Das Arche-Noah-Prinzip
Zweifellos gelten vor allem die Produktionen aus dem Hause Pixar als Vorreiter für die Entwicklung von Animationsfilmen. Schaut mensch sich deren Werke in chronologischer Reihenfolge an, sind die technischen Sprünge nach vorn nicht zu übersehen.* So verwundert es kaum, dass diese wunderschön anzusehenden Filme regelmäßig bei den Oscars abräumen, sich aber gleichzeitig die Pixar/Disney-Konkurrenz inzwischen ebenso nicht mehr lumpen lässt und Preise einheimst.
Umso überraschender, was da 2025 bei den Academy Awards bei der Verleihung des Goldjungen für die Kategorie „Bester animierter Film“ geschah: Statt Pixars „Alles steht Kopf 2“ oder dem neuesten Knetabenteuer von „Wallace & Gromit“ hieß es plötzlich „And the winner is … ‚Flow‘!“ Dies ist insofern bemerkenswert, da dies nicht nur den ersten Oscar-Gewinn für Lettland darstellt, sondern „Flow“ ein unabhängig produzierter Animationsfilm ist, der ausschließlich mit einer frei zugänglichen Gratissoftware namens Blender entstand. Dass diese nicht in allen Aspekten so ‚perfekte‘ Bilder wie beispielsweise die der Hollywood-Studios generiert, mag für verwöhnte Genre-Fans anfangs möglicherweise irritierend wirken. Doch passt diese ‚unvollkommene‘ Optik ganz hervorragend zum Inhalt dieses bewegenden Meisterstücks.
Erzählt aus dem Blickwinkel einer Katze, folgt die Geschichte ihrem Weg durch eine Welt, die überflutet wurde und keine Menschen mehr beherbergt. Das Haus, in dem die Samtpfote bisher gelebt hat, fällt nun dem steigenden Wasserpegel zum Opfer, sodass sie fliehen muss – und in einem Segelboot landet, das bis dato nur ein Wasserschwein beherbergt. Auf ihrer Fahrt durch eine Landschaft, in der nur noch einzelne Ruinen von Bauwerken an frühere Zeiten erinnern, stoßen sie auf weitere Tiere, die sich ihnen anschließen: einem Labrador, einem Äffchen und einem Sekretär(-vogel).
Das Besondere an „Flow“: Der Film kommt ganz ohne Dialoge aus und vermenschlicht seine Charaktere nicht. Sie kommunizieren lediglich so, wie es sie es auch in unserer Realität tun: mittels Miauen, Bellen, Quicken und Grunzen und ihrer Körpersprache. Sie agieren zudem nachvollziehbar (weil natürlich) und in einer Art und Weise, die der Mensch ihnen bis heute leider vornehmlich abspricht: Mit einer Seele (Dass Tiere sehr wohl zu bewusstem und überlegtem ‚Handeln‘ fähig sind, beweisen nicht nur unzählige Videos auf diversen Videoplattformen).
Doch Regisseur Gints Zilbalodis hat mehr im Sinn als ein niedliches Filmchen mit süßen Tieren: Er zeigt auf beeindruckende Weise, wie ein Neben- und Miteinander unterschiedlicher Wesen, Arten und ‚Sprachen‘ funktionieren kann und muss, auch wenn es verschiedene Bedürfnisse, Verhaltensweisen und Charaktere gibt. Diese Botschaft ergänzt die oben erwähnte, nicht immer perfekt aussehende Animation treffend – denn wer ist das schon?
„Flow“ ist gespickt mit etlichen Andeutungen zur heutigen Weltlage (Flüchtlingsbewegung, Klimakrise, Naturzerstörung), enthält biblische Verweise und viel Symbolik, die sicherlich vornehmlich ein erwachsenes Publikum ansprechen. Gleichzeitig ist die dialoglos vermittelte Message von Teamwork, Gemeinschaft und Akzeptanz auch für Kinder leicht zu deuten und macht „Flow“ zu einem überaus sehenswerten Familienfilm.
*Als Beispiel möchte ich hierfür die DVDs „Pixars komplette Kurzfilmsammlung“ empfehlen, von denen es inzwischen drei Teile gibt.
Da es sich um einen Dialog-losen Film handelt, gibt es auf den Blu-ray- und DVD-Editionen keine Sprach- und Untertitelauswahl. Als Extras enthalten die Discs zwei frühere Kurzfilme des Regisseurs und Trailer. „Flow“ erscheint bei MFA+ FilmDistribution e.K. im Vertrieb von AL!VE und ist seit 17. Juli 2025 auch digital erhältlich. (Packshot + stills: © MFA+/Dream Well Studio/Sacrebleu Productions/Take Five)
Liebe Filmfreunde!
Ein halbes Dutzend Kinoneustarts wöchentlich und unzählige Heimkino-Veröffentlichungen machen es heutzutage nicht leicht, „cineastische Perlen“ zu entdecken. Ob Rezensionen da helfen? Ich weiß es nicht, trotzdem will ich hier meinen Senf zum Thema Film & Kino dazugeben, möchte es wagen Neues zu loben, Klassiker zu verdammen, Aktuelles zu verteufeln, Altes zu empfehlen.
Und wer weiß: Vielleicht entdecken Sie so Ihren neuen Lieblingsfilm?
Heimkino-Tipp: „Eden“ (2024)
The horror, the horror.
Es klingt so romantisch: Der Welt und seinen Menschen entfliehen, hinaus auf eine abgelegene Insel im Warmen, um dort in liebevoller Zweisamkeit bis ans Ende der Tage zu leben. Wirklich zu leben. Diesen Traum erfüllten sich Ende der 1920er-Jahre der Berliner Arzt Adolf Ritter und dessen Lebensgefährtin, die Lehrerin Dore Strauch, als sie sich auf der zum Galápagos-Archipel zählenden und damals noch unbewohnten Insel Florena niederließen. Abseits der Weltwirtschaftskrise, jedweder Zivilisation und den Errungenschaften der modernen Medizin, lebten sie dort als Selbstversorger und ließen den Rest der Welt durch Zeitungsartikel an ihrem scheinbar paradiesischen Leben teilhaben. Die Folge: Neben etlichen (vornehmlich reichen) Touristen zog es auch immer wieder Nachahmer nach Florena, von denen sich aber nur die Familie Wittmer langfristig den alltäglichen Strapazen stellte und mit ansiedelte. Kurz darauf folgte noch eine zweite Gruppe um eine selbst ernannte Baronin – und die fragile Gemeinschaft wurde sukzessive zur Kampfarena.
Der zweifache Oscar-Preisträger Ron Howard („A Beautiful Mind“, „Apollo 13“, „The Da Vinci Code – Sakrileg“) hat sich dieser wahren Geschichte nun angenommen – und hierfür eine bemerkenswerte Besetzung gewinnen können: Jude Law, Vanessa Kirby, Ana de Armas, Daniel Brühl und Sydney Sweeney lieben, streiten, provozieren und bekämpfen sich (in jeweils unterschiedlichen Konstellationen) als die oben genannten fünf Protagonisten. Dass es dabei in allen Aspekten stets sehr körperlich und freizügig zugeht, darauf sollten die FilmgenießerInnen gefasst sein. So führt Law alias Ritter eine ganze Dialogszene im ‚Adamskostüm‘, knutscht und fummelt de Armas alias Baroness Eloise Wehrborn de Wagner-Bosquet mit gleich zwei Kerlen gleichzeitig und wird Kirby alias Strauch ein fauler Zahn mit der Zange gezogen. So ein Inselleben ist eben kein Ponyhof.
Howard inszeniert diese Robinsonade von Anfang an wenig beschönigend und lässt auch anhand seiner Bildsprache (Kamera: Mathias Herndl) keinen Zweifel daran, dass sich hier die Bestie Mensch nicht nur selbst zerfleischt, sondern sich ebenso die Natur egoistisch Untertan macht und zielstrebig auf eine Katastrophe zusteuert. Die (reale) Einbettung in die 1930er-Jahre und die Tatsache, dass es sich um Deutsche handelt(e), geben der Geschichte eine zusätzliche bittere Note, wenn mensch bedenkt, was wenige Jahre später weltpolitisch geschah.
Schauspielerisch gibt es bei den hier versammelten Profis ohnehin nichts zu meckern. Vielmehr freut es mich zu sehen, dass Felix Kammerer, der sich vor kurzem erst in der vierfach Oscar-prämierten Neuverfilmung von „Im Westen nichts Neues“ auf die Bühnen der Welt spielte, nun bereits in so prominenter Umgebung wieder auf der Leinwand zu sehen ist (und gleich mal mit Ana de Armas rummachen darf, this lucky bastard!).
Mag „Eden“ an manchen Stellen – vor allem zu Beginn – noch etwas gehetzt wirken, so gelingt es Howard mit Leichtigkeit, allen (Haupt-)Figuren im weiteren Verlauf Profil und Gravitas zu verleihen und ihren ambivalenten Rollen in dieser faszinierend-erschütternden (wahren) Geschichte der ‚Galápagos-Affäre‘ gerecht zu werden. Ein finsteres, sehenswertes Filmerlebnis!
Die DVD/Blu-ray bietet den Film in englischer Original- sowie deutscher Synchronsprachfassung. Deutsche Untertitel sind optional zuschaltbar. Als Bonus gibt es Trailer. „Eden“ erscheint bei Leonine und ist seit 18. Juli 2025 auch digital erhältlich. (Packshot + stills: © Leonine)
Es klingt so romantisch: Der Welt und seinen Menschen entfliehen, hinaus auf eine abgelegene Insel im Warmen, um dort in liebevoller Zweisamkeit bis ans Ende der Tage zu leben. Wirklich zu leben. Diesen Traum erfüllten sich Ende der 1920er-Jahre der Berliner Arzt Adolf Ritter und dessen Lebensgefährtin, die Lehrerin Dore Strauch, als sie sich auf der zum Galápagos-Archipel zählenden und damals noch unbewohnten Insel Florena niederließen. Abseits der Weltwirtschaftskrise, jedweder Zivilisation und den Errungenschaften der modernen Medizin, lebten sie dort als Selbstversorger und ließen den Rest der Welt durch Zeitungsartikel an ihrem scheinbar paradiesischen Leben teilhaben. Die Folge: Neben etlichen (vornehmlich reichen) Touristen zog es auch immer wieder Nachahmer nach Florena, von denen sich aber nur die Familie Wittmer langfristig den alltäglichen Strapazen stellte und mit ansiedelte. Kurz darauf folgte noch eine zweite Gruppe um eine selbst ernannte Baronin – und die fragile Gemeinschaft wurde sukzessive zur Kampfarena.
Der zweifache Oscar-Preisträger Ron Howard („A Beautiful Mind“, „Apollo 13“, „The Da Vinci Code – Sakrileg“) hat sich dieser wahren Geschichte nun angenommen – und hierfür eine bemerkenswerte Besetzung gewinnen können: Jude Law, Vanessa Kirby, Ana de Armas, Daniel Brühl und Sydney Sweeney lieben, streiten, provozieren und bekämpfen sich (in jeweils unterschiedlichen Konstellationen) als die oben genannten fünf Protagonisten. Dass es dabei in allen Aspekten stets sehr körperlich und freizügig zugeht, darauf sollten die FilmgenießerInnen gefasst sein. So führt Law alias Ritter eine ganze Dialogszene im ‚Adamskostüm‘, knutscht und fummelt de Armas alias Baroness Eloise Wehrborn de Wagner-Bosquet mit gleich zwei Kerlen gleichzeitig und wird Kirby alias Strauch ein fauler Zahn mit der Zange gezogen. So ein Inselleben ist eben kein Ponyhof.
Howard inszeniert diese Robinsonade von Anfang an wenig beschönigend und lässt auch anhand seiner Bildsprache (Kamera: Mathias Herndl) keinen Zweifel daran, dass sich hier die Bestie Mensch nicht nur selbst zerfleischt, sondern sich ebenso die Natur egoistisch Untertan macht und zielstrebig auf eine Katastrophe zusteuert. Die (reale) Einbettung in die 1930er-Jahre und die Tatsache, dass es sich um Deutsche handelt(e), geben der Geschichte eine zusätzliche bittere Note, wenn mensch bedenkt, was wenige Jahre später weltpolitisch geschah.
Schauspielerisch gibt es bei den hier versammelten Profis ohnehin nichts zu meckern. Vielmehr freut es mich zu sehen, dass Felix Kammerer, der sich vor kurzem erst in der vierfach Oscar-prämierten Neuverfilmung von „Im Westen nichts Neues“ auf die Bühnen der Welt spielte, nun bereits in so prominenter Umgebung wieder auf der Leinwand zu sehen ist (und gleich mal mit Ana de Armas rummachen darf, this lucky bastard!).
Mag „Eden“ an manchen Stellen – vor allem zu Beginn – noch etwas gehetzt wirken, so gelingt es Howard mit Leichtigkeit, allen (Haupt-)Figuren im weiteren Verlauf Profil und Gravitas zu verleihen und ihren ambivalenten Rollen in dieser faszinierend-erschütternden (wahren) Geschichte der ‚Galápagos-Affäre‘ gerecht zu werden. Ein finsteres, sehenswertes Filmerlebnis!
Die DVD/Blu-ray bietet den Film in englischer Original- sowie deutscher Synchronsprachfassung. Deutsche Untertitel sind optional zuschaltbar. Als Bonus gibt es Trailer. „Eden“ erscheint bei Leonine und ist seit 18. Juli 2025 auch digital erhältlich. (Packshot + stills: © Leonine)
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