinzuzufügen.

Die DVD/Blu-ray bietet den Film in deutsch, italienisch und türkisch synchronisierter sowie englischer Originalsprachfassung. Untertitel sind in ebendiesen Sprachen vorhanden.

Im Gegensatz zum Film enttäuscht das Bonusmaterial auf der Blu-ray mengen- und inhaltsmäßig: neben einem Audiokommentar des Regisseurs bietet die Scheibe lediglich zwei Kurzdokumentationen, ein paar wenige gestrichene Szenen, einen Clip mit „Pannen vom Dreh“ (vielmehr ein „was Darsteller machen wenn die Szene vorüber ist“) sowie eine überflüssige Minivorschau auf den nächsten „Avengers“-Film.

„Guardians of the Galaxy“ erscheint bei Walt Disney Studios Home Entertainment und ist ab 8. Januar erhältlich. (Packshot: © Marvel/Walt Disney)