Heimkino-Tipp: „Hail, Caesar!“ (2016)

It’s complicated

Es ist schon ein wenig paradox: Die Coen Brüder, unter anderem geschätzt für ihren feinen, intelligenten Humor, widmen sich einen ganzen Film lang Hollywood, verstecken dabei wahrscheinlich hunderte Anspielungen auf Stars, Macher und Opfer der sogenannten Traumfabrik in jeder Szene, und unsereins, der sich Cineast nennt, bleibt am Ende überraschend unberührt zurück. Was ist denn da passiert?

Vielleicht liegt es am schieren Überangebot an bekannten Gesichtern, die „Hail, Caesar!“ zu bieten hat? Keine Frage, bei einer Satire über das Hollywood der 1950er Jahre sollten sie nicht fehlen. Jede noch so kleine Rolle ist mit einem Star besetzt, sei es ein längst verblichener oder ein immer noch oder bald noch mehr funkelnder. So schauen unter anderem Frances McDormand, Jonah Hill, Christopher Lambert, Scarlett Johannsson, Ralph Fiennes, Channing Tatum und sogar Dolph Lundgren (leider nur als Schatten, da sein Auftritt der Schere zum Opfer fiel) kurz vorbei. Das entlockt mir beim Zuschauen nahezu pausenlos ein „Ohhhh!“, „Waaaas?“ oder „Cool!“, lenkt aber leider ebenso von der Handlung ab.

Die wird hauptsächlich von Josh Brolin alias Eddie Mannix getragen, der soetwas wie der „Problemlöser“ seines Hollywood-Studios Capitol Pictures ist, beispielsweise wenn eine Produktion aus der Spur zu springen droht. Er kümmert sich um einen reibungslosen Drehplan, überwacht das öffentliche Image seiner Stars und verhandelt auch schon mal mit Vertretern verschiedener Konfessionen, wenn es um die korrekte Darstellung Gottes in einem Epos mit religiösen Bezügen geht. Kurz: Ohne Mannix würde der Saftladen nicht laufen. Das wird besonders deutlich, als Baird Whitlock (George Clooney) abhanden kommt. Der ist Hauptdarsteller in einem Monumentalfilm, in den das Studio große Hoffnungen setzt. Mannix muss den Mann schleunigst wiederfinden, bevor die Klatschpresse (Auftritt der doppelten Tilda Swinton) von seinem Verschwinden Wind bekommt. Was nur der Zuschauer weiß: Whitlock ist von Kommunisten entführt worden, denen parallel zu Mannix der etwas tumbe Actionfilmheld Hobey Doyle (Alden Ehrenreich) nach und nach auf die Schliche kommt.

Das alles vermischen die Coens auf ihre gewohnt geistreiche Art miteinander, stellen amüsanten Szenen bitterböse Satire gegenüber und lassen ihren beeindruckenden Cast komplett von der Leine. So ganz will der Funke aber dann doch nicht überspringen. „Hail, Caesar!“ gleicht vielmehr einer bunten, mäßig witzigen Nummernrevue, die nie richtig Fahrt aufnimmt und gemütlich im zweiten Gang vor sich hintuckert. Mag sein, dass die beiden Regisseure/Autoren Joel und Ethan Coen beim Schreiben ganz viel Spaß hatten. Sicherlich hat sich das auch auf die Dreharbeiten ausgewirkt und am Set gab es immer etwas zu lachen. Auf der Leinwand lässt sich das alles aber nur erahnen.

Oder ist es doch fehlendes Insiderwissen meinerseits? Dann sollte ich vielleicht erst mein Defizit bezüglich Hollywood in den 1950ern abbauen. Danach kann ich es ja nochmal mit „Hail, Caesar!“ probieren.

Die DVD/Blu-ray bietet den Film in deutsch synchronisierter und englischer Originalsprachfassung sowie deutsche und englische Untertitel (plus diverse weitere Sprachen). Als Bonusmaterial gibt es mehrere Featurettes zu unterschiedlichen Aspekten der Entstehung. „Hail, Caesar!“ erscheint bei Universal Pictures Germany GmbH und ist seit 30. Juni 2016 erhältlich. (Packshot + stills: © Universal Pictures)

Heimkino-Tipp: „Unsere kleine Schwester“ (2015)

Sisterhood

„Es ist ein Film über Familienbande(n), den Wert elterlicher Liebe, über verschiedene Lebenseinstellungen und Werte, große Erwartungen und (falsche?) Hoffnungen.“ Mit diesen Worten schloss ich meine Rezension zu „Like Father, Like Son“, einem Film von Hirokazu Koreeda, der im September 2015 erschien (Rezension siehe HIER). Ein Satz, der ebenso vorbehaltslos auf sein Nachfolgewerk, das Drama „Unsere kleine Schwester“, zutrifft. Koreeda hat sich im Laufe der vergangenen Jahre als ein Spezialist für Dramen etabliert, die sich bevorzugt im familiären Umfeld abspielen. Im Mittelpunkt diesmal: drei erwachsene Schwestern, die unverhofft eine weitere jüngere dazubekommen.

Sachi (Haruka Ayase), Yoshino (Masami Nagasawa) und Chika (Kaho) leben gemeinsam im Haus ihrer Mutter, zu der sie nur sporadisch Kontakt pflegen. Sie hatte sich vor Jahren schon von ihrem Mann getrennt, der inzwischen mit einer anderen Frau eine neue Familie gegründet hat. Als er stirbt, erfahren die Geschwister, dass sie mit Suzu (Suzu Hirose) eine junge Halbschwester haben. Spontan laden sie Suzu ein, zu ihnen zu ziehen und fortan zu viert in dem großen Haus zu wohnen. Die Schülerin lässt sich auf das Experiment ein und so beginnt für das Quartett ein neuer Lebensabschnitt, der viele Überraschungen bereithält.

Basierend auf dem preisgekrönten Manga „Umimachi Diary“ von Akimi Yoshida verfasste der japanische Regisseur und Cannes-Preisträger Hirokazu Koreeda ein Drehbuch, das sich gängigen inhaltlichen Erwartungen komplett verweigert. Statt nach dem Einzug der zunächst „fremden“ Suzu Generations-, Verhaltens- und Erziehungskonflikte in den Mittelpunkt zu rücken, belässt es das Skript bei ein paar wenigen, unbedeutenden Streitereien, die sich kaum auf die Harmonie zwischen den vier Mädchen auswirken. Regisseur Koreeda begründet das selbst so: „Natürlich sind die vier Schwestern die Hauptfiguren des Films […]. Aber ich denke, die Geschichte erzählt noch mehr als das. Sie handelt auch von Kamakura und vom Lauf der Zeit in dieser Küstenstadt. So, wie sich die Gezeiten am Meeresstrand gleichmäßig bewegen, bleiben auch die Bewegungen der Stadt im wesentlichen immer gleich und das trotz des regelmäßigen Kommens und Gehens ihrer Bewohner […]. Es ist fast so, als ob das Leben eines Menschen nur eine winzig kleine Sache ist – wie Sandkörner am Strand. Ich fragte mich deshalb, ob die eigentliche Hauptfigur der Geschichte nicht viel eher die Zeit ist, die die Vergangenheit und Zukunft absorbiert.“ (Zitat aus dem Presseheft zum Film).

Zugegeben: Ohne diese Anmerkung des Regisseurs wirkt „Unsere kleine Schwester“ mit der beinahe überzeichneten Gutmütigkeit fast aller Charaktere ein wenig naiv und realitätsfern. Zwar bewegen sich die Figuren in der realen Welt mit all ihren Höhe- und Tiefpunkten. Die vielen einsamen Straßen, das Ausblenden von harschen Tönen und die stets schnell überwundenen Meinungsverschiedenheiten lassen den Film jedoch mehr wie einen schönen Traum wirken. Oder eben wie eine Momentaufnahme eines Ortes, der wie die Zuschauer nur stiller Beobachter seiner Bewohner ist, die versuchen, im Alltäglichen – gemeinsam essen, lachen, trauern, beten, sich erinnern – ihren Weg und ihr Glück zu finden.

Ein ungewöhnlicher Film, der daran erinnert, das Leben an sich und die „einfachen Dinge“ darin zu schätzen.

Die DVD bietet den Film in deutsch synchronisierter und in japanischer Originalfassung sowie optionale deutsche Untertitel. Als Bonus sind Trailer beigefügt. „Unsere kleine Schwester“ erscheint bei Pandora Filmverleih/Alive und ist seit 17. Juni 2016 erhältlich. (Packshot + stills: Pandora Filmverleih)

Heimkino-Tipp: „Daddy’s Home“ (2015)

World’s Greatest Brad

Wer schon einmal das Vergnügen hatte, den US-Schauspieler und Komödianten Will Ferrell bei einem seiner Auftritte in diversen Talkshows zu sehen, weiß, dass dieser Mann keinerlei Hemmungen kennt. In vielen Filmen, in denen er mitwirkt, spielt er jedoch meist das Gegenteil: Einen im wahrsten Sinne des Wortes bis zum Hals zugeknöpften, stocksteifen und stets nach Harmonie strebenden Kerl, der selbst im größten Chaos versucht, Haltung zu bewahren. Es ist eine sehr spezielle Art von Humor, die – zumindest in meinen Augen – nicht immer funktioniert. Hin und wieder aber entstehen aus diesen Gegenpolen richtig gute Gags.

So zum Beispiel in der Actionkomödie „Die etwas anderen Cops“ aus dem Jahr 2010. An der Seite von Mark Wahlberg gab Ferrell darin den Polizisten Allen Gamble, der von seinem heißblütigen Partner in absurde Situationen geschleift wird und sich dort als ganzer Kerl behaupten muss. Für die Familienkomödie „Daddy’s Home“ standen die zwei Spaßvögel Wahlberg/Ferrell nun wieder gemeinsam vor der Kamera.

Ferrell gibt darin den braven Ehemann Brad, der mit Fleiß, Geduld und ganz viel Liebe versucht, ein guter Stiefvater für die zwei Kinder seiner Frau Sara (Linda Cardellini) zu sein. Doch alle Mühen scheinen vergessen, als Dusty auftaucht: Saras Ex und der leibliche Papa der zwei kleinen Racker hat sich für einen Besuch angekündigt – und seine Kids nach zwei Sekunden bereits in seinem Team. Aus einer Nacht wird schnell eine Woche und so muss sich Brad fortan täglich gegen den muskelbepackten, coolen und cleveren Konkurrenten im eigenen Haus beweisen. Das führt unweigerlich zu peinlichen Momenten, die schon bald darauf Brads fragiles Familienglück bedrohen.

Die Rollen in „Daddy’s Home“ sind von Anfang an klar verteilt: Während sich der Langweiler Brad mit jeder seiner Aktionen selbst immer weiter ins Abseits drängt, scheint Dusty der geborene Sieger zu sein. Er ist handwerklich geschickt, hat ein lässiges Auftreten und keine Hemmungen, seine Gegner verbal und physisch niederzumachen. Wem von beiden der Zuschauer die Daumen drücken soll, ist nicht schwer zu erahnen. Von einem gleichberechtigten Hahnenkampf kann somit keine Rede sein.

Vielleicht ist genau dies der Punkt, weshalb „Daddy’s Home“ nie wirklich Fahrt aufnimmt. Statt einer kohärenten Handlung gleicht der Film einer Nummernrevue, in der der Langweiler immer wieder aufs Neue vom coolen Jungen veräppelt wird. Das ist amüsant, keine Frage. Für einen Spielfilm allerdings etwas dürftig, da diese beiden absichtlich überzeichneten Rollenklischees nie wirklich hinterfragt werden. Ebenso bleiben die anderen Figuren (Gattin, Kids) zu eindimensional, um der Handlung etwas zusätzliche Würze zu geben.

Was bleibt, sind ein paar richtig guter Lacher, viel Schadenfreude-Humor und zwei Hauptdarsteller, die sich aufgrund ihrer auch äußerlichen Gegensätzlichkeit tatsächlich gut ergänzen. Da dürfen also gern noch mehr gemeinsame Projekte folgen. Aber dann bitte mit ein klein wenig mehr Substanz.

Die DVD/Blu-ray bietet den Film in deutsch synchronisierter sowie englischer Original-Sprachfassung. Diverse Untertitel in mehreren Sprachen sind vorhanden. Als Extras gibt es ein Making of, eine Werbefeaturette sowie gelöschte Szenen. Die Blu-ray bietet zusätzliche Kurzdokus, die sich mit verschiedenen Aspekten des Filmdrehs befassen. „Daddy’s Home – Ein Vater zu viel“ erscheint bei Paramount/Universal Pictures Germany GmbH und ist seit 9. Juni 2016 erhältlich. (Packshot + Filmstills: © Paramount/Universal Pictures)

... im Nachgang: „A Bigger Splash“ (Kinostart: 5. Mai 2016)

Ralph Fiennes geht baden. Nackt. Immer wieder. In der Redaktion des Kinokalender Dresden sorgt das für Freude – und Frust. Nachzulesen HIER! Von mir stammt der Pro-Teil des Textes.

(Plakat: © 2015 Studiocanal GmbH Filmverleih)

Heimkino-Tipp: „By the Sea“ (2015)

Mr. & Mrs. Pitt

Es ist schon bemerkenswert, wie viel Schönheit der neue Film von und mit Angelina Jolie allein optisch zu bieten hat: Neben einem schnieken Hauptdarsteller-Quartett und einem traumhaften Drehort auf Malta ist es vor allem die superbe Kameraarbeit des gebürtigen Österreichers Christian Berger (Oscar-Nominierung für „Das weiße Band“), die von der ersten Sekunde an beinahe hypnotisierend wirkt. Dazu eine unglaublich detaillierte Ausstattung der Sets und Kostüme zum Niederknien – fertig ist der filmische Augenschmaus.

Schauspiel-Superstar Angelina Jolie, die hier erstmals mit ihrem neuen Zunamen Pitt in den Credits erscheint, legt mit „By the Sea“ bereits ihre vierte Regiearbeit vor. Ein Drama, das von dem Versuch eines verheirateten Paares erzählt, in der Abgeschiedenheit eines kleinen Küstenortes ihrem vor 14 Jahren geschlossenen Bund fürs Leben eine zweite Chance zu geben.

Vanessa (Jolie) und Roland (ihr echter Gatte Brad Pitt) haben sich kaum noch etwas zu sagen, halten nach Außen jedoch die Fassade einer funktionierenden Beziehung aufrecht. Sie kennen die Eigenheiten und Macken des Anderen in und auswendig, leben beinahe stumm nebeneinander her und gehen sich sogar im Urlaubsort mit trauriger Gewohnheit aus dem Weg. Während er tagsüber versucht, in der Kneipe von Michel (Niels Arestrup) einen neuen Roman zu schreiben, genießt sie die Einsamkeit auf dem Balkon ihres Hotelzimmers und knüpft zarte Bande mit dem jungen Paar im Nachbarraum (Mélanie Laurent, Melvil Poupaud), das hier seine Flitterwochen genießt. Was die Jungverliebten nicht wissen: Vanessa und Roland haben ein Loch in der Wand entdeckt, durch das sie das Paar bevorzugt beim Liebesspiel beobachten. Kann das Vanessa und Roland möglicherweise dabei helfen, sich selbst wieder näher zu kommen?

„By the Sea“ ist über weite Strecken das Porträt einer Beziehung im Stillstand. Tatsächlich sieht man die beiden Protagonisten meist nur sitzend, liegend oder bei langsamen Spaziergängen in einer sonnendurchfluteten Gegend, die ein krasses optisches Gegengewicht zur inneren Stimmung der beiden darstellt. Da bedarf es schon herausragender Darsteller, um diese Szenen mit Leben zu füllen. Jolie, Pitt und den wenigen Nebendarstellern gelingt dies bravourös; vor allem dann, wenn sie zudem ohne Dialoge auskommen müssen.

Allerdings ist dieses „Sezieren“ einer Ehe, die aufgrund eines traurigen Ereignisses in der Vergangenheit aus den Fugen geraten ist, nur mit wenigen inhaltlichen Höhepunkten versehen. So gleichen sich etliche Streitgespräche und -situationen mit zunehmender Laufzeit immer mehr, ohne dass eine charakterliche Entwicklung wahrnehmbar ist. Stattdessen werden beim Zuschauen Erinnerungen an den fantastischen Sam Mendes-Film „Zeiten des Aufruhrs“ („Revolutionary Road“, 2008) mit Kate Winslet und Leonardo DiCaprio in den Hauptrollen geweckt, der eine ähnliche Prämisse nutze, um das Auseinanderleben eines einst glücklichen Paares aufzuzeigen. Dort gelang dies über weite Strecken fesselnder, obwohl gleichzeitig ein viel längerer Beziehungszeitraum im Fokus stand.

Für die Regisseurin Jolie Pitt ist „By the Sea“ ein weiterer Beweis für ihr Können. Inszenatorisch ist das Drama über jeden Zweifel erhaben, ebenso die Besetzung, die Kameraarbeit, die Ausstattung sowie der Soundtrack von Gabriel Yared (Oscar für „Der englische Patient“). Für die Drehbuchautorin Jolie Pitt hingegen kann „By the Sea“ lediglich als Fingerübung durchgehen – für 122 Filmminuten ist das Skript schlicht zu unspektakulär.

Die DVD/Blu-ray bietet den Film in deutsch synchronisierter sowie englischer Original-Sprachfassung. Diverse Untertitel in mehreren Sprachen sind vorhanden. Als Extras gibt es gelöschte Szenen, ein Making of (nur Blu-ray) sowie ein Kurzfeature mit dem Titel „Gena Rowlands: Eine Inspiration“ (nur Blu-ray). „By the Sea“ erscheint bei Universal Pictures Germany GmbH und ist seit 9. Juni 2016 erhältlich. (Packshot + Filmstills: © Universal Pictures)